Forderungen nach Helmpflicht:Der Althaus-Effekt

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Schützen Helme - oder braucht es ganz andere Maßnahmen, um die Sicherheit auf den Pisten zu erhöhen? Die Diskussion ist voll entbrannt.

Birgit Lutz-Temsch

Am Neujahrstag kollidierte der thürinigische MInisterpräsident Dieter Althaus mit einer 41-jährigen Skifahrerin, die an ihren schweren Verletzungen verstarb. Althaus trug einen Helm, die tödlich Verletzte nicht, der genaue Unfallhergang ist noch unklar. Nach dem Unfall aber mehren sich die Forderungen nach einer generellen Helmpflicht für Skifahrer. Mehrere österreichische Politiker forderten eine solche Regelung. "Wir müssen den Kopf schützen - alles andere kann man reparieren", sagte der mehrfache Olympiasieger Markus Wasmeier.

Ist der Helm das Allheilmittel? (Foto: Foto: AP)

Christoph Kruis, Unfallchirurg im bayerischen Murnau, behandelt schwer verletzte Skifahrer. Eine Helmpflicht lehnt er dennoch ab. "Medizinisch betrachtet bietet ein Helm Schutz vor Gewalteinwirkung und bietet dem Individuum zweifelsfrei einen Vorteil." Als Bergretter und Expeditionsarzt warnt er aber vor einfachen Rückschlüssen: "Im Bergsport ist immer wieder zu beobachten, dass ein Zusatz an objektiver Sicherheit durch bessere Ausrüstung sehr schnell egalisiert wird durch eine dadurch erst verursachte höhere Risikobereitschaft."

Deshalb sei die verbreitete Folgerung, dass von 100 Kopfverletzungen 80 vermeidbar wären, wenn alle einen Helm trügen, eine sachlich nicht korrekte Vereinfachung. Sie vernachlässige zudem schwere Halswirbelsäulenverletzungen, gegen die kein Schutz existiere - außer Prävention: "Die Menschen müssen Eigenverantwortung übernehmen. Beim Sprung von einem 50 Meter hohen Kirchturm haben Sie beim Aufprall eine Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern. Den gleichen Effekt haben Sie, wenn zwei Skifahrer mit 50 Stundenkilometern aufeinander prallen. Diese Dimension ist den meisten Skifahrern gar nicht klar."

Derlei Extremsituationen werden beim Prüfen von Skihelmen simuliert: "Mit einer Geschwindigkeit von 5,42 Metern pro Sekunde stürzt ein Amboss auf den auf einen Dummykopf montierten Helm", erklärt Christiane Reckter, Sachverständige beim TÜV Rheinland. Nur wenn am Kopf eine geringere Beschleunigung als 250g ankommt, darf der Helm in den Handel. Eine weitere Prüfung simuliert die Kollision mit einem Skistock: Dabei darf ein auf den Helm stürzender Kegel dessen Hülle nicht durchschlagen.

Es gebe aber keine Tests, wie sich das Tragen eines Helms auf einen kollidierenden Fahrer ohne Helm auswirkt. "Ein Helm dient vor allem dem Eigenschutz", erklärt Reckter. Auf den scheinen Skifahrer jetzt vermehrt zu achten: Seit Jahresbeginn beobachten Sportgeschäfte einen bereits "Althaus-Effekt" genannten Nachfrage-Boom nach Skihelmen.

© SZ vom 07.01.2009/bilu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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