45 Jahre Valentino:Götterkind der Couture

Valentino feiert in Rom drei Tage lang seine Mode - unser Reporter erzählt wie, mit wem und warum.

Peter Bäldle

Valentino ante portas! Rom im Juli kennt kein anderes Gesprächsthema. Zum ersten Mal seit siebzehn Jahren zeigt Italiens einziger Couturier von Weltgeltung seine Haute Couture-Kollektion für den kommenden Herbst und Winter nicht wie üblich in Paris, sondern im Complesso Monumentale San Spirito in Sassia, einem ehemaligen Hospital aus dem 16. Jahrhundert, am Tiberufer gelegen, nur einen Steinwurf vom Vatikan entfernt.

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Valentino Garavani, seit 45 Jahren kreativer Kopf des Unternehmens.

(Foto: Foto: Reuters)

Der Laufsteg ist 150 Meter lang, geladen sind 1200 Gäste. An den mit weißen und schwarzen Stoffbahnen verkleideten Wänden hängen unzählige Schwarz-Weiß-Fotos in schwarzen Rahmen um weiße Passepartouts mit schönen Frauen in schönen Kleidern und zeugen von der unermüdlichen Schaffenskraft des Meisters. "Ich liebe Schönheit", wird er später sagen, "ich liebe schöne Mädchen, schöne Häuser und Blumen, einen schönen Tisch, ein schönes Kleid. Mode ist für mich ein Mittel, um Frauen schön aussehen zu lassen. Das war stets mein Mantra!"

Valentino feiert sein 45. Berufsjubiläum mit einem dreitägigen Fest. Einen Monat zuvor hat sein Modehaus zum vierten Mal die Eigentümer gewechselt, ihn aber hat man als kreativen Kopf belassen. Mittlerweile ist er der einzige Couturier, der dem Imperium vorsteht, das er einst gegründet hat. Salopper ausgedrückt: Wo Valentino draufsteht, ist wirklich Valentino drin!

Trotzdem wird offen darüber diskutiert, dass der Anlass auch der Abschied vor dem Abschied sein könnte. Es werden sogar Nachfolger genannt, was der Maestro eher ärgerlich kommentiert: "Ich denke gar nicht daran, mich zurückzuziehen. In Zukunft vielleicht, wir werden sehen. Aber noch liebe ich meine Arbeit viel zu sehr. Außerdem gibt es noch eine Menge zu tun!'

Warum nicht 50?

Sogar das Radio im Taxi vom Flughafen Fiumicino zur Innenstadt kennt kein anderes Thema. Und auch Roms berühmteste Einkaufstraße, die Via Condotti, wo Valentino vor fast fünf Jahrzehnten sein erstes Atelier eröffnete und sich auch heute seine Boutique befindet, zeigt Flagge, genauer gesagt: cremefarbene Wappenschilder, auf denen "Via Condotti per Valentino" steht.

"Warum haben Sie nicht gewartet bis zum fünfzigsten Jahrestag?", möchte man wissen. "Nun, weil ich erst 45 Jahre lang diesen Beruf ausübe", lautet die launige Antwort auf der Pressekonferenz im Ara Pacis-Museum, Richard Meiers großartigem, von den Römern aber wenig geliebtem Glaskubus, den der Architekt um den Friedensaltar des Kaisers Augustus baute. In ihm wird bis zum Jahresende mit 300 Modellen aus fünf Dekaden die Ausstellung "Valentino A Roma" zelebriert.

Denn eigentlich ist der Maestro nie weg gewesen. Trotz des Schlosses bei Paris und der Villa auf Capri, trotz des Chalets in Gstaad und Dependancen in London und New York hat er immer in Rom gelebt und gearbeitet. Modisch gesehen, hat er aber 1989 der Stadt den Rücken gekehrt und seine Kleider in Paris gezeigt. Rom hat ihm das nie übelgenommen.

Also erheben 66 goldene Puppen auf sechs hohen Treppenstufen huldigend die Arme zum Altar und tragen 66 verschiedene Abendkleider in Valentinos Lieblingsfarbe Mohnrot. In ihrer Mitte stehen Vestalinnen in weißen Roben auf Säulenstümpfen, angeführt von einer Hohepriesterin im berühmten "Friedenskleid" von 1991, Valentinos Protest gegen den ersten Golfkrieg. Vierzehn Mal ließ er das Wort "Frieden" in vierzehn verschiedenen Sprachen auf den weißen Seidenkrepp sticken.

Capribraun, perfekt gescheitelt

"Es ist auch für mich überwältigend", sagt Valentino leise mit Blick auf die dramatisch inszenierte Kleiderschau. Wir stehen im goldenen Entrée des Museums, an dessen Seitenwänden sich schwarz-goldene Cocktailkleider in Dreierreihen übereinandertürmen. Wie stets ist er caprigebräunt und trägt die Föhnfrisur makellos gescheitelt. Kein Windstoß kann ihr ein Härchen krümmen! Seine Augen sind blau wie der Himmel über Rom, und eine schläfrige Trägheit umweht das berühmte Toreroprofil. Perfekt sitzt der cremefarbene Anzug, zu dem er cognacgelbe Schuhe kombiniert und einen feingepunkteten, schwarzen Schlips zum weißen Hemd. Eine Hand vergräbt er in der Hosentasche, die andere ist stets zu einem kleinen, imperialen Winken bereit.

So steht er auch am nächsten Abend im schwarzen Smoking, mit Prinzessin Rosario von Bulgarien im rosenroten, von Schleierrüschen umwehten Empirekleid, auf dem roten Teppich vor der Villa Borghese auf dem Monte Pincio, Roms Hausberg. Im Park, nach einem Rundgang durch die Galleria der Villa mit all ihren Caravaggios, Berninis berühmten Skulpturen und einem Blick auf Napoleons schöne Schwester Paolina Borghese als kaiserliche Venus in Marmor, wird Valentinos Galadiner mit anschließendem Ball stattfinden.

Kerzen in Terracottaschalen weisen den Weg durch den nächtlichen Barockgarten, den steinerne Chimären und antike Heroen bewachen. Aus dem Dunkel erhebt sich die prächtig illuminierte Palastfassade eines Zeltes, das Dante Ferretti, Setdesigner mit Erfahrung in Hollywood, im Stil eines Nightclubs im rot-goldenen Schanghai-Fieber der Roaring Twenties gestaltete. Zwischen Palmensäulen, Spiegeln und Pagodenleuchten tafeln 700 Gäste, begleitet von einem Swingorchester, an orchideengeschmückten, runden Tischen mit kristallfunkelndem Traviata-Dekor.

Alle Großen sind gekommen

Valentinos Jubiläumsfest dürfte die Party des Jahres, vielleicht auch des Jahrzehnts, gewesen sein. Auf jeden Fall markiert sie das Ende einer Ära, die einst nicht weniger spektakulär mit Anita Ekbergs berühmtem Bad in der Fontana di Trevi begann: in Federico Fellinis "La Dolce Vita" von 1960.

Wird es jemals wieder gelingen, eine ähnliche Gästeliste für den Zauber einer Nacht zum Leben zu erwecken? Alle sind sie da: die großen Kollegen Karl Lagerfeld und Giorgio Armani, Donatella Versace und Laura Biagiotti, und aus New York sind Tom Ford und Diane von Fürstenberg gekommen. Die Männer tragen Smoking, die Frauen Abendkleider aus Valentinos 45 Jubiläumsjahren.

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Götterkind der Couture

Noch einmal haben sich Freundinnen der ersten Stunde eingefunden, Gina Lollobrigida und Joan Collins, Jackie Kennedys Schwester Lee Radziwill und Persiens Ex-Kaiserin Farah Diba, deren kamelfarbener Valentino-Mantel mit Zobelkragen, in dem sie vor knapp dreißig Jahren an der Seite des Schahs aus Teheran floh, nunmehr im Museum zu bewundern ist.

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Wie Michelangelo: Valentino berührt den Finger einer Besucherin mit seinem Finger.

(Foto: Foto: dpa)

Extra aus Hollywood eingeflogen: Uma Thurman im weiß drapierten Göttinnenkleid und Sarah Jessica Parker in silbern schimmernder Romantikrobe. Begleitet wird sie von Ehemann Matthew Broderick, dem Schuhdesigner Manolo Blahnik und der Star-Stylistin L'Wren Scott, die ihren Freund, einen bestens gelaunten Mick Jagger, mitbringt.

Hinreißend auch Valentinos neue Couture-Generation, angeführt von Kronprinzessin Marie-Chantal von Griechenland in rosafarbener Seide. Eine hochgezogene Augenbraue hingegen riskieren Prinzessin Caroline von Monaco wegen ihres leopardengefleckten Chiffonkleides von Chanel und Anna Wintour, mächtige Chefredakteurin der amerikanischen Vogue, die dem Dresscode entgegen im kniekurzen, weißen Cocktailkleid erscheint.

Später, nach Annie Lennox' Gala-Auftritt am Konzertflügel und den hämmernden Discobeats auf der Tanzfläche, bringt Schauspielerin Clotilde Couran, die schöne Frau von Prinz Emanuel Philibert von Savoyen, mit einem Wort die Magie jener Nacht auf den Punkt. "Une féerie", seufzt sie lächelnd, als sie in die Kissenpolster der Lounge-Terrasse vor Valentinos Palastzelt sinkt.

Das Leben ist kein Feenmärchen

"Ein Feenmärchen" war das Leben des Couturiers sicherlich nicht, auch wenn es, von außen betrachtet, zuweilen so erscheint. Doch nicht selten sollten sich Frauen ihm als gute Feen erweisen. Die Erste von vielen war seine Mutter Theresa Garavani. Denn nie hat sie ihn davon abgehalten, schon seine Schulhefte mit Kleiderentwürfen vollzumalen. Dabei deutet nichts daraufhin, warum Valentino Clemente Ludovico Garavani ausgerechnet mit Mode Erfolg haben sollte, als er am 11. Mai 1932 in Voghera geboren wird, einem Provinznest zwischen Turin und Mailand.

Seine Eltern sind wohlhabend. Der Vater hat einen Elektrogroßhandel, die Mutter eine Schwäche für den Stummfilmstar Rodolfo Valentino, was dem Sohn seinen Vornamen beschert. Später wird er ihre Vorliebe für den Glamour des frühen Hollywood-Kinos teilen.

Nach dem Abitur ermöglicht Mama Garavani ihrem Sprössling, Modezeichnen und Französisch in Mailand zu lernen. 1950 geht Valentino an die Schule der Chambre Syndicale de la Couture nach Paris. Als er zwei Jahre später einen Wettbewerb für Mode-Entwurf gewinnt, erhält er eine Anstellung im Couturehaus von Jean Dessès. Dort lernt er Guy Laroche kennen, dem er als Stylist folgt, als sich dieser 1957 selbständig macht. "Bei Guy lernte ich, Mut zu haben", sollte Valentino später über jene Jahre sagen.

Als ihm sein Vater einen eigenen Couturesalon in Roms Via Condotti finanziert, kehrt er 1959 nach Italien zurück. Ausgerechnet Elizabeth Taylor, mit der ihn bis heute eine innige Freundschaft verbindet, sollte zu seinen ersten Kundinnen zählen. Sie hört von ihm, als sie in Roms Cinecittà "Cleopatra" dreht und ist von seinem Stilempfinden so beeindruckt, dass sie bei ihm, "dem unbekannten kleinen Schneider", ein weißes Kleid für die Weltpremiere von "Spartacus" in Auftrag gibt. "Sie war die erste von vielen wichtigen Kundinnen", erinnert sich Valentino heute, "denn Rom war das neue Hollywood."

Rita Hayworth, Gina Lollobrigida, Alida Valli und Françoise Arnoul folgen, damals große Namen auf der Leinwand, die heute fast vergessen sind. Wegen ihm wird Audrey Hepburn ihrem "Hausschneider" Hubert de Givenchy untreu. Aber erst als Marella Agnelli, die schöne Frau von Fiatboss Gianni Agnelli, seine Kundin wird, folgen auch die "Lunching Ladys" des internationalen Jetsets.

Die wichtigste Frau, der wichtigste Mann im Leben

"Wenn ich aber wählen müsste", gesteht er, "dann war Jackie Kennedy die wichtigste Frau in meinem Leben. Sie war die Synthese dessen, was ich an Frauen mag. Sie war feminin, mutig, ironisch, intelligent und extrem elegant in jeder Bewegung, in jeder einzelnen Geste. Sie war sehr amerikanisch, sehr modern und gleichzeitig sehr anmutig, sehr europäisch. Sie hatte Tiefe und Geheimnis und war von einer Weiblichkeit, die zeitlos und faszinierend war.

Ich traf sie nur ein paar Wochen nach John F. Kennedys Tod in New York. Sie wusste, dass ich wegen einer Modenschau in der Stadt war und wollte meine neue Kollektion sehen. Also lud sie mich ein, sie ihr in ihrem Appartement im Waldorf Astoria Hotel zu zeigen. Ich ging zu ihr mit meinen Assistenten und nur einem Mannequin. Sie war sehr freundlich und sehr interessiert. Es war der Beginn einer langen, wunderbaren Freundschaft!"

Nur eine Begegnung ist in Valentinos Leben noch wichtiger gewesen. Und das war jene mit seinem Geschäfts- und Lebenspartner Giancarlo Giammetti, den er 1960 zufällig im Café de Paris auf der Via Veneto kennenlernte. "Wahrscheinlich war es das wichtigste Ereignis in meiner Karriere", erzählt er diskret, den beruflichen Aspekt stets betonend, "denn als Geschäftsführer meines Modehauses musste sich nun Giancarlo um alles kümmern, was mir Gelegenheit gab, in einer stets ruhigen und angenehmen Atmosphäre zu arbeiten."

Damals hatte Giammetti Architektur studiert. Heute ist er Ehrenpräsident des multibillionären Dollar-Imperiums, dessen Geschichte er über Jahrzehnte hinweg stets erfolgreich gelenkt hatte. "Trotzdem ist dies keine Geschichte nur über Mode und Geld. Dies ist vor allem eine Geschichte über Liebe. Liebe zu einer Person und zu den Menschen, mit denen man arbeitet. Liebe zum Leben und zur Schönheit in ihm.

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