Fashion Week und Finanzkrise:"Gerade jetzt Pailletten"

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Wie reagieren Designer auf die Finanzkrise, die längst auch die Modebranche erreicht hat? Sieben Einschätzungen am Rande der Berliner Fashionweek.

Antje Wewer

Michael Michalsky

Designer Michael Michalsky in seinem Büro an der Leipziger Straße in Berlin. (Foto: Foto: dpa)

"Alle erwarten, dass gerade ich in der Krise einen auf dicke Hose mache. Keine Sorge, kleinlaut werde ich nicht - aber etwas nervös bin ich schon. Einer meiner Strickzulieferer hat neulich Insolvenz angemeldet und die Massenentlassungen bei Chanel haben mich total geschockt.

Eine neue Bescheidenheit rufe ich trotzdem nicht aus. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich minimalistische Mode nur in Zeiten des Überflusses verkauft. Meine neue Kollektion heißt "Saints and Sinners" und setzt auf Extravaganz: Leder, Bondage-Accessoires, rauchige Silbertöne, schwere Seide. Einige Abendkleider sind über und über mit Swarovski-Steinen bestickt. Ich glaube auch, dass die Käufer mehr darauf achten werden, ob etwas made in Germany ist.

In Krisenzeiten wird enger zusammengerückt - ein schöner Nebeneffekt: Meine Turnschuhe lasse ich in Oberfranken produzieren, die Spitze kommt aus Passau. Die beste Investition für kommende Saison ist eine Lederjacke: Wenn das Geld knapp wird, kann man sie gut verkaufen - denn Leder ist getragen meist noch schöner als neu.

Dass der Gürtel generell enger geschnallt wird, passt mir persönlich ganz gut ins Konzept: Mein Körpergewicht habe ich eh schon halbiert, und dieses Jahr werde ich zurück in die Stadt ziehen, auf mein Auto verzichten und mit dem Rad zur Arbeit fahren."

Michael Michalsky, 41, war 11 Jahre Kreativ-Manager bei Adidas und gründete 2006 das Label Michalsky. Seit 2007 verantwortet er die Tchibo-Modelinie Mitch&Co.

Weiter zu Leyla Piedayesh: "Die Zeiten der schlichten dunkelblauen Kaschmirpullis sind allerdings vorbei. Das Besondere wird sich verkaufen. "

Leyla Piedayesh

Leyla Piedayesh von Lala Berlin (Foto: Foto: oH)

"Krise? Die habe ich bis jetzt kein bisschen gespürt. Meine Marke ist im Wachstum, mit oder ohne Krise. Selbst in meiner Berliner Boutique haben wir prima verkauft, was sicher mit am kalten Winter lag. Strickpullis und Kaschmirschals standen einfach hoch im Kurs.

Lala Berlin steht für schöne, weiche Materialien - deshalb würde ich daran nie sparen. Frauen spüren die Qualität sofort und empfinden meine Preise daher auch als angemessen. Die Zeiten der schlichten dunkelblauen Kaschmirpullis sind allerdings vorbei. Das Besondere wird sich verkaufen. Auf der Fashionweek habe ich gerade Patchworkpullis aus verschiedenen Materialien gezeigt. An einem Pulli stricken vier Frauen eine Woche lang. Klar, dass so ein Teil seinen Preis hat, aber dafür gibt es garantiert auch viele Komplimente."

Leyla Piedayesh, 38, gründete ihr Label Lala Berlin 2004. Mittlerweile hat sich die Strickkollektion zu einer Vollkollektion entwickelt.

Weiter zu Bernhard Willhelm: "Ich selber zahle mir kein Gehalt aus."

Bernhard Willhelm

"Für mich persönlich verspricht die Krise Entwicklung, nicht Stillstand. Sollte die Modebranche tatsächlich kollabieren, wäre ich endlich gezwungen, Künstler zu werden. Andererseits war ich noch nie wirklich von der Konjunktur abhängig, weil ich eine Nische bediene.

Für meine Männerkollektion, die ich heute Abend in Berlin zeige, habe ich mich beim Skifahren inspirieren lassen. Beim Entwerfen denke ich keine Sekunde an Produktionskosten oder Abverkäufe. Man könnte sagen, gerade diese Kollektion ist eine Art Hobby von mir. Ich selber zahle mir kein Gehalt aus, kann aber Klamotten tragen, die mir gefallen. Einige Boutiquen kaufen mich auch nur fürs Schaufenster ein, wohlwissend, dass ich für ihre Kunden zu avantgardistisch bin. Die Japaner lieben genau das an mir und subventionieren mich schon seit Jahren. Für Mykita entwerfe ich Sonnenbrille, für Uslu Airlines Nagellack und für Camper demnächst Schuhe. Reich wird man damit auch nicht, aber seit wann macht Geld schon frei? "

Bernhard Willhelm, 37, gründete sein Label 1999 in Antwerpen und lebt seit vier Jahren in Paris.

Weiter zu Kaviar Gauche: "Zur Zeit wollen alle Lieferanten - ob Stickerei oder Lederhersteller - Vorkasse."

Johanna Kühl und Alexandra Fischer-Roehler

"Wir haben die Krise als Anlass genutzt, mal genau hinzuschauen, welche unserer Produkte sich besonders gut verkaufen. Deshalb haben wir die Abendkleider- und Taschenkollektion ausgeweitet. Neu sind auch die Braut-Kollektion - wir hatten immer wieder Anfragen für Hochzeitskleider - und die Strickkollektion: Frauen geben gerne Geld für Wohlfühl-Kleidung aus.

Da unser Label relativ klein ist, können wir flexibel reagieren - das ist gerade jetzt sehr wichtig. Nicht an Altem festhalten, sondern sich den Bedürfnissen der Kunden anpassen - ohne an Format zu verlieren. Deswegen haben wir Gürtel und auffällige Colliers entworfen, mit denen sich unsere Kleider umstylen lassen.

Zum Glück haben wie seit dem letzten Jahr einen Investor, der uns finanziell unterstützt. Den brauchen wir auch, denn zur Zeit wollen alle Lieferanten - ob Stickerei oder Lederhersteller - Vorkasse."

Johanna Kühl, 28, und Alexandra Fischer-Roehler, 34, gründeten Kaviar Gauche 2003 in Berlin. 2008 präsentierten sie auf der London Fashion Week und dieses Jahr erstmals in Berlin.

Weiter zu Markus Lupfer: "Die Engländerinnen wollen gerade jetzt sexy aussehen und sie wollen Pailletten. Kriegen sie bei mir."

Markus Lupfer

"Ich bin mir sicher: Die Boutiquen werden leerer und Mode in Zukunft noch mehr im Netz verkauft. Nach einem Shopping-Samstag in der Stadt ist man erschöpft, noch dazu plagt einen das schlechte Gewissen. Kauft man aber per Klick virtuell im Internet ein, ist die Hemmschwelle niedriger; und die Kleidung wird in Seidenpapier eingewickelt stressfrei nach Hause geliefert.

Darauf habe ich meine Kollektion zugespitzt: Jersey-Teile, die nicht genau auf Figur geschnitten sind und so unterschiedlich gebauten Frauen passen. Die Kundinnen schauen noch mehr auf den Preis, und sie werden wieder praktischer. Verkaufen werden sich Klassiker mit Wiedererkennungswert und die so genannte Daywear, die sich auch für den Abend stylen lässt. Ich sehe es gerade in London: Je schlechter die Stimmung, desto hübscher wollen die Leute aussehen. Obwohl das Pfund gerade so schwach ist, sparen die Engländerinnen zuletzt am Outfit. Gerade jetzt wollen sie sexy aussehen und sie wollen Pailletten. Kriegen sie bei mir."

Markus Lupfer, 37, lebt seit 13 Jahren in London. Er entwirft eine Linie für Topshop und ist seit 2007 der Chef-Designer der spanischen Marke Armand Basi. In Berlin zeigte Lupfer seine eigene Damen-Kollektion.

Machen die Buchführung jetzt selbst: Constanze González und Paul Scherer. (Foto: N/A)

Constanze González und Paul Scherer

"Wir sind gerade dabei uns zu etablieren, zeigen zum zweiten Mal bei der Berlin Fashionweek - deswegen wäre es unklug, gerade jetzt zu kleckern und nicht zu klotzen. Bei unserer Herbst/Winterkollektion haben wir deshalb auf Luxus und reichlich Stoff gesetzt: Eisblau, Kupfer, Gold, dazu handvernähte Spitze und Perlenstickereien. An den 50 Teilen, die wir über den Laufsteg schicken, hätte auch Marie Antoinette ihren Spaß gehabt. Gerade in Krisenzeiten haben die Menschen Lust daran, sich papageienhaft aufzubrezeln.

Natürlich geht die Krise nicht spurlos an uns vorbei. Als kleines Couture-Label ohne Investor bekommen wir die nachlässige Zahlungsmoral mancher Kunden sofort zu spüren. Hinter den Kulissen sparen wir, und machen noch mehr selbst als sonst - und kümmern uns auch um so langweilige Dinge wie die Buchführung."

Constanze González, 31, und Paul Scherer, 28, sind die Designer hinter der Marke Scherer González. Sie arbeiten in Berlin.

Weiter zu Dirk Schönberger: "Die Zeit der überkandidelten It-Bags ist vorbei."

Dirk Schönberger

"Meine Devise für 2009 ist: mutig, aber nicht übermütig sein. Ich bin immer noch dabei, der Marke Joop! einen neuen Anstrich zu verpassen; und gerade deswegen müssen wir trotz Krisengejammer auf Kurs bleiben. Noch muss bei uns nicht gespart werden. Die Werbekampagne hat Inez van Lamsweerde fotografiert, meine Kollektion zeige ich im Hamburger Bahnhof, nur die Aftershowparty ist nicht ganz so fulminant wie letztes Jahr: Im Weekend-Club gibt es reduzierten Techno, das erschien mir passend.

Mit der Holy-Group habe ich einen starken Partner im Rücken, der schon lange vor der Krise ein klares Business-Konzept kalkuliert hat. Obwohl die Autoindustrie am Boden ist, heißt meine Herbst-/Winterkollektion "Auto Erotic". Männer interessieren sich immer, egal wie viel Geld sie in der Tasche haben, für Autos und Mädchen. Das Design ist futuristisch, die Silhoutten schmal, die Stoffe glänzend.

Die Zeit der überkandidelten It-Bags ist vorbei, die Leute denken längerfristiger. Wenn sie Geld ausgeben, dann nicht für das dritte weiße T-Shirt; sie wollen lieber etwas Besonderes nach Hause tragen. Außerdem wird sich Qualität in Zukunft besser denn je verkaufen - das merke ich an mir selber: Zu Weihnachten habe ich Kaschmirschals, eine Bottega-Veneta-Geldbörse und eine Tasche von Felisi verschenkt. Alles nicht gerade günstig, aber was für die Ewigkeit."

Dirk Schönberger, 41, ist seit 2007 Kreativ-Chef bei Joop!. Seine eigene Modemarke Dirk Schönberger ruht seit 2007.

© SZ vom 31.01.2009/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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