Gastro-Club:Die Könige der Küche

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Im elitärsten Gastroclub der Welt betreiben internationale Starköche kulinarisches Networking. Mit dabei: natürlich der Franzose Paul Bocuse - und deutsche Aldi-Fans

Patricia Bröhm

Treffen sich ein Norweger, ein Franzose und ein Italiener. So könnte ein Witz beginnen. Oder die Geschichte einer Freundschaft. Eyvind Hellstrom aus Oslo, Jacques Chibois aus dem südfranzösischen Grasse und der Neapolitaner Alfonso Iaccarino (je zwei Michelin-Sterne) sind Mitglieder im elitärsten Kochclub der Welt. "Traditions & Qualité - Les Grandes Tables du Monde" so nennt sich ein wenig sperrig die Vereinigung der internationalen Spitzengastronomie, die zum Jahrestreffen an die Côte d'Azur geladen hat.

Iaccarino zieht an der Zigarre, die er außerhalb seiner eigenen Küche überall zwischen den Lippen trägt, und schwelgt in Erinnerungen an seinen letzten Besuch bei seinem norwegischen Freund, an gemeinsame Tage in einer Blockhütte in der Tundra, an Elchjagd und Pilzesammeln. Jetzt stehen beide im Restaurant Bastide St. Antoine ihres Freundes Chibois und genießen Fingerfood wie die hauchdünne Tomatentarte mit Zitronenmelisse oder das mit getrüffeltem Kalbsbries gefüllte Kartöffelchen.

Die Ballung an besternten Häuptern dürfte bei diesem Betriebsausflug der Spitzengastronomie einmalig sein: Von Kochlegenden wie Georges Blanc oder Marc Haeberlin bis zu jungen Talenten wie dem unlängst zu Drei-Sterne-Ehren gelangten Frédéric Anton. Auch aus Schweden, Israel, den USA und von der fernen Insel Bali sind Kollegen angereist.

Aldifans aus Deutschland

Der elitäre Kochclub wurde 1954 von sechs Pariser Gastronomen gegründet und umfasst heute 140 Spitzenrestaurants. Seine Mitglieder fühlen sich höchster Qualität verpflichtet und sehen sich ansonsten, wie Heiner Finkbeiner, Patron der Schwarzwaldstube in Baiersbronn, es formuliert, vor allem als "lockerer Freundeskreis von Gleichgesinnten". Das Aufnahmeverfahren ist jedoch streng geregelt: Nur wer von drei Paten vorgeschlagen und vom Führungsgremium gebilligt wird, ist dabei. Wer qualitativ nachlässt, wird diskret der Austritt nahegelegt.

In Chibois' Bastide St. Antoine wird an diesem Abend kulinarisches Networking auf höchstem Niveau betrieben. Man knüpft Kontakte, vermittelt sich gegenseitig Mitarbeiter und Stammgäste. Fragt man die jüngeren Küchenchefs nach ihren Karrierestationen, so fallen häufig die gleichen Namen. Die Fäden der internationalen Spitzengastronomie laufen immer wieder in einer Handvoll von Restaurants zusammen, allen voran bei Paul Bocuse, Alain Ducasse, Georges Blanc, Michel Guérard. Und natürlich in der Auberge de l'Ill der Familie Haeberlin im elsässischen Illhäusern. Vater Paul zeigte einst einem jungen Österreicher namens Eckart Witzigmann, wie man kocht, heute hält Sohn Marc im 40. Jahr ununterbrochen die drei Sterne der Familie.

Da ist es nur folgerichtig, dass die Mitglieder von Traditions & Qualité Marc Haeberlin vor sechs Jahren zum Präsidenten gewählt haben. Politisch geschickt ist es außerdem, denn die alte Rivalität zwischen den Chefs aus Paris und Lyon wird so elegant umgangen - als Elsässer steht Haeberlin außerhalb der Großlager der französischen Haute Cuisine. Eigens aus den USA angereist sind Jean Joho vom Restaurant Everest in Chicago und Thomas Henkelmann vom gleichnamigen Restaurant vor den Toren New Yorks. Beide haben einst bei den Haeberlins gelernt und wurden von ihnen in die USA vermittelt: "Wer bei Haeberlin oder Witzigmann gearbeitet hat", so Henkelmann, "dem stehen auch international alle Türen offen".

In Deutschland hat nach Eckart Witzigmann heute die Position als Drehscheibe der Spitzengastronomie Harald Wohlfahrt übernommen. Seit mehr als 30 Jahren steht er im Restaurant Schwarzwaldstube im Hotel Traube Tonbach am Herd. In all den Jahren sind viele Talente durch seine Schule gegangen. Etwa 40 der aktuellen deutschen Michelin-Sterne dürften in der Schwarzwaldstube poliert worden sein, schätzt Wohlfahrts Chef Heiner Finkbeiner. Darunter sind Talente wie Joachim Wissler, Thomas Bühner und Klaus Erfort, jetzt so etwas wie Deutschlands Superkoch, nachdem er nicht nur den dritten Michelin-Stern bekam, sondern auch vom Gault Millau zum Küchenchef des Jahres 2008 gekürt wurde.

Christian Bau, der mehr als vier Jahre Wohlfahrts Souschef war und heute ebenfalls drei Sterne vorweisen kann, ist neu bei Traditions & Qualité: "Für mich geht ein Kindheitstraum in Erfüllung." Auch Dieter Kaufmann vom Restaurant Zur Traube in Grevenbroich, der in 20Jahren Mitgliedschaft kein einziges Treffen versäumt hat, fühlt sich hier trotz aller Sprachbarrieren verstanden. Er erinnert sich, wie er in den 60ern über die Grenze nach Frankreich fuhr, um Foie Gras einzukaufen, in Deutschland damals kaum bekannt. Das hat sich gründlich geändert. Trotzdem haben es Köche jenseits des Rheins auch heute noch besser, meint Kaufmann: "Franzosen setzen andere Prioritäten. Der Deutsche gibt sein Geld für ein großes Auto und ein Haus aus und kauft bei Aldi. Der Franzose fährt mit dem alten 2CV im Drei-Sterne-Lokal vor und gönnt sich ein gutes Essen."

© SZ vom 4.12.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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