Das Modelabel "Cheap Monday":Heiße Jeans im Untergrund

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Warum sind die Jeans des Modelabels "Cheap Monday" so begehrt? Sogar Textilgigant H&M will am Erfolg teilhaben. Gründer Örjan Andersson kennt die Antwort.

Katharina Höller

Es ist ein Spitzname, der am besten beschreibt, wie Örjan Andersson zu dem wurde, was er heute ist: Eingeweihte nennen ihn nämlich den Jeansprofessor! Ein kleiner Scherz, der sich so verselbständigte, dass der schwedische Hüne noch heute mit genau dieser Berufsbezeichnung im Stockholmer Telefonbuch steht.

So sieht er also aus, der Trend: Röhrenjeans in verschiedenen Farben. (Foto: Foto: Cheap Monday)

"Ich war gerade aus dem Haus meiner Eltern in die erste eigene Wohnung gezogen, da rief eine Dame der öffentlichen Telefongesellschaft an", erzählt er. Um ihn korrekt ins Namensverzeichnis aufzunehmen, wollte sie seinen Titel erfragen. Andersson antwortete, er wäre Professor. Den Spaß nicht bemerkend, fragte die Dame weiter nach seinem Fachgebiet. Örjan, der damals in Wahrheit noch Verkäufer war, flunkerte munter weiter: "Ich sagte ihr, ich wäre ein Jeansprofessor. Sie kam nicht im Entferntesten auf die Idee, dass das ein Scherz sein könnte. Jedenfalls nahm sie meine Daten genau so auf."

Heute klingt diese nette Geschichte fast wie eine Prophezeiung. Andersson hat inzwischen Millionen selbstentworfener Jeans verkauft. Mit seinem Label Cheap Monday hat er geschafft, wovon viele andere in der Textilbranche träumen: Er hat sich auf dem Markt für Jeans breitgemacht - neben historischen Giganten wie Levi's, Lee und Wrangler.

Staunend beobachtet haben diese Erfolgsgeschichte aber nicht nur modeaffine Laien. Auch die Spürnasen bei H&M waren begeistert vom Senkrechtstart ihrer Landsmänner. So begeistert, dass sie künftig finanziell beistehen und mitmischen wollen. Im März wanderte so Cheap Monday selbst zu 60 Prozent über einen imaginären Ladentisch. Doch langsam. Wie konnte die schmale Röhrenjeans mit dem kleinen Totenkopflogo überm Hintern eigentlich so heißbegehrt werden?

Vor einigen Jahren noch stellten landläufige Marken vorwiegend Jeans her, die in verschiedenen "Stone-Waschgängen" mit zusätzlichen Löchern und reichlich "Vintage"-Tragegefühl ausgestattet wurden. Eine Tatsache, die Andersson und seinen Freunden ganz besonders auf die Nerven ging. So sehr, dass aus der gegebenen Notsituation ein akutes Bedürfnis wurde. Für den eigenen Laden in Stockholm entwarf Andersson eine anständige, dunkle Jeans ohne Löcher, die eng saß und weder Schambehaarung noch Maurerdekolleté preisgab. Sie sollte für nur 50 Euro zu haben sein. "Im März 2004 kam die erste Lieferung in unserem Weekday Store an. Wir hatten 800 Paar ungewaschene Jeans aus Stretchdenim bestellt", erinnert er sich. "Sie waren in drei Wochen ausverkauft."

Kein Wunder, denn 2004 brodelte bereits ein Trend im Untergrund, der noch heute unser Straßenbild prägt: die Röhrenjeans. Vor allem Trendsetter im skandinavischen Raum waren der ausgewaschenen Hüftjeans müde und sehnten sich danach, in dunkelblauem Zwirn ihre schlanken Beine zu präsentieren: Sie wollten Veränderung!

Doch die gab's bis dato nur bei den teuren Designern. Die Kunde vom günstigen Exemplar im Stockholmer Weekday Store machte nach dieser langen Durststrecke schnell die Runde. "Wir waren eine der ersten Marken, die Skinny Jeans zu einem niedrigen Preis verkauften", erinnert sich Andersson, der mit seiner Größe und den blonden Haaren dem Klischee vom typischen Schweden sehr nahe kommt.

Die ursprüngliche Idee war also eine spezielle Marke, die es nur im eigenen Laden geben sollte. "Weil sich die Hosen aber so gut verkauften, beschlossen wir, sie auch ins Ausland zu liefern. Die ersten Abnehmer fanden sich in Paris und Kopenhagen." Inzwischen kamen viele dazu. Die Jeans für den schmalen Taler gibt es in allen großen europäischen Städten: London, Rom, Amsterdam, und natürlich auch im "Apartment" in Berlin. Dort hängt sie zwischen Avantgarde-Mode von Undercover und Rick Owens. Laden-Betreiber Christof Rücker hat die Röhre nach Deutschland geholt und macht damit nun einen beträchtlichen Teil seines Umsatzes.

Das klingt zwar beeindruckend, doch zunächst wirkt es seltsam, wenn exklusive, kleine Designershops bereitwillig ihr Sortiment um eine günstige Jeans erweitern. Wie erreichte Cheap Monday innerhalb kürzester Zeit den Kultstatus, der mittlerweile die Händler europaweit überzeugt? Örjan Andersson erklärt das kleine Wunder mit der Professionalität seines Kollegen Lars Karlsson: Er war schon früher bei Levi's zuständig für den Vertrieb, und bereiste nunmehr die Länder mit der schwedischen Neuheit im Gepäck. "Lasse hat gute Kontakte zu entscheidenden Stores und überzeugte die Leute von unserer Marke. Das exklusive Verkaufsumfeld verdanken wir also ihm."

Lesen Sie im zweiten Teil: Wie Cheap Monday weiterhin cool sein will.

Dieses Umfeld ist ein nicht zu unterschätzender Teil des Erfolgskonzepts der Schweden. Ihre heiße Ware ist billig, aber trotzdem nicht einfach zu haben: Viele Fans der Röhre mussten anfangs in eine andere Stadt reisen, um sich die zweite Haut zu erwerben, oder komplizierte Bestellungen im Internet in die Wege leiten. Das schafft natürlich Begehrlichkeiten. "Wir waren einfach Underground. Wir haben erzählt, dass wir diese Hosen im Laden haben und das Gerücht verbreitete sich wie ein Lauffeuer bei Modeliebhabern in ganz Europa - ganz ohne teure Werbung und Marketing."

Das Wichtigste für ein Label im Untergund: cool sein. (Foto: Foto: Cheap Monday)

Örjan Andersson und seine Kollegen haben eben einen gesunden Riecher für Trends. Darauf verlassen sie sich - und unterscheiden sich darin ganz eindeutig von anderen Herstellern: "Wir sind keine historische Jeansmarke wie Levi's oder Lee, sondern vielmehr eine modische. Ich interessiere mich für die Geschichte von Jeans, aber ich denke nicht darüber nach, wenn ich entwerfe." Auch die Modebranche lässt ihn kalt: "Zwar liebe ich Mode und beobachte sehr genau und mit großem Interesse, wie sie sich entwickelt. Aber ich gehöre nicht zu diesen Leuten, die bei Chanel in der ersten Reihe sitzen. I'm not a fashion guy."

Vielmehr lässt Andersson sich von der Musikszene beeinflussen, und schöpft neue Ideen aus seinem direkten Umfeld: "Die Trends hier auf der Straße interessieren mich. Ein Großteil meiner Inspiration kommt direkt aus Stockholm. Hier lebe ich und hier nahm die Geschichte ihren Anfang."

Ein Anfang, der rückblickend nicht immer leicht war: Fünfzig Euro für eine Jeans - die Messlatte war hoch angesetzt. Doch wer produziert für dieses Geld eine Hose in verhältnismäßig geringer Stückzahl? Ist das überhaupt möglich? "Das war unsere größte Hürde. Aber wir haben die Kosten eingeschränkt, indem wir nur unbehandelten Stoff verarbeitet und keine hohen Summen für Werbung ausgegeben haben", erklärt Andersson. Diese Methode zahlt sich immer noch aus. Doch der Kundenstamm von Cheap Monday ist gewachsen, und mit ihm auch die unterschiedlichen Vorstellungen von der perfekten Jeans-Optik. "Inzwischen haben wir viele Farben und Waschungen. Das wird auch in den kommenden Saisons so bleiben."

Und die Vielfalt wird in Zukunft weiter wachsen. Seit Anfang März ist dem kleinen Label die Unterstützung des großen, schwedischen Bruders H&M sicher. Der Konzern hat 60 Prozent von Cheap Monday aufgekauft und sich bis 2013 das Vorkaufsrecht auf die restlichen 40 Prozent gesichert. Heißt das nun, dass der "Underground" seine Seele an den Teufel verschachert hat? Nicht unbedingt. Glaubt man den Aussagen, ist es vielmehr ein gegenseitiges Geben und Nehmen.

H&M konkurriert auf dem Markt für Bekleidung mit einem zweiten Giganten, nämlich der Inditex-Gruppe, zu der Marken wie Zara und Massimo Dutti gehören. Um den Marktführer Inditex endlich wieder einzuholen, haben die Schweden erstmalig in ihrer Unternehmensgeschichte ein anderes Unternehmen gekauft. Und Cheap Monday passt irgendwie zu H&M: Die Marke ist günstig, trendorientiert und "self-made", genau wie der große Bruder.

Auch für Örjan Andersson und sein Team kam das Angebot des Großkonzerns wie gerufen: "H&M eröffnet schon seit Jahren Stores außerhalb Schwedens. Sie wissen genau, wie das geht. Auch was die Produktion angeht, haben sie unglaublich viel Erfahrung. Sie werden uns in Zukunft sehr helfen können." Schließlich steht Cheap Monday momentan an einer entscheidenden Schwelle: Wollen sie richtig groß werden oder zeitlebens der Geheimtipp bleiben? Andersson sieht diese Frage sehr realistisch: "Man kann nicht für immer dem Underground angehören. Wir sind an dem Punkt angelangt, an dem wir weiter wachsen müssen."

Aber leidet unter dieser Entscheidung nicht die Glaubwürdigkeit des Jeans-Labels? Vor allem wenn man bedenkt, dass es bisher auch alleine erfolgreich war. "Ab einem gewissen Punkt war es für uns schwierig, unsere Ziele alleine zu erreichen. H&M ist dafür einer der besten und professionellsten Partner weltweit. Es war eine leichte Entscheidung, mit ihnen zusammenzuarbeiten." Örjan Andersson drückt sich gewählt und diplomatisch aus. Klar ist, dass H&M dem kleineren Unternehmen vor allem hinsichtlich logistischer Fragen weiterhelfen wird. Der Konzern hat die Infrastruktur, die Cheap Monday braucht, um weiter zu expandieren. Und Hennes & Mauritz wiederum setzt auf ein neues, trendiges Pferdchen im Kampf der Textil-Giganten.

Den Schlüssel nicht verlieren

Aber sind die Kunden von Cheap Monday ähnlich begeistert, wie die Schweden selbst? Bestimmt kaufen viele von ihnen auch bei H&M, aber wollen sie wirklich auf den Underground-Charakter ihrer Jeans verzichten, wenn bald womöglich alle damit herumlaufen? "Die Kunden, mit denen ich gesprochen habe, haben sehr positiv reagiert", weiß Örjan Andersson. Aber im übertragenen Sinne geht durch den Verkauf vielleicht doch ein Stückchen der tollen Erfolgsgeschichte verloren: "Es ist irgendwie schade, dass sie nicht mehr unabhängig sind. Aber andererseits läuft so eben das Geschäft. Ich werde deshalb nicht aufhören, die Jeans zu tragen", so ein Mädchen im Weekday Store an der Stockholmer Götgatan.

Wichtig ist nur, dass die Schweden den Schlüssel ihres Erfolgskonzeptes nicht verlieren: Sie müssen auch in Zukunft die richtige Spürnase für Trends haben. Und wie sehen Anderssons Prognosen für die kommende Jeansform aus? "Nach einer kurzen Welle mit legeren Modellen werden die Röhrenjeans wieder zurückkehren. Viel wichtiger aber ist das Material: Der gegenwärtig dominierende Stretchdenim wird sich nicht ewig halten. Echter Denim ist bald wieder gefragt."

Der Weekday Store fügt sich derweil ins Stockholmer Straßenbild ein, als wäre er immer an der hippen Shoppingmeile Götgatan gewesen. Allerdings werden die schlanken blauen Hosen, die Fashion-Liebhaber dort kaufen können, nun bald auch in anderen Einkaufsstraßen ihr eigenes Zuhause haben. Also zukünftig billig und leicht zu haben? "Unsere Jeanspreise werden so niedrig bleiben, zumindest in naher Zukunft. Schließlich können wir nicht unseren Namen ändern. Wir heißen Cheap Monday!"

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