Ein Anruf bei...:...einem Geschichtensammler

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Der Geschichtensammler aus Hamburg-Eimsbüttel: Christoph Busch. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

Ein Mann mietet in Hamburg einen U-Bahn-Kiosk, wo vor Kurzem noch Süßigkeiten verkauft wurden. Er setzt sich rein und hört den Menschen, die vorbeikommen, zu. Warum?

Interview von Thomas Hahn

SZ: Was erzählen die Leute?

Christoph Busch: Es ist unterschiedlich, grundsätzlich kann man sagen: Die Leute haben eine Sehnsucht nach Zwischenmenschlichkeit. Gerade wenn sie sich schlecht fühlen. Ich wollte hier ja eigentlich nur Geschichten sammeln. Aber ich sammle auch Gefühle. Manchmal kann ich mir die Tränen selbst nicht verkneifen, weil die Geschichten so berührend sind.

Worüber sprechen die Leute am meisten?

Liebe. Auf jeden Fall. Es geht in den Erzählungen immer um das Verhältnis zu anderen Menschen, um Enttäuschungen. Oder Verletzungen aus der Kindheit - und damit immer auch um das Bedürfnis, geliebt zu werden.

Kommen auch Wichtigtuer vorbei?

Wichtigtuer habe ich noch nicht erlebt. Manche erzählen langweilige Geschichten. Dann höre ich so lange zu, bis ich die interessante Geschichte hinter der langweiligen gefunden habe. Aber manchmal ist da auch keine.

Und dann?

Dann schaue ich auf die Uhr und sehe zu, dass ich irgendwie elegant herauskomme aus dem Gespräch.

Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee mit dem Erzählkiosk?

Ich bin Drehbuchautor. Gute Geschichten kann ich immer gebrauchen. Ende September sah ich, dass an dem Kiosk ein Schild hing: Zu vermieten. Da dachte ich: Ach, in diesen Kiosk könntest du dich reinsetzen, um zu schreiben. Vielleicht kommen Leute vorbei und erzählen dir Geschichten. Der Kiosk war noch zu haben. Dann habe ich ihn renoviert, und seit Januar sitze ich hier jeden Werktag von halb zehn bis halb drei Uhr und höre den Leuten zu.

Fanden Ihre Freunde die Idee seltsam?

Meine Frau hat gleich gesagt, sie unterstützt das. Sie kennt mich schon eine Weile und weiß, dass ich manchmal ungewöhnliche Wege gehe. Und alle anderen sagten: tolle Idee. Das hat mir Mut gemacht. Ich wusste ja erst nicht, wie es mir in dem Kiosk gehen würde.

Was machen Sie, wenn die Leute Ihnen Lügengeschichten erzählen?

Das interessiert mich nicht. Mir geht es nicht um die Wahrheit. Mir geht es darum, dass die Leute einen Tick glücklicher werden. Und ich habe ganz oft das Gefühl, dass das passiert. Manche fragen, ob sie mich nach dem Gespräch umarmen dürfen. Das mache ich gern. Es gibt unterschiedliche Arten der Umarmung. Manche sind ganz vorsichtig. Neulich war eine Mexikanerin hier, die hat mich fast erdrückt.

Und was machen Sie mit den Geschichten?

Ich wollte Stoff sammeln. Mittlerweile ist sicher, dass daraus ein Buch wird. Das sage ich den Leuten auch, wenn sie zu mir kommen.

© SZ vom 03.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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