Deutsche Küche im Ausland:Kein Bock mehr in Paris

Lesezeit: 2 min

In der französischen Hauptstadt ist die Gastronomie der ganzen Welt zu Hause, doch die deutsche Ess- und Trinkkultur stirbt aus.

Rudolph Chimelli

Mitten in Paris gibt es kein einziges deutsches Restaurant mehr, auch nicht in den äußeren Arrondissements, schon gar nicht in der Banlieue, den Vorstädten der französischen Hauptstadt. Dabei existierte eine ganze Reihe davon, zum Teil an prominenter Stelle. Alle haben in den vergangenen Jahren oder in historischer Zeit zugesperrt.

Wein kommt in den Pariser Bistrots auf den Tisch - was sonst? (Foto: Foto: AP)

Da war "Lindts Münchner Keller", in der Rue Danielle Casanova, nicht weit von der Oper, wo zwar nicht stilgerecht im Souterrain, aber an der Bar im Erdgeschoss und im ersten Stock Bier nebst deftiger Kost nach bayerischer Art serviert wurde. Jetzt ist daraus ein koreanisches Lokal geworden. Ganz in der Nähe, jenseits der Avenue de l'Opéra, schenkte der "Tannhäuser" aus. Er ist spurlos verschwunden.

"Le Bayern" am Châtelet ist längst re-naturalisiert und damit wieder gut französisch geworden. Das gleiche Schicksal erlitt das "Pschorr" an der Bastille. An der eleganten Avenue George V gelegen und von einer zahlungskräftigen Kundschaft gut besucht, hatte "Le Vieux Berlin" schon in den achtziger Jahren aufgegeben. Dass dort ein Rotwein mit dem auf Französisch anrüchigen Namen "Merdinger" gezapft wurde, kann nicht der einzige Grund gewesen sein.

Poolanär und Es-patän sind aus

Zuletzt schloss kürzlich das "Löwenbräu Champs-Elysées", in einer Passage nur einen Steinwurf vom Arc de Triomphe. Es war weiträumig, meistens voll und hatte regelmäßig Trachtenkapellen. Angeblich war die Miete zu hoch geworden.

Das Sterben deutscher Bistros, Brasserien und Wirtschaften ist umso weniger erklärlich, als in der Pariser Gastronomie kaum weniger Nationen vertreten sind als in den UN. Niemand hat die Chinesen, Japaner, Pizza-Italiener oder nordafrikanischen Couscous-Spezialisten gezählt. Libanesen, Afghanen, Tibeter, Südamerikaner, Inder, Portugiesen, Russen und viele andere haben ebenfalls ihre sichere Klientel. Und gleich neben dem Löwenbräu selig floriert weiterhin das "Copenhagen". Eingegangen ist dagegen - zusammen mit den Deutschen - der einzige Ungar.

Hand in Hand mit dem Rückzug der Deutschen aus der Pariser Küche machten sich die Biere aus Bayern und dem Rest des Bundes rar. Vor einem halben Jahrhundert, als noch der Schlagschatten des Krieges über dem Deutschlandbild der Franzosen lag, hatte praktisch jedes Pariser Bistro neben heimischem Gebräu einen Hahn für "Poolanär" (Paulaner), "Es-patän" (Spaten) oder das unaussprechliche "Pschorr". Man konnte überall "un demi Munich" bestellen, wobei die Halbe in Frankreich einen Viertelliter bedeutet. Für Zaghafte gab es den "Bock", keine Sorte, sondern einen Zehntelliter Bier im Rotwein-Ballon.

Vorbei. Brauereien aus Belgien, Irland, England, Holland, Dänemark, Mexiko sind an den Theken im Vormarsch. Die Halbe aus München ist daneben längst nicht mehr selbstverständlich. Eine Zeit lang hatte noch Bitburger Pils einen gewissen Heiterkeitserfolg: Sein Werbespruch ,,Bitte ein Bit'' enthält phonetisch gleich zweimal das gebräuchliche französische Wort für das männliche Organ. Aber auch dieser unfreiwillige Spaß brachte keine haltbare Konsumgewohnheit hervor.

© SZ vom 10.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: