Gefühle:Licht an

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Der Winter kommt und jeden Tag wird es früher dunkel. Singen und Pfeifen hilft, wenn man Angst davor hat.

Von Georg Cadeggianini

Warum wir im Dunkeln Angst haben

Dunkelheit funktioniert wie eine Zeitmaschine, Zehntausende Jahre in die Vergangenheit: Es dämmert. Die Dinge werden grau. Dunkelgrau. Schwarz. Und plötzlich übernimmt das Steinzeitgehirn. Wir Menschen reagieren auf Dunkelheit heute noch wie unsere Ururahnen - mit Angst. Das Knacken im Busch dort auf der anderen Straßenseite? Das Knarren der Dielen draußen auf dem Flur? Überall könnte ein Säbelzahntiger lauern. Das Gruseln läuft als inneres Programm ab, ohne dass wir darüber nachdenken. Weil sie so gut aufgepasst haben, waren es die ängstlichen Menschen, die in der Steinzeit überlebt haben. Wir sind also alle die Nachfahren von Angsthasen. Wir wollen immer schnell wieder zurück zur Gruppe, in die Höhle, ans schützende Feuer. Das heißt auch: Angst im Dunkeln ist für Menschen etwas ganz normales.

Das hilft gegen die Gruselei

Wer allein durch große Wildparks geht, dem rät der Ranger: "Pfeifen, Singen, irgendwie bemerkbar machen!" Denn dann hauen Bären und Schlangen ab. Und was gegen Bären und Schlangen hilft, hilft auch gegen fies schwarze Keller oder gegen finstere Gehsteige.

Erwachsene brauchen kein Steckdosenlicht

Erwachsene haben einfach sehr oft erfahren, dass die Dunkelheit an sich ungefährlich ist. Im Gegenteil: Selbst die, die als Kind nur mit offener Tür, Steckdosenlicht und Nottaschenlampe unterm Kopfkissen eingeschlafen sind, streiten später oft mit ihrem Partner, wenn der mal länger lesen will und noch das Licht an hat: "So kann ich nicht schlafen."

Menschen schlafen, wenn es dunkel wird

Für Dunkelheit ist der Mensch einfach verdammt schlecht ausgerüstet. Er kann nicht so gut sehen wie eine Eule. Nicht so gut hören wie ein Fuchs. Nicht so gut schnüffeln wie ein Wildschwein. Nicht so gut tasten wie ein Waschbär. Was dem Menschen übrig bleibt, ist schlafen. Deshalb geht er ins Bett, wenn die Sonne untergeht. Damit er dann auch einschläft, muss er sich jedoch entspannen.

Tricks gegen die Angst vor Dunkelheit

Erlaubt ist, was hilft: Steckdosenlicht, Hörspiele in Dauerschleife oder das Gemurmel aus dem Wohnzimmer. Das alles funktioniert für Kinder heute wie der Schein des Lagerfeuers in der Steinzeit. Langfristig empfehlen Dunkelangst-Forscher, den Umgang mit der Angst zu üben. An einem guten Abend einfach ausprobieren: Licht aus, Tür zu, Rollo runter, richtig finster aushalten. Zu merken, dass nichts passiert, ist das beste Mittel gegen die nächste Angst. Auch Gruseln hilft: Sich durchs stockdunkle Zimmer tasten, Stromausfall spielen, mit der Taschenlampe die knarzende Kellertreppe runter - und dann den wohligen Schauer des Grusels in vollen Zügen genießen.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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