Kolumne:Männer aktuell, heute: Boris

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Diesmal im Fokus: Männer, die lügen. (Foto: Illustration Jessy Asmus)

Der erste Mann, der unsere Autorin angelogen hat, hieß Boris und behauptete, er sei mit Romy Schneider verwandt. Alle Männer, die es danach taten, waren auch blöd.

Von Johanna Adorján

Der erste Mann, der mich je anlog, hieß Boris. Ein Freund meiner Eltern. Sein Nachname war Schneider. Meine Katze hieß Sissi, ein lebender und ziemlich dicker Hinweis darauf, wer meine Lieblingsschauspielerin war. Hätte ich geahnt, dass das Objekt meines kindlichen Schwärmens mit Sissi längst nichts mehr zu tun haben wollte, hätte ich die Katze natürlich anders genannt. Aber als Informationsquelle über die ferne Welt des Showgeschäfts diente mir nur das Hörzu-Abo unserer Nachbarin, und für Hörzu-Leserinnen war, ist und bleibt Romy Schneider wohl für alle Zeiten Sissi.

Also. Die Lüge war, dass Boris, der mitbekam, wie sehr ich Romy Schneider verehrte, behauptete, er sei mit ihr verwandt. Schneider - Schneider. Klar, einer Achtjährigen leuchtete das sofort ein. Auf einmal saß in unserem kleinen Garten in München-Harlaching ein wichtiger Mann. Ich hatte so viele Fragen. Wollte mich aber auch nicht lächerlich machen. Also stellte ich nur eine einzige, mit sachkundiger Miene, und zwar die, die mir von allen am erwachsensten vorkam: Ob seine Cousine eigentlich einen österreichischen oder deutschen Pass habe (damals lebte sie noch). Einen österreichischen, sagte er, der keine Ahnung hatte, weil er sie ja gar nicht kannte, geschweige denn mit ihr verwandt war. Aha. Ich nickte und verschloss die Information in meinem Herzen. Dann redeten die Erwachsenen wieder über andere Dinge, und ich strich noch eine Weile wahnsinnig unauffällig im Garten umher und tat, als ob ich das Blumenbeet beobachtete, doch meine insgeheime Aufmerksamkeit galt nur ihm.

Männern, die lügen, und Hühnern, die krähen, soll man beizeiten die Hälse umdrehen

Von da an zählte ich mich mit ihm zu einer Gruppe. Wann immer er kam, brachte ich stolz neue Bilder seiner Cousine an, die ich irgendwo ausgeschnitten hatte. Irgendwann gestand er es meinen Eltern, und die brachten es mir bei. Es traf mich vollkommen unvorbereitet, ich hatte es wirklich nicht kommen sehen.

Der zweite Mann, der mich anlog, hieß Maurus. Er war der damalige Freund der Patentante meines einen Bruders, und es muss hier von einer freundlichen, fast liebevollen Lüge gesprochen werden, die auch nicht gezielt mir galt, sondern eher so allgemein Kindern. Kurz, ich erwischte ihn, als er sich in unserer Garage als Nikolaus verkleidete. Der anschließenden Bescherung wohnte ich in einer Mischung aus grandioser Enttäuschung, Empörung und Stolz bei. An diesem Tag wurde ich wohl erwachsen.

Der dritte Mann, der mich anlog, hieß Jean-Charles, machte sich zehn Jahre jünger, als er war (es sei denn, sein Pass log), und seine sehr vielen anderen Lügen flogen auf, als ich eines Abends bei ihm in Paris anrief, mit etlichen Fünf-Mark-Münzen bewaffnet in einer Münchner Telefonzelle stehend, und eine Frau an seinen Apparat ging, die, als ich sagte, ich wolle Jean-Charles sprechen, fragte, wer ich sei. Seine Freundin, sagte ich. Ach, sagte sie, das sei aber komisch, denn seine Freundin, das sei ja sie. Es wurde ein längeres Telefonat, anschließend wurden sie und ich Brieffreundinnen, im letzten Brief, den ich von ihr bekam, stand, ich solle ihr bitte nicht mehr schreiben, denn sie sei nun doch wieder mit Jean-Charles zusammen und bitte mich, dies zu respektieren.

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Von Johanna Adorján

Die nächsten Männer, die mich anlogen, waren auch alle blöd. Jeder auf seine ganz besondere Weise.

© SZ vom 24.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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