Interview mit Sternekoch Vincent Klink:"Vom guten Gewissen ist noch keiner satt geworden"

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Sternekoch Vincent Klink über den Globalisierungstrend am Herd, die neue Einstellung zu Bioprodukten und warum der beste Apfel eine Mango nicht ersetzen kann.

Claudia Fromme

Wer im Restaurant "Wielandshöhe" in Stuttgart speist, kann schon mal Pech haben. Dann nämlich, wenn er im Winter nach Erdbeeren verlangt oder Asiaküche sucht. Dem sagt Sternekoch Vincent Klink, 58, persönlich, was er davon hält: nichts. Ein Regionaldogmatiker ist er darum noch lange nicht, auch er bedient sich - maßvoll - auf dem Weltmarkt. Seine Meinung: Es ist Unsinn, auf jede Globalisierung zu verzichten.

Vincent Klink hat seine Art der Globalisierung gefunden: Er kocht Münchner Bierradi, denn roh würden Asiaten einen Rettich nie essen. (Foto: Foto: dpa)

SZ: In Deutschland wird Koberind aus Japan aufgetischt, Pak Choi aus China, Bohnen aus Kenia. Fehlt noch etwas auf unserem globalisierten Tisch, Herr Klink?

Klink: Ich denke, wir haben alles gefunden, in alle Welt verschifft und wild miteinander kombiniert. Es gibt Foodhunter, die sind im Urwald unterwegs und machen ein Riesenbrimborium um das, was sie da finden. Und dann stellt man fest: Wenn es richtig toll wäre, hätte Kolumbus es schon mitgebracht. Dass wir alles haben, bietet aber die Chance, vernünftig zu werden. Dann kommt man in eine zweite Phase der Weisheit und sagt: Jetzt konzentrieren wir uns wieder auf zu Hause.

SZ: Worauf konzentrieren Sie sich im Februar? Ist ohne Zutun des Weltmarkts jetzt nicht Schmalhans Küchenmeister?

Klink: Auch früher haben die Leute im Winter nicht nur Kohl gefressen. Bei mir ist die Gemüsevielfalt bald größer als im Sommer. Zur Wildküche gibt es eine Orgie von Rübchen, vor allem alte Sorten: Küttiger Rüebli, das ist eine Mischung aus Sellerie und Karotte, Teltower Rübchen, Bodenkohlraben und alle Arten von Rettich. Den koche ich, dann wird er schön mild. Auch eine Folge der Globalisierung. Bei uns kocht keiner Rettich, in Asien isst ihn keiner roh. So kam ich auf die Idee. Aber ich verwende Münchner Bierradi - ein wunderbares Gemüse.

SZ: Was gibt es zum Dessert?

Klink: Neben heimischen Birnen und Äpfeln Eingedünstetes. Wenn ich gedünstete Pflaumen serviere, ist das exotischer als Litschis. Ich sehe die Globalisierung aber nicht so stalinistisch. Eine Mango ist eine Mango, und sie ist mit der Ananas für mich die schönste exotische Frucht. Darum findet sie auf meiner Karte statt - aber mit Maß. Die Ökobilanz der Flugmango ist katastrophal. Nur: Eine fair transportierte Mango, die grün geerntet wird und im Schiff reift, wird nie mehr richtig gut. Da nehme ich das Flugding; ich bin katholisch, ich kann beichten gehen. Mit der Biotomate sieht es jetzt ähnlich aus. Da sind zwar keine Schadstoffe drin, aber man könnte auch gleich in eine Zitrone beißen, so wenig Sonne hat die gesehen. Unsere Einstellung zu Globalisierung und Bio hat sich verändert: Wenn's nicht schmeckt, hilft alles nichts. Vom guten Gewissen ist noch keiner satt geworden.

SZ: Kann man nur regional kochen?

Klink: Klar. Aber Globalisierung ist ja nicht nur die Mango. Was ist mit Vanille? Mit Piment fürs Wild? Das kommt auch vom Ende der Welt. Es ist idiotisch zu sagen: Ich verzichte auf jede Globalisierung. Es kommt auf das Maß an. Zudem ist Globalisierung eine alte Kiste, die Kartoffel etwa ist ein Produkt davon. Heute kommen die Dinge nur schneller zu uns, weil der Transport besser geworden ist. Ich habe auch nichts dagegen, wenn man Koberind probiert, blöd ist nur, wenn es zum Statussymbol wird.

Lesen Sie weiter: Sind Statusesser bessere Menschen?

SZ: Ist der globalisierte Tisch ein Statussymbol? Nach dem Motto: Ich kann Kumquats unfallfrei aussprechen und mir auch noch Koberind leisten.

Klink: Statusesser denken, durch gehobene Küche oder exotische Zutaten würden sie bessere Menschen. Die suchen den Aha-Effekt, nicht Genuss. Wenn man die Ferran-Adrià-Küche in Reagenzgläsern dreimal hinter sich hat, ist es auch gut. Genau wie Amuse-Bouche-Orgien, bei denen man 25 Winzigkeiten isst und auf jede 20 Minuten wartet. Wo ist da die Sinnlichkeit? Ich habe in der Novelle Cuisine auch nur die Essenz einer Tomate genommen und fand mich toll. Davon bin ich geheilt.

SZ: Zukunftsforscher haben die Glokalisierung als Megatrend analysiert. Ich kaufe global regional: mein Fleur de Sel nicht mehr irgendwo auf der Welt, sondern von südmallorquinischen Bauern.

Klink: Die Regionalisierung ist eine gute Sache - wenn sie vernünftig betrieben wird. Ich kaufe mein Salz aus Portugal, weil ich denke, dass das Wasser dort optimal sauber ist. Das sind ja ganz vernünftige Gründe. Unsinn ist, dass ich letztens schwarzes Salz gekauft habe aus Hawaii. Sieht aus wie Mausdreck. Das sind Effekte, die sich schnell abnutzen und ökologischer Wahnsinn sind. Wenn alle Gäste schwarzes Salz gehabt haben, muss rotes her. Gibt es auch aus Hawaii. Dann ist Schluss und ich nehme wieder normales.

SZ: Sushi gibt es weltweit, Pasta und Cappuccino auch. Produziert die globale Küche nur noch Einheitsbrei?

Klink: Vieles, was nachgekocht wird, ist ein Plagiat. Wenn ein deutscher Koch asiatisch kocht, kann das gut schmecken, aber er weiß nicht in der Tiefe Bescheid, er ist nicht dort aufgewachsen. Ein gutes Essen muss eine Aura haben. Wenn ein deutscher Koch meint, er müsse thailändisch kochen, finde ich das lächerlich.

SZ: Macht uns die Globalisierung zu Blendern, weil ein Thaicurry mehr Aha-Effekte auslöst als ein banales Schnitzel?

Klink: Vielleicht ist Asia so beliebt, weil man zweitklassige Ware mit Gewürzen übertünchen kann. Thaicurry und Zitronengras dran - schon schmeckt es asiatisch. Dabei ist es schwieriger, ein gutes Stück Fleisch zuzubereiten. Dass wir alles neu finden, hat mit unserem schlechten Gedächtnis zu tun. Meine Mutter hat schon in den Sechzigern Nasi Goreng gekocht, die Zutaten kamen noch über Holland aus Indonesien. Ich bin davon überzeugt, dass sich der Trend abnutzen wird. Die Leute sind heute immer mehr auf der Suche nach Identität, die finden sie nicht irgendwo auf der Welt, sondern zu Hause.

SZ: Und doch gibt es überall auf der Welt die gleichen Starbucks, McDonald's und jetzt auch die Vapianos ...

Klink: Die wird es weiter geben, Fast Food aber wird sich verändern. Hin zu Läden wie Vapiano, bei denen Essen frisch vorm Kunden zubereitet wird. Nicht alle werden da mitgehen. Das Traurige ist, dass manche ihre wenigen grauen Zellen lieber dafür verwenden, schnell SMS zu tippen als übers Essen nachzudenken. Das ist etwas, was ich in Deutschland oft beobachte. Ein einfacher Arbeiter in Neapel, der weiß genau, was gut für ihn ist.

SZ: Wenn man es nicht weiß, helfen andere. Die britische Supermarktkette Tesco versieht Waren mit Co2-Aufklebern.

Klink: Ich bin dagegen, zu missionieren. Diese Kleber sind gut, wenn sie nicht zu moralisch werden. Man kann nicht alles verteufeln. Wer mit Genuss in einen Hamburger beißt, wird älter als einer, der magenbitter im Bioladen rumsteht.

© SZ vom 12.2.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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