Ernährungsprobleme:Die Briten sind die dicksten Europäer

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Das Vereinigte Königreich hat ein dickes Problem: Einer OECD-Studie zufolge bringen die Inselbewohner die meisten Pfunde auf die Waage. Die Schweizer hingegen sind die schlanksten Europäer. Und die Deutschen?

Wolfgang Koydl

Pasteten, Pommes und panierter Fisch, dazwischen Kartoffelchips und Pints mit Lagerbier - kulinarisch konnte die britische Küche noch nie punkten. Dafür macht sie dick, und wem der Augenschein bei einem Bummel durch eine High Street im Vereinigten Königreich nicht ausreichte, der hat es jetzt amtlich: Die Briten sind die dicksten Europäer.

Die Deutschen belegen den dritten Platz. Fettleibig = mit einem Body-Mass-Index (BMI) von über 30. (Foto: SZ-Grafik, Quelle: OECD)

Zwei Drittel aller Männer sind übergewichtig, und 60 Prozent der Frauen. Als fettleibig gelten fast 25 Prozent der Erwachsenen. Bei den Kindern sieht es besonders schlimm aus: Jedes siebte Kind im Alter zwischen zwei und zehn Jahren ist adipös - also klinisch übergewichtig.

Deutsche im Mittelfeld

Nach den von der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) erhobenen und vom britischen Gesundheitsministerium vorgelegten Zahlen, haben die Briten Slowaken und Griechen in der Tabelle der Schwergewichtigen überholt. Am schlanksten sind der Untersuchung zufolge die Schweizer; die Deutschen liegen mit Platz 14 im unteren Mittelfeld.

Wie auch in anderen hoch entwickelten Industriestaaten ist das Problem des Übergewichts gekoppelt an soziale Unterschiede: Wer weniger verdient, ernährt sich schlechter und bewegt sich weniger.

In England, Schottland und Wales lässt sich das zudem an einem Nord-Süd-Gefälle erkennen: Im armen Nordosten leben die Menschen um soviel ungesünder als im vergleichsweise fitten Südwesten Englands, dass sie im Schnitt eine um zwei Jahre kürzere Lebenserwartung haben.

Besonders krass ist dieser Unterschied, wenn man das Arbeiter-Seebad Blackpool mit dem Londoner Schickeria-Viertel Kensington und Chelsea vergleicht: Im Schatten von Harrods und Hyde Park lebt man acht Jahre länger als hoch oben an der Irischen See.

Sechs Millionen Briten kochen nie

Zeitgleich mit der Vorlage der OECD-Statistik durch das Gesundheitsministerium schlug auch die staatliche Lebensmittelaufsichtsbehörde Food Standards Agency (FSA) Alarm. Trocken konstatierte deren Vorsitzende Dame Deirdre Hutton im Independent, dass die Briten das schlechteste Essen ganz Europas zu sich nähmen.

Nach Erkenntnissen der FSA verwendet nur die Hälfte aller Haushalte frische oder rohe Zutaten zum Kochen; in anderen Familien werden Fertiggerichte verzehrt. Sechs Millionen Menschen schalten ihren Herd noch nicht einmal dafür an: Sie kochen überhaupt nie.

Die erst vor kurzem ernannte Gesundheits- und Fitnessministerin Caroline Flint beschwor "sehr ernste Gesundheitsprobleme für die Zukunft" herauf, wenn es der Gesellschaft nicht gelänge, die falschen Ernährungsgewohnheiten zu beenden.

Dem staatlichen Gesundheitswesen droht der Bankrott

Nach Regierungserhebungen droht dem staatlichen Gesundheitswesen über kurz oder lang der Bankrott, wenn die Zahl der dem Übergewicht geschuldeten Fälle von Herz- und Kreislauferkrankungen, Krebs oder Diabetes weiter dramatisch ansteigt. Schon jetzt sterben 60.000 Britinnen und Briten im Jahr als Folge schlechter Ernährung - 15 mal mehr als im Straßenverkehr umkommen.

Fürs erste setzt die britische Regierung noch auf Anreize. So kündigte Ministerin Flint einen Plan an, an bedürftige Familien Gutscheine für den Kauf von Obst, Gemüse und Vitaminen zu verteilen. Denn tatsächlich ist gesundes Essen in Supermärkten oft teurer als etwa fettige Fish"n"Chips.

Doch auch an Sanktionen ist gedacht. Premierminister Tony Blair hat bereits angekündigt, ein Verbot für Junkfood-Werbung im Fernsehen verabschieden zu lassen, wenn sich die Industrie nicht freiwillig Beschränkungen auferlegt.

© SZ vom 12.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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