Religion:Exorzismus: Teufel komm raus

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Jesus Christus vertreibt die Dämonen - spätmittelalterliches Fastentuch im Dom zu Gurk in Kärnten. Abbildung: Meister Konrad von Friesach/Dom zu Gurk (Foto: N/A)

Der Fall einer ermordeten Frau in Frankfurt lenkt die Aufmerksamkeit auf ein vergessen geglaubtes Ritual. Der Glaube an die Dämonenaustreibung fußt auf langer biblischer Tradition.

Von Hermann Unterstöger

Das Austreiben des Teufels aus Menschen ist unter den religiösen Ritualen eines der krassesten und krausesten. Der Exorzismus (von griechisch exorkízein gleich beschwören) hat eine lange, mit Beispielen überreich belegte oder, je nach Sicht der Dinge, belastete Tradition. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn der aktuelle Fall, bei dem eine Frau auf grausame Weise ums Leben kam (siehe Infokasten), sofort den bekanntesten der in der Bibel überlieferten Fälle ins Gedächtnis ruft - einen Fall nebenbei, der vergleichsweise glimpflich ausging und der, aus heutiger Sicht wenigstens, der lächerlichen Elemente nicht entbehrt.

Die Geschichte wird in den Evangelien überliefert (Markus 5, Lukas 8) und handelt von einem Besessenen, den Jesus aus den Banden des Teufels befreit. Jesus hält sich dabei insofern an die auch heute noch üblichen Exorzismusregeln, als er den bösen Geist nach seinem Namen fragt. Kenner der Szene berichten, dass der Teufel solche Neugier generell nicht schätzt, dass er entweder Reue vortäuscht oder in Geschwätzigkeit abdriftet. Unser Teufel indessen zeigte sich sehr kooperativ.

Sein Name sei "Legion", sagte er, und er bitte sich aus, nicht in die Tiefe fahren zu müssen. Wie es sich traf, weidete nebenan eine Herde Säue, und was nun geschah, liest sich bei Lukas, in Luthers Übertragung, so: "Da furen die Teufel aus von den Menschen / vnd furen in die Sew / vnd die Herde stürtzet sich mit einem sturm in den See / vnd ersoffen."

Der Laie ist auf Zeugnisse aus zweiter Hand angewiesen

Tierfreunde haben diese Strategie immer als ungerecht und empörend angesehen. Das bleibt ihnen unbenommen, doch ist daran zu erinnern, dass die Bibelwissenschaft für die unkonventionelle Lösung eine recht einleuchtende Erklärung gefunden hat. Demnach ist der Heilung des Besessenen eine deutlich politische Dimension zu eigen, indem die zehnte römische Legion, also die Armee der Besatzungsmacht, einen Eber im Wappen führte. Für die Hörerschaft des Evangelisten war, so Thomas Staubli von der Universität Freiburg, "dadurch ohne ausdrückliche Nennung klar, dass die Ursache der Besessenheit in der römischen Militärherrschaft zu suchen ist".

Wie immer sich das verhalten haben mag: dass ein Teufel "Legion" heißt oder in der Menge einer Legion, bis zu 6000 Mann immerhin, sein Opfer besetzt hält, weicht doch erheblich von dem ab, was unter Dämonen Brauch ist oder zu sein scheint. Die Welt der Geister ist so vielschichtig, dass sich ihre innere Ordnung nicht einmal den Eingeweihten erschließt, wobei man mit einiger Plausibilität unterstellen darf, dass die Eingeweihten auch nur so tun, als seien sie eingeweiht, dass sie mithin zur Gattung derer gehören, die man heute unter dem Begriff "selbst ernannt" zusammenfasst. Der Laie ist auf Zeugnisse aus zweiter Hand angewiesen, zum Exempel auf Goethes Drama vom Doktor Faust, von dem man neben anderem die leider viel zu wenig befolgte Lehre ableiten könnte, dass, wer sich mit dem Teufel einlässt, von diesem letztlich geholt wird.

Andererseits scheint es in der Geisterwelt auch ganz passable Dämonen zu geben. Abermals "Faust": Der Held lamentiert herum, bis er im Buch das Zeichen des Erdgeistes sieht, das ihm neue Kräfte gibt und Mut einflößt. Der Erdgeist lässt sich denn auch nicht lange bitten, sondern gesellt sich zu Faust, der ihn - "Schreckliches Gesicht!" - freilich kaum ertragen kann. Nichtsdestoweniger biedert er sich ihm an, doch als er zu allem Überfluss auch noch sagt: "Geschäftiger Geist, wie nah fühl ich mich dir", zieht der Geist wieder ab. Über die Natur dieses nächtlichen Gastes ist viel nachgedacht worden. Agrippa von Nettesheim beispielsweise ordnet ihn in seiner Schrift "De occulta philosophia" dem untersten Rang der Dämonen zu, den dienenden Geistern.

Dafür, dass kein Mensch Genaueres über die Welt der Geister weiß, ist diese erstaunlich präzise beschrieben worden, wobei die Präzision allerdings darunter leidet, dass sie verdächtig nach Flunkerei und Fantasy riecht. Es fehlt nicht an Publikationen, anhand deren man sich über das weiß Gott bunte Völkchen der Dämonen informieren kann: über Bathym beispielsweise, der den Schwanz einer Schlange hat und auf einem fahlen Pferd einherreitet, über Namtar, den göttlich-dämonischen Boten der Unterweltgöttin Ereschkigal, oder über Sabnock, der in Gestalt eines Soldaten mit Löwenkopf aufzutreten pflegt. Auch er reitet ein fahles Pferd, wie dieses Tier ja überhaupt in den apokalyptischen Ställen zu Hause zu sein scheint: "Und ich sah, und siehe, ein fahles Pferd, und der darauf saß, des Name hieß Tod, und die Hölle folgte ihm nach" (Offenbarung 6,8).

Die christliche Theologie fasst das Thema mit gutem Grund sehr vorsichtig an. Im dogmatischen Fach rangiert die Dämonologie als Annex der Angelologie, der Lehre von den Engeln. In dieser Zuordnung drückt sich, wie Leo Scheffczyk in schöner Ausgewogenheit formuliert, "die begrenzte Stellung der Dämonologie aus, die freilich nicht mit Bedeutungslosigkeit gleichzusetzen ist".

Die Besessenheit galt als Tatsache

Religionsgeschichtlich ist jedenfalls zu konstatieren, dass man immer schon an Dämonen geglaubt und sie sich als tierisch-menschliche Mischwesen beiderlei Geschlechts ausgemalt hat, denen die Aufgabe zugewiesen wurde, der guten Götterwelt als böse, auf Vernichtung erpichte Geisterwelt gegenüberzustehen. Dem entsprechen die ausgefeilten Rituale zur Bannung der aus dieser Gegenwelt hereinwirkenden Kräfte.

Die Besessenheit galt als Tatsache, und es empfahl sich in früheren Zeiten nicht, daran Zweifel anzumelden. In Jakob Sprengers und Heinrich Institoris' "Hexenhammer", einem Traktat von faszinierender Verbohrtheit, wird weitschweifig beschrieben, wie und warum der Teufel von Menschen Besitz ergreift und dass er nicht einmal vor denen Halt macht, die er sonst scheut. Die Autoren zitieren Sulpicius Severus, dem zufolge einst ein Mönch so erfolgreich im Bannen böser Geister war, dass ihm sein Ruhm über den Kopf zu steigen drohte.

In seiner Not flehte er zu Gott, dass dem Teufel fünf Monate lang Macht über ihn gegeben werde. Das geschah, und nach dieser Zeit war der Pater nicht nur wieder frei vom Teufel, sondern auch von der Hoffart, was, wie Severus gelassen anmerkt, "ihm nützlicher und auch lieber war".

Die Dummheit des Teufels

In Heinrich Heines Gedicht "Disputation" geht es um einen zu Toledo abgehaltenen theologischen Wettstreit zwischen einem Rabbi und einem Mönch, betreffend die Stichhaltigkeit des jeweils verehrten und verkündeten Gottes. Das wogt hin und her, und als nach zwölfstündigem Redekampf König Pedro seine Gattin, die kapriziöse Donna Blanka, um ihre Meinung bittet, antwortet diese: "Welcher Recht hat, weiß ich nicht - / Doch es will mich schier bedünken, / Dass der Rabbi und der Mönch, / Dass sie alle beide stinken."

Einst war es in Klosterschulen Usus, die Lateinschüler dann und wann mit vermeintlich sinnfördernden Scherzen zu unterhalten. Einer davon betraf die Teufelsaustreibung und bot folgenden Dialog zwischen Exorzist und Satan: "Exi ex hoc corpo!" - "Nolvo." - "Cur nolvis?" - "Quia male loquis." Es würde zu weit führen, die darin enthaltenen Fehler zu erläutern. Die Lateinlehrer schlossen aus ihnen jedenfalls auf die generelle Dummheit des Teufels. Dass der Exorzist demnach genauso dumm ist, verschwiegen sie.

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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