Flüchtlingskinder:Farben im Kopf

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Seit einem Jahr kommen viele Flüchtlinge nach Deutschland. Viele davon sind Kinder. Die Schüler einer Willkommensklasse haben Erinnerungen an ihre Heimat aufgemalt.

Von Katrin Langhans

Pascal Czernik steht auf einem Bein im Klassenzimmer wie ein Pelikan. Er tippt mit der Hand auf seinen Schuh. "Was ist das?", fragt er. Niloofar schmunzelt, zeigt auf und antwortet: "Der Fuß." Lehrer Czernik nickt und schreibt die Antwort an die Tafel.

Niloofar ist zehn Jahre alt und lernt mit Kindern, die aus ganz verschiedenen Ländern kommen, die deutsche Sprache. Die eine Hälfte ihrer Mitschüler ist nach Deutschland gezogen, weil deren Mütter und Väter hier arbeiten möchten. Die andere Hälfte ist mit den Eltern geflohen, weil in ihren Heimatländern Krieg ist und sie dort Angst um ihr Leben hatten. Sie hoffen, dass sie in Deutschland Asyl bekommen und dauerhaft hier leben dürfen. Vor einem Jahr im September kamen besonders viele Familien aus Syrien nach Deutschland, weil sie sich in ihrem Heimatland nicht mehr sicher gefühlt haben.

Fast jeder Dritte, der im vergangenen Jahr nach Deutschland geflohen ist, war noch ein Kind oder ein Jugendlicher. In ganz Deutschland wurden deshalb für die jungen Flüchtlinge Willkommensklassen eingerichtet. Dort können sie in Ruhe lernen, bevor sie dann nach etwa einem Jahr ganz normale Schulklassen besuchen dürfen. Die Kinder in Niloofars Klasse sprechen unterschiedliche Sprachen wie Italienisch oder Rumänisch. Niloofar spricht Arabisch. Als sie nach Deutschland kam, konnte sie kein Wort Deutsch. Nicht mal einen Buchstaben. Denn in ihrem Heimatland schreibt man mit Schriftzeichen, die ganz anders aussehen als unser Alphabet.

Niloofar, 10

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(Foto: Catherina Hess)

Niloofar war in ihrer Heimat Afghanistan oft mit ihrer besten Freundin schwimmen. Im Bad gab es zwei getrennte Becken. Eins war nur für Frauen und Mädchen, das andere nur für Männer und Jungen. Kleine Jungen, erzählt Niloofar, durften aber auch mit ihren Müttern im Frauenbecken schwimmen.

Zoya, 10

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(Foto: Catherina Hess)

Zoya hat in Syrien in einem dreistöckigen Gebäude gelebt, das ihr Vater selbst gebaut hatte. Es stand in der Großstadt Damaskus, wo heute durch den Krieg vieles in Trümmern liegt. Zoya hatte dort ein Zimmer mit eigenem Balkon. Ihr haben vor allem die vielen Spielsachen sehr gefallen .

Mehdi, 9

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(Foto: Catherina Hess)

Mehdi hat in Afghanistan mit seinen Geschwistern Jamil und Zeynab in einem Haus ohne Dach gewohnt, weil es dort sehr warm ist. Auf der Hauswand stand in arabischer Schrift "Allah". Das ist der Name des Gottes, an den Muslime glauben. Mehdi sagt, Allah habe seine Familie schon oft beschützt.

Nilufer, 8

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(Foto: Catherina Hess)

Nilufer erinnert sich gern an das schöne Tor zu dem Haus ihrer Eltern in ihrer Heimat Afghanistan. Der Bus, den sie neben das Haus gemalt hat, gehörte ihrem Opa. Die beiden sind oft zusammen in den Supermarkt gefahren, um dort Gemüse zu kaufen.

Ayah, 8

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(Foto: Catherina Hess)

Ayah hatte in Syrien ein Klassenzimmer im oberen Stockwerk. Wenn sie im Unterricht aus dem Fenster geschaut hat, war der Ausblick ganz anders als in München: Dort konnte sie eine große Wiese sehen. Ein Spielplatz mit einer Rutsche und einer Schaukel war auch in der Nähe.

Hanya, 11

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(Foto: Catherina Hess)

Hanya hat in Afghanistan mit ihren Eltern, ihrem Onkel und ihrer Oma in einem Haus gelebt. Im Haus gegenüber wohnte ihre Cousine. Auf dem Spielplatz, der dort zwischen den Häusern lag, haben die beiden immer gern geschaukelt. Seit etwa einem Jahr leben Hanya und ihre Cousine in München.

Kenywar, 10

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(Foto: Catherina Hess)

Wenn Kenywar an Zuhause denkt, sieht er den Kirschbaum, der neben dem Haus seiner Eltern stand, und die blaue Eingangstür. Besonders mochte Kenywar das Schwimmbad in seinem Heimatort in Syrien. Zu Fuß brauchte er dorthin nur ein paar Minuten.

Schukran, 10

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(Foto: Catherina Hess)

Schukran kommt aus Syrien. Sie hat kein Bild aus ihrer Heimatstadt Aleppo gezeichnet, weil die Stadt im Krieg zerstört wurde und sie sich nicht daran erinnern möchte. Sie hat die Wiese gemalt, über die sie auf ihrer Flucht nach Deutschland gelaufen ist. Sie hofft hier auf ein sicheres Leben.

Pascal Czernik verteilt die Bilder aus der letzten Kunststunde. Die Schüler haben Orte gemalt, an die sie sich noch aus ihrer Heimat erinnern. Hanya hat einen Spielplatz gemalt. Mehdi hat das Haus gezeichnet, in dem er gewohnt hat. Niloofar hält ihr Bild von einem Schwimmbad in die Runde. "Zu Hause war ich oft mit meiner besten Freundin schwimmen", erzählt sie. Obwohl sie erst seit wenigen Monaten Deutsch lernt, gelingen ihr viele Sätze schon fehlerfrei. "Kinder lernen Sprachen sehr schnell", sagt ihr Lehrer Czernik. Meistens sogar viel schneller als Erwachsene. "Außerdem sind die Schüler sehr ehrgeizig", sagt Czernik. Ein Kind aus Niloofars Klasse darf ab dem nächsten Schuljahr sogar direkt auf das Gymnasium wechseln.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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