Kolumne: Mein Bauch gehört mir!:Die Diät-Verschwörung

Lesezeit: 4 min

Unser Autor testet die Brigitte-Diät - und stellt fest, dass er in einer Welt des Product Placement und übereifrigen Mitmachern gefangen ist. Das Schlimme: Man kommt nicht mehr raus!

Jürgen Schmieder

Die Ankündigung auf Seite zwei der Beilage ist vielversprechend: "Ab jetzt passt die neue BRIGITTE-Diät noch besser in Ihren Alltag, in Ihr Leben. Ob Sie beruflich angespannt oder oft unterwegs sind, ob Sie privat viel um die Ohren haben, gern kochen oder lieber nicht... in diesem Extra-Heft finden Sie das Richtige für sich."

Fertigpizza? Jeden Tag? Nein, das schmeckt wirklich nicht. (Foto: N/A)

Na, das ist doch prima: Die Zeitschrift kümmert sich um mich. Schneidet eine Diät direkt auf mich zu. Sind Frauen-Zeitschriften immer so?

Ich wähle die Option "Der 2-Wochen-Plan für alle, die nicht gern kochen wollen." Freilich koche ich gerne - und meiner Frau zufolge auch ganz passabel -, aber um die die Variante "Selber kochen" umsetzen zu können, müsste ich beim Chefredakteur eine Woche Sonderurlaub beantragen. Der würde es zwar bestimmt prima finden, wenn ich ihm mal eine Woche nicht mit komischen Ideen auf die Nerven gehen würde. Aber bezahlter Urlaub, nur damit der Redaktions-Moppel eine Diät testet, findet er übertrieben.

Das Programm liest sich richtig toll: Bis zu fünf Mahlzeiten am Tag sind angegeben, man darf sich kulinarisch bestens austoben. Ach, was sag ich: kräftig den Wanst vollschlagen! Hocherfreut und motiviert wie die deutsche Nationalelf vor dem Argentinien-Spiel gehe ich einkaufen. Sie erinnern sich: Vor wenigen Wochen habe ich schon mal meine Schwierigkeiten im Supermarkt gebeichtet, doch diesmal ist alles anders. Denn bei der BRIGITTE-Diät ist der Einkauszettel inklusive.

Also ab ins Rush-Hour-Supermarkt-Getümmel, um für die ersten drei Tage einzukaufen. Die Ellenbogen-Schoner sind dran, die Nerven nach einem grandiosen Kicker-Erfolg gegen den Produktmanager absolut gestählt.

Am Anfang läuft alles bestens. Die Eierpfannkuchen liegen griffbereit, die Gulasch-Pfanne und die Tiefkühl-Pizza, die ich aus der überragenden "We love Deutschlaaaand"-Werbung bestens kenne, ebenfalls. Alles liegt im Einkaufswagen, als ich einen Mann in meinem Alter vorbeischieben sehe. In seinem Wagen. Eierpfannkuchen, Gulasch-Pfanne und Tiefkühl-Pizza. Ha!, denke ich mir, Frauenzeitschriften-Leser! Er sieht meine Einkäufe an und wirft mir einen überheblichen-verächtlichen Blick zu, der sagen will: Ha! Frauenzeitschriften-Leser!

Dann aber das erste Problem: Es gibt nur die Billig-Version des Abwehrkräfte-stärkenden Energie-Drinks. Das geht ja nun gar nicht! Das Ding hat mit Sicherheit einige Kalorien mehr, dafür fehlen bestimmt die Spurenelemente und ein paar Vitamine. Nein, wenn ich die Sache schon durchziehe, dann mit den Original-Produkten. Gibt ja noch andere Supermärkte.

Allerdings gilt in Deutschland immer noch das unsägliche Ladenschlussgesetz. Also sprinte ich 1500-Meter-Sprint, verbrauche dabei bestimmt 200 Kalorien, um gerade noch in den anderen Markt zu huschen. Da gibt es dann alles, was der BRIGITTE-Magen begehrt. Sündhaft teuer, aber immer noch billiger, als später für eine Fettabsaugung blechen zu müssen.

Es geht los: Am ersten Tag gibt es wie gesagt Pfannkuchen, Gulasch und eine Pizza. Schmeckt alles lecker, nur: Das Gulasch reicht gerade mal für meine linke Magen-Hälfte. Die rechte schreit: "Meeeeehr!" Gibt's aber nicht.

Am zweiten Tag steht als Frühstück eine Bio-Buttermilch auf dem Speiseplan. Unter uns: Bio-Buttermilch schmeckt wie offener Fuß. Aber niemand hat gesagt, dass es leicht wird. Man muss auch mal dorthin gehen, wo es weh tut.

Das tue ich auch. In Internet-Foren besprechen sich nämlich die Mitglieder der BRIGITTE-Diät. Wenn man sich dort bewegt, denkt man, man hätte die Illuminaten persönlich aufgestöbert. Da werden geheime Alternativ-Pläne diskutiert, über die böse Atkins-Diät gelästert, der Glyx-Index gebrandmarkt. Besonders auffällig: über 30 Prozent der Foren-Teilnehmer sind männlich.

Aber zurück zur Diät: Am dritten Tag gibt es mittags eine Pizza. Schon wieder? Zwar von einem anderen Anbieter, aber ich wundere mich über die fehlende Variation.

Dann jedoch habe ich eine Eingebung wie die beiden Emmaus-Jünger, als sie Jesus das Brot brechen sahen: Die BRIGITTE-Diät ist nichts anderes als eine riesige Product-Placement-Plattform. Der Joghurt muss von der einen Firma sein, das Vollkornbrot ist nur von der anderen Firma wirklich tauglich und als Snack taugt freilich auch nur der eines bestimmten Unternehmens.

Ich kontrolliere, was bei der zweiten Woche empfohlen wird: andere Produke - von den gleichen Firmen.

Ich stürze mich in ein Internet-Forum, um meine Entdeckung preiszugeben. Aber als Antwort bekomme ich nur einen Smiley, der verständnislos mit dem Kopf schüttelt. "Das ist doch klar", schreibt einer dazu. Ich will kontern: "Dann kaufe ich eben die gleichen Produkte von anderen Firmen!" Die Antwort ist schneller da, als ich meinen Internet-Browser hochfahren kann: "Nein, denn die Diät ist auf diese Produkte ausgelegt. Bei anderen verfälschst du das Ergebnis."

Hilfe! Ich bin gefangen inmitten einer Diät-Verschwörung. Es bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich versuche auszusteigen - muss dann aber damit rechnen, dass mir auf Lebenszeit der Zugang zu Internet-Foren verweigert wird. Oder ich mache bis zum Ende der Woche weiter.

Ohne Druck von den Kollegen (Zitat: "Mach bloß weiter, du Ausreden-Profi!") gehe ich also den Endspurt an. Immerhin: Ich lerne, dass Geflügel-Jagdwurst prima schmeckt, dass Diäko kein finnischer Urlaubsort ist und dass Schnell-Restaurants auch Tiefkühl-Produkte verkaufen.

Fest steht aber auch: Ich habe jeden Abend Hunger. Klar, der Sinn einer Diät ist nun mal, weniger zu essen und sich ein wenig zu kasteien. Aber ich spreche von Heißhunger, von der Lust, endlich was anderes zu essen als Tiefkühl-Pizza und abgepacktes Sonnenblumen-Brot.

Nun ja, wenigstens die Waage sollte nach sieben Tagen mit 1200 Kalorien etwas Vernünftiges anzeigen. Da stehen - wie in der Vorwoche - 91,5 Kilogramm. Ich sehe schon: Nicht nur Internet-Foren, auch meine elektronische Waage hat sich gegen mich verschworen. Allen, die mich jetzt für paranoid halten, kann ich nur sagen: Nur weil ich paranoid bin, heißt es noch lange nicht, dass ich nicht verfolgt werde.

Deshalb gehe ich nächste Woche eine urbayerische Form der Fasten-Diät an: die Starkbier-Diät. Das wird ein Spaß! Auf zum Hockherberg!

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