Klettern:Wunderkind an der Wand

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Der 17-jährige David Lama läutet einen Generationenwechsel an der Kletterwand ein. Siege nimmt er nebenbei mit. Das beschert ihm nicht nur Freunde.

Silke Lode

Wenn andere sich an Kunstgriffen verrenken, dreht er sich plötzlich mit dem Rücken zur Wand, verharrt in einer vermeintlich ausweglosen Position, lächelt und springt mit der Leichtigkeit einer Katze den letzten Griff an. Das Talent, von dem die Kletterbranche bei David Lama so oft spricht, zeigt sich vor allem in solch intuitivem Gespür für die Folgen einer Bewegung, noch ehe sie vollzogen ist und in seinem unerschütterlichen Glauben an sich selbst.

David Lama: Mit 16 siegte er bereits bei zwei Weltcups. (Foto: Foto: Visual Impact, Rainer Eder)

Bisher hat das funktioniert. Der Sohn eines Sherpas aus Nepal und einer österreichischen Krankenschwester kannte nur Erfolge.

Mit sechs Jahren begann er zu klettern und kam innerhalb weniger Monate auf ein Niveau, das die meisten Kletterer nie erreichen.

Mit zehn Jahren gelangen ihm Routen im zehnten Grad auf einer Schwierigkeitsskala, die bei elf endet. Bei Jugend-Wettkämpfen gewann er mehrmals den ersten Platz, und als Lama 2006 - gerade 16 Jahre alt - zum ersten Mal bei den Erwachsenen antrat, siegte er bei zwei Weltcups.

Ärgerliche Kunstgriffe

"Doch im vergangenen Jahr ist es nicht mehr so glatt gelaufen", ärgert sich Lama. Beim Weltcup vergangene Woche in Hall in Tirol schied er bereits in der Qualifikation aus. Die Kunstgriffe haben ihn immer wieder abgeworfen. So musste er sich mit einem 23. Platz zufrieden geben. An der Fitness habe es nicht gelegen, meint Lama.

Sein Trainer Reinhold Scherer sieht die Probleme an anderer Stelle: "Ihm fehlt der mentale Fokus auf den Wettkampf. Er will die Siege nebenbei mitnehmen." Bisher musste Lama nie wirklich kämpfen; wie viele talentierte Sportler war er daran gewöhnt, dass ihm Erfolge zufallen. Jetzt müsse er lernen zu arbeiten, sagt sein Trainer.

Scherer, der selbst seit mehr als 20 Jahren im Extrembereich klettert, trainiert in Innsbruck 40 junge Kletterer. Sie sind alle erst 16 oder 17Jahre alt und haben bereits wie Lama ein Spitzenniveau erreicht.

Dennoch habe Lama eine Sonderstellung, wie Scherer einräumt, der den jungen Österreicher trainiert, seit er sechs Jahre alt ist. Schon damals sei Lama nicht zu bremsen gewesen. "Die ersten ein oder zwei Jahre habe ich mich gefragt: Was ist das denn für einer? Der strotzt ja vor Selbstvertrauen."

Für die Gruppe begann eine schwierige Zeit: Der "Fuzzy" wie sie ihn nannten, gewann alles. Wer auch immer mit ihm kletterte - David war besser. Dann kamen seine ersten internationalen Wettbewerbe, und auch hier war er der Beste.

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Ein scheuer Star

Vorbilder habe er keine, sagt Lama. "Ich bewundere viele für das, was sie machen." Fast alle seine Freunde sind Kletterer. Den Amerikaner Chris Sharma, den Lama als Wunderkind der Szene ablöste, kennt er natürlich auch. Über ihre Sonderstellung reden beide nicht, sondern nur übers Klettern. Etwas anderes interessiert sie nicht.

Einer von Lamas Sponsoren lädt den Nachwuchs regelmäßig zu Kletterreisen und Werbeaufnahmen in aller Welt. Anna Stöhr (20) gehört zu diesem Team, die Siegerin bei den Frauen des Weltcups in Hall, Cédric Lachat (23), zweifacher Schweizer Meister oder die 17-jährige Juliane Wurm, die 2006 Deutsche Meisterin im Sportklettern wurde. Die Dokumentationen dieser Reisen zeigen Lama als Anführer einer jungen Generation von Kletterern. Weil er wahrscheinlich der Beste ist - sicher aber der Berühmteste.

Dabei ist Lama kein besonders geselliger Mensch. Er lässt seine Haare gerne tief bis über die Augen ins Gesicht fallen, vermeidet den Blickkontakt und sagt keinen Satz mehr als nötig. Ganz so, als würde er sich am liebsten nur ums Klettern kümmern. Natürlich beschäftigt ihn auch, was die meisten Teenager quält: die Schule. Eineinhalb Jahre fehlten ihm noch bis zum Abitur.

Schlecht war er nie, aber er wollte lieber noch mehr Zeit für seinen Sport haben und hat die Schule im Januar abgebrochen. Sein Trainer bedauert die Entscheidung: "Irgendwann müssen alle Profis wieder einen Beruf ausüben und merken plötzlich, dass sie das nie gelernt haben."

Doch Lama schwankt zwischen Professionalität und Leidenschaft, denn das Klettern ist für ihn mehr als nur ein Sport. "Klettern ist ein Lebensstil. Freiheit, mit Freunden unterwegs sein, Reisen." Bei anderen ehrgeizigen Jungstars klingen solche Sätze phrasenhaft, ihm nimmt man sie ab. "In diesem Jahr will ich mich auf die Wettkämpfe konzentrieren. Ich muss noch an meiner Form arbeiten", sagt Lama.

Doch wesentlich begeisterter klingt er, wenn er von anderen Projekten erzählt: Von den Big Walls, die er im Yosemite-Nationalpark in Kalifornien im Freikletterstil bezwungen hat. Oder von einer neuen alpinen Route in Tirol: 17 Seillängen soll sie haben, weit mehr als 500 Meter, sein Ziel ist, so wenig Bohrhaken wie möglich zu setzen. Die Route ist so schwer, dass selbst Lama sagt, sie werde nur mit technischen Hilfsmitteln wie Trittleitern machbar sein.

Im August wird Lama 18 Jahre alt. Und damit erwarten viele, dass er nicht nur auf dem Papier erwachsen wird. Spätestens dann ist seine Zeit als Wunderkind vorbei.

© SZ vom 30.4. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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