Designer Alberto Alessi:"Schauen Sie nicht so geringschätzig!"

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Von der Keksdose bis zur Klobürste: Design-Ikone Alberto Alessi über seine Entwürfe für jedermann - auch die weniger gelungenen ...

Antje Wewer

SZ: Guten Tag, Herr Alessi. Sie kommen direkt aus Ihrem Haus im Piemont. Welche Ihrer vielen Produkte haben Sie heute schon benutzt? Alberto Alessi: Einige! Meine Küche ist ein einziges Experimentierfeld, auf dem ich unsere Prototypen ausprobiere. Meine Frau hat sich damit arrangiert, versteckt aber die Dinge, die ihr nicht gefallen.

"Aber die Idee ist genial", verteidigt Alessi seine - nicht sehr funktionelle - Zitronenpresse. (Foto: Foto: alessi.com)

SZ: Was testen Sie dieser Tage? Alessi: Eine neue Besteckserie, die Jan Kaplicky, ein bewundernswerter britischer Architekt, für uns entworfen hat und mit der ich noch nicht zufrieden bin. Mio dio, ich bin mir gerade nicht sicher, ob ich Ihnen das überhaupt erzählen darf.

SZ: Aber bitte. Was stimmt denn damit nicht? Alessi: Wir arbeiten seit vier Jahren daran, es wird nicht handlich! Nehmen wir den Löffel: Er ist hübsch. Und sehr lang. Er erinnert an einen Babylöffel. Ob das so gut ist? Das Messer macht mir wirklich Sorgen. Es liegt schwer in der Hand, es funktioniert - aber nur, so lange man es mit der rechten Hand benutzt.

SZ: Für Alessi haben so berühmte Designer wie Ettore Sottsass, Aldo Rossi oder Alessandro Mendini entworfen. Was können Sie über diese Spezies sagen? Alessi: Die meisten sind sehr starrköpfig. Sie wollen keine Kritik hören. Und sie mögen keine Kompromisse. Nun gut, die mag kein Künstler. Aber wir wollen schließlich auch verkaufen.

SZ: Schon mal einen Korb bekommen? Alessi: Aber ja, vom großen amerikanischen Architekten Philip Johnson. Geschmerzt hat auch die Absage von Herzog & de Meuron. Sie schrieben einen freundlichen Brief, dass sie gerne für Alessi entwerfen würden, aber zu beschäftigt sind.

SZ: Das große Geschäft machen Sie sowieso nicht mit den extravaganten Einzelstücken, sondern mit Ihrer knallbunten, quietschvergnügten Linie. Da gibt einen Kaktus als Klobürste, einen Butterkeks als Dose. . . Alessi: Schauen Sie bitte nicht so geringschätzig! Auch diese bunten Teile zähle ich zu meinen Babies. Keines von ihnen kann ich verachten. Andernfalls hätte ich sie schon in der Entwicklungsphase töten müssen. Einmal auf der Welt, haben sie sich meine Liebe verdient. Als wir in den Neunzigern damit anfingen, waren witzige Designobjekte eine Sensation. Noch dazu, weil viele sie sich leisten konnten.

SZ: Offenbar insbesondere die Deutschen; wir sind Ihr größter Absatzmarkt. Alessi: Mich hat selber überrascht, wie sehr die Deutschen - im Gegensatz zu den Italienern - darauf anspringen. Vielleicht, weil Deutschland an sich mehr Farbe braucht? Noch eine Beobachtung: Männer kaufen mit Vorliebe Küchenobjekte aus Stahl. Die machen was her, müssen aber ständig geputzt werden. Frauen sind zu schlau dafür. Und viel praktischer.

SZ: Manche Menschen legen ein Stück Seife in eine schlichte Schale, andere stellen sich einen Seifenspender in Form einer staunenden Ente ins Bad. Was unterscheidet diese zwei Typen? Alessi: Der eine mag es funktionell, der andere will etwas Poesie in seinen Alltag bringen. Und Witz. Das haben wir früh erkannt und die Alessi-Enzyklopädie erschaffen. Seither wollen wir so viele Alltagsgegenstände wie möglich mit unseren Produkten ersetzen. Klappt aber nicht immer. Gerade haben wir einen Regenmantel für Frauen entwickelt. Mir hat er gefallen, dem Rest der Familie leider nicht.

SZ: Der ganze Alessi-Clan darf mitentscheiden? Alessi: Sie beraten mich. Wir sind ein Familienunternehmen, aber die finale Entscheidung liegt dann bei mir. Bei dem Flaschenöffner "Anna G.", der in seiner Form an eine Frau erinnert, habe ich mich gegen die ganze Familie durchgesetzt. Sie fanden ihn albern und überkandidelt. Er wurde zu einem unserer Bestseller.

SZ: Aber nicht zum Klassiker. Alessi: In der Regel sind die auch keine kommerziellen Erfolge. Der Wasserkessel von Michael Graves aus dem Jahr 1985, der mit dem Vögelchen, ist eine Ausnahme. Ein postmodernes Stück, das viel über die Zeit aussagt, in der es entstand. Und: Es verkauft sich immer noch gut.

SZ: Sie stehen seit 1970 an der Spitze von Alessi. Auf welche Erfindung sind Sie besonders stolz? Alessi: Ich muss gestehen: In den letzten 38 Jahren gab es keine wirklichen Innovationen. Schalen, Besteck - all' das gibt es schon seit tausenden von Jahren. Deswegen arbeiten wir an Details, erforschen, was möglich ist. Die berühmte Zitronenpresse von Philippe Starck, die aussieht wie ein langbeiniges Ufo, ist eine Ausnahme. Sie beruhte auf einem völlig neuen Konzept.

SZ: Nur funktioniert sie bekanntlich nicht besonders gut. Alessi: Aber die Idee ist genial! Die perfekte Verbindung von Form und Funktion hat für mich sowieso nur das Ei. Leider wurde es ausgerechnet nicht von Menschenhand erschaffen, sondern vom Huhn. Noch dazu fällt es ihm aus dem Hintern.

© SZ vom 28.06.2008/vs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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