Elternabend:Große Klasse

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Elternabend in der 5a. Zeichnung: Jan Reiser (Foto: Zeichnung: Jan Reiser)

Zweimal im Jahr müssen auch die Eltern in die Schule. Sie dürfen zu spät kommen, ohne geschimpft zu werden, und bekommen keine Hausaufgaben. Was machen die da eigentlich?

Von Georg Cadeggianini

Wo sitzen die Eltern?

Oft setzen sich die Eltern auf denselben Platz wie das eigene Kind. Für den Lehrer (oder die Lehrerin) ist das praktisch. Dann weiß er, wer zu wem gehört. Außerdem gilt die geheime Faustregel: Je mehr Papas da sind, desto mehr Probleme gibt es zu besprechen. Wenn es keine Probleme gibt, kommen mehr Mamas. Am Anfang kramen die Eltern gern im Fach unter der Bank und regen sich über die Unordnung auf oder das Gekritzel auf der Bank. Manchmal sitzen sie auch im Sitzkreis. Das sieht dann besonders blöd aus, weil sie ja viel zu groß dafür sind und nicht wissen, wo sie ihre Beine hintun sollen.

Was passiert dann?

Der Lehrer erzählt, worauf die Eltern achten müssen, damit es den Kindern gut geht in der Schule. Zum Beispiel sagt er: "Drei Sachen sind wichtig: Viel Schlaf. Wenig Fernsehen. Und Frühstück." Das wiederholt er dann noch eine Stunde lang in verschiedenen Ausformulierungen, und die Eltern fragen viel nach. "Also wirklich viel Schlaf?" Zwischendurch wollen sie wissen, wie Kinder bessere Noten bekommen. Aber sie verstehen das dann schon, dass die Kinder sich da nur selbst drum kümmern können.

Wie benehmen sich die Eltern?

Ganz okay, zumindest kleben sie keine alten Kaugummis in Vorhangfalten. Wobei: Manche ziehen sich nicht mal die Jacke aus (Signal: "Liebe Lehrerin, mach schnell, ich muss hier möglichst sofort wieder weg.") Andere schwätzen die ganze Zeit mit ihrer Banknachbarmama. Und Fragen rufen sie oft einfach rein. Meistens sind es genau die Fragen, die die Lehrerin ein paar Sekunden später sowieso beantwortet hätte. Egal. Melden jedenfalls tut sich keiner.

Es gibt aber bei fast jedem Elternabend einen Moment der nahezu magischen Stille. Und zwar folgt dieser Moment einer einfachen Frage: "Und wer, liebe Eltern, will sich für dieses Jahr zum Elternsprecher wählen lassen?" Dann ist Ruhe und keiner schaut den anderen an. Papas starren auf den Linoleumboden, als ob es dort ein nie da gewesenes Muster zu entdecken gäbe. Mamas binden sich die Schuhschleife neu oder schauen auf ihr Handy.

Das fällt ohnehin auf: Viele schaffen es nicht, den gesamten Elternabend lang nicht auf ihr Handy zu gucken. Oft kommen auch welche zu spät und gucken so charmant-entschuldigend. Eltern verspäten sich viel öfter als Kinder. Was komisch ist, weil sie Kinder immer so drängeln.

Wie benehmen sich die Lehrer?

Geduldig. Mit Eltern muss man einfach sehr geduldig sein. Der Lehrer ist nicht streng (Handybimmeln, Zuspätkommen, dreckige Schuhe? Alles nicht so schlimm). Und er versucht mit den Eltern nicht wie mit Kindern zu reden. Sehr kompliziertes Erwachsenending: Lehrer sollen sagen, wo's lang geht, aber bitte nicht zu auffällig. Denn das mögen Erwachsene nicht, dass ihnen ein anderer Erwachsener sagt, wo's lang geht.

Und was machen die Eltern dann?

Wenn alle sich 20-mal über die Unordnung amüsiert haben und gestehen, dass sie ja auch nicht wissen, wie man die Kinder dazu bringt, dass sie die Hausaufgaben lieber und vollständiger und ordentlicher machen, schreiben manche Eltern noch kleine Nachrichten ("Räum mal wieder auf!") und verstecken sie irgendwo unter der Bank. Dann gucken alle zusammen die neuen Bilder im Klassenzimmer an ("Schöööön!"). Danach gehen manche noch ein Bier trinken. Sie reden über ihre eigene Schulzeit und dass es in der Schule immer noch genauso riecht wie damals, aber dass es damals noch keine Handys gab. Und dann gucken sie auf ihr Handy und fahren heim.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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