Industrie und Einzelhandel:Aufstand gegen Alkoholverbote

Lesezeit: 2 min

Heftige Gegenwehr: Vertreter der Alkohol-Industrie lehnen die Pläne der Bundesregierung zur Suchtbekämpfung ab.

Johannes Pennekamp

Vertreter der Alkohol-Industrie wehren sich heftig gegen Pläne der Regierung, den Alkoholkonsum von Jugendlichen zu beschränken. Bei einer Anhörung in Berlin, zu der die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), am Montag eingeladen hatte, lehnten Handel, Industrie und Werbewirtschaft eine schärfere Gangart ab.

Die Bundesregierung will den Alkoholkonsum in Deutschland reduzieren - Vertreter der Alkoholindustrie laufen dagegen Sturm. (Foto: Foto: ddp)

"Alkoholmissbrauch ist ein gesamtgesellschaftliches Problem", sagte Detlef Groß, Geschäftsführer des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE). Es könne nicht angehen, dass staatliche Maßnahmen die Freiheit der Konsumenten einschränkten.

Anlass für die Gespräche sind Pläne der Drogenbeauftragten, ein nationales Aktionsprogramm zur Alkoholprävention durchzusetzen. Der Drogen- und Suchtrat, bestehend aus Experten von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialverbänden, hatte hierfür im Juni einen weitreichenden Katalog vorgelegt, mit dem der Alkoholkonsum in Deutschland reduziert werden soll.

Pro Jahr sterben in Deutschland mehr als 70.000 Menschen an den Folgen des Alkoholkonsums. Krankheiten, die auf Alkoholkonsum zurückgehen, verursachen jedes Jahr Kosten von etwa 20 Milliarden Euro. Der Drogen- und Suchtrat hatte darum vorgeschlagen, Werbung für Alkohol in Fußballstadien und in Verbindung mit Sportsendungen im Fernsehen zu verbieten. Außerdem steht zur Debatte, den Verkauf von alkoholhaltigen Getränken in Tankstellen, Bahnhöfe und Autobahnraststätten zu verbieten.

Rolf Hüllinghorst, der Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), sprach sich bei der internen Anhörung für ein restriktives Vorgehen aus. "Die Verfügbarkeit ist ein wichtiger Punkt. Gerade Jugendliche nutzen Tankstellen, um sich mit Alkohol zu versorgen", sagte Hüllinghorst. Er fordert zudem ein stärkeres Vorgehen gegen Werbebotschaften, die sich an Jugendliche wenden. "Die freiwillige Selbstbeschränkung der Werbewirtschaft, solche Werbespots zu unterlassen, wird vorne und hinten nicht eingehalten."

Handel und Industrie laufen gegen die Forderungen Sturm. "Ein Ausschankverbot an Tankstellen halte ich nicht für sinnvoll", sagte Groß vom HDE. Vielmehr müssten bestehende Jugendschutzregelungen konsequenter durchgesetzt werden. Eine Verschärfung des Werbe- und Sponsoringverbotes würde Brauereien und Werbewirtschaft schmerzlich treffen. "Solche Maßnahmen sind vollkommen ungeeignet um den Alkoholmissbrauch zu reduzieren. Das zeigen Beispiele aus Frankreich und Skandinavien", sagte ein Sprecher des Deutschen Brauer-Bundes.

Die Branche argumentiert, dass der Missbrauch von Alkohol nur einen eingeschränkten Personenkreis betreffe. Es könne nicht sein, dass die gesamte Gesellschaft in "alkoholpolitische Sippenhaft" genommen werde. Die Brauereien fordern stattdessen verstärkte Suchtprävention für Kinder und Jugendliche. Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) hält es für notwendig, den Katalog des Drogen- und Suchtrates von neutralen Wissenschaftlern prüfen zu lassen. Dass immer mehr Jugendliche zur Flasche griffen, habe nichts mit der Werbung zu tun, sondern mit Problemen in der Schule und in Familien.

Trotz der Kritik will die Drogenbeauftragte Sabine Bätzing offenbar an ihren Plänen für eine Verschärfung der Gesetze festhalten. "Wir brauchen einen Mix aus Aufklärung, Vorbeugung und gesetzlichen Maßnahmen", sagte sie nach der Anhörung. Sie habe nach wie vor Zweifel an der Selbstkontrolle der Werbewirtschaft und erwäge etwa Piktogramme auf Alkoholflaschen, die vor den Folgen für Schwangere warnen.

Am Rande der Anhörung, bei der es auch um Tabakmissbrauch ging, schlug die Bundesärztekammer vor, Raucher künftig offiziell als Kranke einzustufen. Es gehe nicht um ein "Lifestyle-Problem", das durch reine Willensanstrengungen oder Gruppengespräche zu beheben wäre, erklärte die Kammer. Vielmehr handele es sich bei der Mehrzahl der Raucher um Abhängigkeitskranke, für deren ärztliche Behandlung die Politik "vergütungsrechtliche Rahmenbedingungen" schaffen solle.

Sich auf bestehende Präventionsmaßnahmen, zum Beispiel Nichtraucherkurse, zu verlassen, hält die Kammer für "trügerisch". Auf dem Land seien Nichtraucherkurse kaum verfügbar, insgesamt seien sie wenig akzeptiert. Auch sprächen die Kurse vor allem "mittlere und höhere soziale Schichten" an, wo ohnehin weniger Menschen rauchten. Die Ärzte plädieren stattdessen dafür, Tabakabhängigkeit gezielt als Krankheit zu behandeln. Für Mediziner gebe es inzwischen eine 20-stündige Zusatzqualifikation "Ärztliche Tabakentwöhnung".

© SZ vom 16.09.2008/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: