Garmischer Glückseligkeit:"Bei den Werten, da tick' ma mia gleich"

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Die Ex-Skifaherer Legenden Rosi Mittermaier und Christian Neureuther sind ein Musterpaar - egal in welcher Beziehung.

Hermann Unterstöger

Garmisch-Partenkirchen - Wer nur verächtlich lacht, wenn ihm, klick-klack, in Wald und Flur eine Schwadron Nordic-Walker begegnet, der sollte sich mal Folgendes vor Augen halten: Dieses Greifen des Stockes während der Schwungphase und gleich danach dieses Loslassen während der Schubphase ist nicht nur Teil des ganzheitlichen Körpertrainings, sondern dank des händisch bewirkten Pumpeffekts auch ein Beitrag zur Entspannung der Schulter- und Nackenmuskulatur und zur Verbesserung der Blutzirkulation.

Die Ex-Skistars Rosi Mittermaier und Christian Neureuther sind ein Musterpaar - egal in welcher Beziehung. (Foto: Foto: AP)

Dass es Sinnbild einer positiven Lebenseinstellung ist, versteht sich.

Wo man dergleichen erfährt? In Rosi Mittermaiers und Christian Neureuthers Küche. Dort sitzt es sich wirklich gemütlich: alles in Holz, mittendrin ein Riesenherd, draußen vor der Terrassentür jede Menge Scheite, Holz vor der Hüttn, um es mal ganz unmetaphorisch zu sagen. Man plänkelt so dahin, rekapituliert die auf Druck des weiland "Führers" erfolgte Zwangsehe zwischen Garmisch und Partenkirchen, erörtert aus der jüngeren Vergangenheit den Skikongress in Vilamoura, wo Garmisch-Partenkirchen die Ski-Weltmeisterschaften 2011 zugeschlagen bekam, mit tätiger Hilfe Stoibers, der, wie Neureuther anmerkt, für dieses Projekt freilich erst "wachgebusselt" werden musste, und - ist dann doch plötzlich wieder beim Nordic Walking.

Die Neureuthers wohnen am nordwestlichen Rand von Garmisch, unweit des Friedhofs, der amerikanischen Enklave und der Bayernhalle, in der sie einst, vor über einem Vierteljahrhundert, mit einigem Pomp geheiratet hatten. Gleich hinter dem Haus geht es bergan, das ist der 1985 Meter hohe Kramer, von dem aus man einen guten Blick aufs Zugspitzmassiv hat und den die Neureuthers oft machen, wenn sie sich noch ein wenig die Beine vertreten wollen. Durch ihn wird bis zur Ski-WM 2011 ein Tunnel führen, der für den Ort eine weitere Entlastung vom Durchgangsverkehr bringen soll.

Rosi Mittermaier kam 1950 in München zur Welt und wuchs auf der Winklmoosalm bei Reit im Winkl auf. Das Ereignis, das ihr ersichtlich ewigen Ruhm und den Namen "Gold-Rosi" einbrachte, liegt nun auch schon gut dreißig Jahre zurück: die Olympischen Winterspiele von Innsbruck, bei denen sie in allen drei alpinen Ski-Wettbewerben eine Medaille holte: zwei Goldmedaillen in der Abfahrt und im Slalom und eine Silbermedaille im Riesenslalom.

Christian Neureuther, 1949 in Garmisch-Partenkirchen geboren, hat ebenfalls einen Haufen sportlicher Titel vorzuweisen, aber nichts vergleichbar Fulminantes. Dafür gibt es in seinem Stammbaum den Maler Eugen Napoleon Neureuther, nach dem in der Münchner Maxvorstadt eine Straße benannt ist. Goethe hat mit ihm korrespondiert: "Mein Werthester" und so.

Die zwei gelten als Musterpaar und haben auch keine Scheu, sich als solches zu präsentieren. Das heißt, hier gibt es wohl nichts zu präsentieren im Sinn von "vorspiegeln" und "so tun, als ob", denn wenn nicht alles trügt, ist ihr Leben im Einklang mit dem, was sie nach außen zeigen.

Demnach wäre es, zieht man den Sport und Nordic Walking einmal ab, geprägt von bayerischer Erdverbundenheit, von einer Heiterkeit, die zumindest bei Rosi immer schon als wesenhaft wahrgenommen wurde, vom Engagement für Institutionen wie die Kinder-Rheumastiftung und von einer barock anmutenden Frömmigkeit.

Kurioserweise tritt sie bei dem Protestanten Christian Neureuther deutlicher als bei seiner katholischen Frau zutage, etwa wenn er den gegenwärtigen Papst über den Schellenkönig lobt. Doch was träte bei ihm, dessen Rede slalomgleich dahinströmt, nicht über kurz oder lang zutage!

So hat er, und die Rosi mit ihm, auch kein Problem, zum Leben im allgemeinen und zum Ehestand im besonderen Gültiges beizusteuern. Der liebe Gott, sagen sie, habe es so eingerichtet, dass der eine die Schwachstellen des anderen ausgleiche, doch da sie in ihren Neigungen recht ähnlich strukturiert seien, gebe es bei ihnen nicht allzu viel auszugleichen.

"Natürlich zoff' ma uns amoi", schiebt Neureuther schnell nach, als sei ihm diese Fülle der Harmonie selbst nicht ganz geheuer, und fügt noch eine Lebensweisheit hinzu, auf die man bei einem Gespann wie diesem fast hätte schwören können: dass ein Krach, worüber auch immer, vor dem nächsten Morgengrauen beigelegt sein müsse.

Dann holt Neureuther zum Resümee aus: "Mia zwoa san äußerst unterschiedlich, aber bei den Werten, da tick' ma mia gleich." Einer dieser Werte besteht darin, dass man die bei den eigenen Eltern gelernte Harmonie selbst leben und so an die Kinder weitergeben müsse, dass diese zu positiven Menschen heranwachsen.

"Die Kinder", doziert Neureuther, "müssen frei werden, dürfen aber nicht verlorengehen."

Felix, der Sohn, hat sich aufs Skifahren geworfen und versucht zur Zeit beim Weltcup sein sportliches Glück. Die Tochter Ameli, die als Kind fast entführt worden wäre, ist in der Mode tätig, bei Joops neuer Firma "Wunderkind". Ihre Eltern haben sich deswegen den Film "Der Teufel trägt Prada" angesehen und finden, dass in dieser Welt die Luft dünn ist wie sonst nur im Skisport.

Um das Nordic Walking nicht aus dem Blick zu verlieren, so sind die Neureuthers da so etwas wie die Päpste und zugleich die treuesten Anhänger. Sie haben zu dem Thema schon ein paar Bücher vorgelegt und machen auch kein Geheimnis draus, dass die Margarine, unter der sie antreten, nicht die schlechteste Geh- und Missionshilfe ist. In der Tat sind sie wie Missionare, und wenn man als "Heide" auch nur den Anflug eines Interesses zeigt, legen die beiden los.

Rosi schnallt die Stöcke an und läuft die Küche auf und nieder, und Christian hält einen Stock quer an ihren Rücken. "Und, was macht mei Rückn?", fragt sie, um gleich selber zu antworten: "Der muass si verwindn."

Neuerdings trägt Felix Neureuther einen Schrittmesser am Hosengürtel: Man will doch wissen, was und wie viel. Auch Ameli hat so ein Gerät, und abends tauschen sich die beiden am Telefon über die Tagesleistung aus. Kürzlich stand es 16.000 zu 12.000 für die Tochter, doch kam der Vater schnell hinter den Dreh: Sie hatte das im Atelier erlaufene Pensum durch Joggen aufgebessert. Nicht ganz legal, aber sehr sportlich, wie die Eltern finden.

© SZ vom 8.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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