China lernt Modemachen:Fashion im Schnellverfahren

Lesezeit: 10 min

In den 80er Jahren eroberten die Japaner Paris. Jetzt erreicht auch China die Mode-Metropole. Einer ist schon angekommen, oben in der Haute Couture.

Nadine Barth

Etwas schüchtern saß er da in seinem Hotel an den Champs-Elysées, Frankie Zie, Fashion Designer aus dem fernen China, der als erster Vertreter seines Landes dabei sein durfte: bei der Prêt-à-porter in Paris, dem Olymp der Modeschöpfer.

Frankie Zie ist 46 Jahre alt und ein sehr höflicher Mensch, was sich lediglich in seinen Gesten verrät, denn er spricht weder Englisch noch Französisch. Der Übersetzer ist gleichzeitig Kulturberater: eine starke Eigenart der chinesischen Gesellschaft. Statt Dinge selbst zu erforschen, sucht man sich eine Art Medium, das einem die Welt vermittelt. In diesem Fall indes will die Medienwelt Frankie Zie verstehen. Sie will, dass das Wunder, das sich Anfang der 80er Jahre in der gleichen Stadt ereignete, wiederholen möge.

Damals eroberten die Designer eines anderen asiatischen Staates Paris: die Japaner. Kenzo hatte den Boden bereitet, auf dem Yoshi Yamamoto und Rei Kawakubo (Comme des Garçons) dem schockierten Publikum einen ,,Lumpenlook'' präsentierten, der so erfrischend anders war als die vertraute Haute-Couture-Schule. Statt Allure zeigte man Natur, die Models liefen mit flachen Schuhen über den Steg, ungeschminkte Gesichter, eine Armada figurloser Neutren in schwarzen, grauen und weißen Stofffetzen: eine Revolution. Dass es sich um raffinierte Schnitte handelte, dass sich hinter den Kollektionen eine ganz komplexe Philosophie verbirgt - das haben mittlerweile selbst Gegner der japanischen Mode zur Kenntnis genommen. Japan ist eine nicht mehr wegzudenkende Größe im Design-Kosmos geworden.

Nun also China. Die Frage ist: Was hat die chinesische Mode, was andere nicht haben? Tja, sie hat den Cheongsam oder Qipao, dieses eng geschnittene Seidenkleid, meist verziert mit Drachen- oder Blumenmuster, mit hochgeschlossenem Kragen, einer kleinen Knopfleiste an der Schulter und mehr oder minder tiefem Schlitz an der Seite. Schon in der Mandschu-Zeit wurde es getragen, der Begriff ,,Cheongsam'' wurde im Süden Chinas geprägt und bedeutet auf kantonesisch ,,langes Kleid'', meint aber das Gleiche.

Als 1960 der Film ,,The World of Suzie Wong'' nach dem gleichnamigen Roman von Richard Mason in die Kinos kam, katapultierte er das Bild der Cheongsam-tragenden Asiatin in die Köpfe des Westens. Suzie Wong, gespielt von der Hongkong-Chinesin Nancy Kwan, verführt einen englischen Künstler (William Holden). Eigentlich ist sie Prostituierte, aber die Unschuld und Hingabe, mit der Suzie Wong ,,liebt'', wurde zum Synonym für den Reiz, den chinesische beziehungsweise asiatische Frauen auf westliche Männer ausüben.

Das Magazin Life brachte die damals 18-jährige Hauptdarstellerin auf sein Cover, im goldenen hoch geschlitzten Cheongsam und titelte dazu: ,,Nancy Kwan, a new star as Suzie Wong'' - Hollywood hatte seine eurasische Heldin (Nancys Mutter war Schottin), der Westen den Mythos Suzie Wong. Wenn heute eine Frau einen Cheongsam anzieht, schlüpft sie damit in die Hülle der exotischen Verführerin, und sei das Kleid auch noch so hoch geschlossen.

Ein anderes großes Thema in der chinesischen Mode ist das genaue Gegenteil von Verführung: die Mao-Jacke. Was kaum einer weiß - sie war eine Auftragsarbeit der Regierung im Jahr 1911, lange vor Mao, unter Staatspräsident Sun Yat-sen nach dem Sturz des Kaiserreichs. Sun Yat-sen wollte der jungen Republik ein neues Gesicht geben, ab 1923 wurde der ,,Sun-Yat-sen-Anzug'' (chinesisch ,,Zhongshan Zhuang'') zur vorgeschriebenden Uniform der chinesischen Beamten. Mao Zedong trug ihn erst ab 1927, dann aber zog er ihn auch nicht mehr aus.

Auffälliges Merkmal ist der Stehkragen, der zwar im Laufe der Jahre einem gemäßigteren Rundkragen wich, bei vollständiger Schließung aller fünf Knöpfe jedoch etwas einzwängend wirkt. Vier Taschen hat jede Jacke, zwei über der Brust, zwei an den Seiten, aufgenäht, verschließbar, die unteren groß genug, so dass ein Kästchen mit dem Mittagessen für den Tag auf dem Feld hineinpasst (die Zahl Vier bezieht sich auf die Elemente des I-Ging, dem Buch der Wandlungen, während die fünf Knöpfe die Gewalten der Verfassung symbolisieren sollen und die drei Manschettenknöpfe Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit).

Während der großen Kulturrevolution (1966-1976) wurde die Mao-Jacke für die gesamte Bevölkerung zum Pflichtkleidungsstück, das Tragen anderer, vor allem westlicher Hosen, Jacken, Kleider unter Strafe gestellt. Die Konformität wurde nur mit Farbgebung durchbrochen: Blau (ein tiefes Indigoblau) trugen Bauern und Arbeiter, Grün Angehörige der Volksbefreiungsarmee, Grau war Politikkadern vorbehalten.

Die Leute wollen wissen, wo Mailand liegt

Und was gibt es jenseits von Suzie Wong und Mao? ,,Nicht viel'', sagt Angelica Cheung, Chefredakeurin der chinesischen Vogue. ,,Ich sage unseren jungen Designern immer, besinnt euch auf eure Wurzeln, denkt über das typisch Chinesische nach, schafft etwas Eigenes.'' Doch davon seien viele noch weit entfernt. Nach dem Ende der Kulturrevolution, in den 80ern und 90ern, saugte die Jugend begierig auf, was aus dem Westen kam. In der Malerei wurde erst einmal kopiert, was die Kunstgeschichte im Repertoire hatte, vom Impressionismus bis zu den Farbtafeln eines Mark Rothko. Erst seit einigen Jahren hat sich die Kunst von der Vergangenheit emanzipiert und eine

eigene Sprache entwickelt wie etwa in den Bildern von Yue Min Jun oder Fang Lijun. ,,Das muss die Mode erst einmal leisten'', sagt Angelica Cheung, ,,dazu wollen auch wir unseren Beitrag liefern. Der Nachholbedarf ist enorm.'' Als nächstes steht Nachhilfe in westlicher Markenkunde an. Was sind Prada, Gucci, Dolce? Wer ist Donatella? Wo liegt Mailand? Seit September 2005 gibt es Vogue China, die 16. Länderausgabe.

Seitdem hat die Leserin in jeder Ausgabe ausführliche Porträts über die genannten Firmen gelesen, wurde die Geschichte der Modefotografie aufgeblättert und erklärt, wie man einen Lipliner korrekt benutzt. Auf dem Cover wechseln sich westliche und asiatische Models ab oder sind gemeinsam auf dem Bild, Titeltexte sind englisch und chinesisch. Topmodel Du Juan wurde durch die chinesische Vogue zum international gefragten Star, ,,in Europa liebt man ihren Look, für den chinesischen Geschmack ist ihr Gesicht eigentlich nicht rund genug, hierzulande mag man es etwas püppchenhafter.''

Westliche Modemagazine erobern den chinesischen Markt

Angelica Cheung, 39, vereint beide Seiten, sie ist der Inbegriff einer modischen Weltbürgerin: Geboren in Peking, studierte sie Jura und englische Literatur, arbeitete für diverse Publikationen in Hongkong, das bis 1996 unter englischem Protektorat stand, zuletzt für die chinesische Elle. Deren Lizenzausgabe ist bereits seit 1988 auf dem chinesischen Markt, und zwar gleich doppelt: Es gibt eine Ausgabe für Hongkong und eine fürs mainland, das chinesische Festland. Elle Decoration erscheint ebenfalls zweimal, die Ausgaben für Hongkong sind jeweils moderner, gewagter.

Cheung, mit ihrem Pagenkopf und einem offenen Lächeln, einem Faible für Kleider von Chanel, Missoni und Ferragamo, saß also bereits im stetig wachsenden China-Block bei den Modenschauen in Paris und Mailand, ,,bis das Level der Chinesinnen hoch genug war, dass man eine Vogue auf den Markt bringen konnte.'' Die ersten 300.000 Exemplare waren in fünf Tagen ausverkauft, der Nachdruck in drei.

Der Luxusmarkt in China wächst stetig, letztes Jahr allein um 20 Prozent. Experten schätzen, dass China sich innerhalb der nächsten Dekade an den USA vorbei auf Platz zwei der Verbraucher von Luxusgütern schieben wird (Japan steht an 1. Stelle mit 41% der weltweiten Verkäufe, für China wird im Jahr 2015 ein Anteil von 29 % erwartet). Giorgio Armani will in den kommenden fünf Jahren zwanzig bis dreißig neue Stores eröffnen, Hugo Boss ist schon mit über neunzig dabei. Anders als in Europa gibt es in China keine Luxus-Straßen oder -Viertel, sondern alles konzentriert sich in Shoppingzentren. Eine klimatisierte Lifestyle-Welt, die alles Chinesische ausblendet, die vielen Menschen, die Hitze, den Smog.

Die Happy Few staksen über die glänzenden Marmorböden in die Luxusläden, die exakt so aussehen wie überall auf der Welt. Der Run auf Labels ist enorm. Wer sich die Originale nicht leisten kann, legt sich Fakes zu. Ob auf dem Silk Market in Peking oder an den Straßenecken in Schanghai, überall wedeln windige Verkäufer auffällig unauffällig mit eingeschweißten Bildern von Louis-Vuitton-Taschen oder Rolex-Uhren herum.

China ist der größte Produzent kopierter Ware, ein Problem, das die chinesische Regierung nur zögerlich anpackt. Deng Xiaoping gab einst die Losung aus: ,,Lernen vom Westen und dann alles besser machen''. Auf der Liste der Exportkönige steht China derzeit auf dem vierten Platz weltweit, im Anbau von Baumwolle ist man führend. Trotz internationaler Kritik an ,,Sweatshops'', in denen Arbeiterinnen für ein Minimum an Lohn unter unzumutbaren Bedingungen schuften, lassen Firmen wie der Otto-Versand, H&M oder Nike in China produzieren - gelobten allerdings bessere Überwachung der Zwischenhändler.

Auch das einheimische Design profitiert natürlich von den günstigen Herstellungskosten. ,,Shanghai Tang'' ist eine der wenigen Marken, die auch international erfolgreich sind. In Hongkong gegründet und trotz des Namens erst viel später in Shanghai vertreten, bietet das Label die Umsetzung von chinesischem Design für westliche Augen. Das heißt: Es gibt Cheongsams, es gibt Mao-Jacken, aber die Cheongsams sind edler, sexier und moderner geschnitten als die traditionellen, und Mao-Jacken zum Beispiel aus Leder und ohne die auftragenden Brusttaschen.

Hillary Clinton und Pierce Brosnan tragen sie auch - die Mao-Jacke

Neben den elf Filialen in China unterhält man Shops in New York, Paris, Zürich, Singapur, Bangkok und Dubai, Fotos von Hillary Clinton, Jodie Foster oder Pierce Brosnan zeigen stets zufriedene Promi-Kunden. Dabei handelt es sich nicht um reine ,,East-meets-West''-Kreationen wie etwa die Kollektionen der Riege amerikanischer Designerinnen chinesischer Herkunft Anna Sui, Vivienne Tam und Vera Wang.

,,ShanghaiTang''-Gründer David Tang, 52, legt Wert auf den feinen Unterschied: ,,Made by Chinese bedeutet von Chinesen gemacht, in erster Hinsicht auch für den chinesischen Markt. Wir lassen uns von unserer Tradition inspirieren und kombinieren die Ideen mit der Modernität und Dynamik des 21. Jahrhunderts.'' So schmücken Lotus-Elemente schnittige High-Tech-Anzüge, ein bunter Drache windet sich über Jeansjacken-Ärmel, und es gibt Kooperationen mit Puma, Swarowski und Van Cleef & Arpels. Obwohl Shanghai Tang (Hauptaktionär ist die Schweizer Richemont-Gruppe) seinen größten Umsatz auf dem asiatischen Markt macht, ist das Label für die meisten Chinesen zu teuer - und zu bunt.

,,Jefen'' von Frankie Zie, dem höflichen Mann, der in Paris zeigten durfte, kommt besser an. Zwanzig eigene Läden hat Zie - und eine Luxuslinie, für die er Stoffe aus Italien verwendet, auf www.jefen.com.cn unterhält er einen Blog. Seine Kundinnen sind Chinesinnen mit mittlerem Einkommen, die Shops findet man nicht in westlich orientierten Shoppingzentren, sondern in den chinesischen, die wie Kaufhäuser aussehen und Bekleidung nur als einen Teil notwendiger Verbrauchsgüter begreifen. Einige Blüschen von Jefen wirken etwas altbacken mit ihren Puffärmeln oder den roten Punkten, aber es ist schon ein Fortschritt für die Chinesin an sich, wenn sie nicht in gehorsamer Gleichförmigkeit ihren Kolleginnen folgt.

Immer noch gilt das ungeschriebene Gebot der Unauffälligkeit. Der Drang nach mehr Individualität, gar Exzentrik, ist nicht nur unbekannt, sondern verpönt. Das Gros ist noch lange nicht so weit, die konzeptionelle Arbeit eines Wang Yi Yang anzuerkennen, der mit seinem Label ,,Cha Gang'' eher künstlerisch arbeitet und vielleicht mit Martin Margiela zu vergleichen ist. Einen Laden gibt es bereits, im französischen Konzessionsviertel Shanghais, in dem Wang Yi Yang auch Kuscheltiere in Eigenanfertigung oder abgedrehte Accessoires wie aufstreifbare Bündchen anbietet.

Eine psychologische Leistung an der ganzen Gesellschaft

Ein ähnlicher Insidertip ist Feng Ling, die ihr Atelier zwischen Galerien und Studios im Pekinger Kunstviertel ,,798'' hat, benannt nach dem ehemaligen Miltärfabrikgelände, auf dem es sich befindet. Der Raum, der als Nähstube, Verkaufsraum und bis vor kurzem auch als Schlafstätte fungierte, präsentiert ein wildes Sammelsurium aus Puppen in Haute-Couture-Kleidern mit Anlehnungen an Konfuzius, Mao und Lenin.

Feng Ling, 41, die ihre Haare gern zu Zöpfen flechtet, ist ausgebildete Malerin und macht neben ihren Kollektionen immer noch Performances: ,,Mode ist für mich ein Ausdruck meiner künstlerischen Arbeit. Es geht um die Weiterbildung des Geistes, eine Entwicklung der Art und Weise, wie wir wirken wollen, wer wird sind. Das hat auch mit der Akzeptanz unserer Vergangenheit zu tun. So deute ich Elemente der Uniformen ironisch um. Das ist wieder Kunst.'' So kann sich die Art-Crowd zwischen den Galerie-Besuchen eine bestickte, olivgrüne Seiden-Soldatenjacke zulegen und um die Ecke eine Ausstellung der Künstlerin/Designerin besuchen.

Das ,,798'' mit seinen Galerien und Künstlerateliers wird wiederum gern von internationalen Marken zur Profilierung in einem hippen Umfeld genutzt. Gerade eröffnete Nike das ,,Mr Shoe Museum'' an einer Ecke und ließ den Hongkonger Designer Michael Lau 100 Schuh-Skulpturen bemalen. Zur Vernissage rappten die chinesischen HipHopper Gong Fu. Es wurde Sushi kredenzt. Das Projekt einer ,,Dieselwall'' ist angekündigt, Benetton war schon letztes Jahr da. Doch auch ,,798'' ist den Pekinger Einwohnern kaum bekannt, sie bleiben lieber in der unauffälligen Kaufhauswelt oder den nachbarschaftlichen Hutongs. Unter sich und sich ähnlich.

,,Eigentlich ist es eine psychologische Leistung, die man an der ganzen chinesischen Gesellschaft vollbringen muss," sagt Huang Hung, die Geschäftsführerin der China Interactive Media Group (CIMG), die von Anfang an ihr Office auf dem Fabrikgelände des ,,798'' hat. Die CIMG produziert TV-Shows und gibt zwei der wichtigsten Avantgarde-Publikationen heraus: Das Trendmagazin iLook und Time Out, die Lizenzausgabe des erfolgreichen amerikanischen Titels, das weltweit den Metropolenjüngern die coolsten Clubs, Restaurants, Ausstellungen, Konzerte und Bücher nennt.

Time Out ist mit seiner Pekinger Ausgabe in Englisch das wichtigste Blatt der ,,Expats'' , wie Ausländer in allen asiatischen Ländern gerne genannt werden. Interessanter findet Huang Hung aber die chinesischen Ausgabe: ,,Das Listing der Orte ist natürlich ganz anders. Expats lieben bei Restaurants die Fusion-Küche, sie wollen es nobler und schicker. Chinesen dagegen achten auf den Preis. Im Sommer, wenn die Krabbenzeit kommt, wollen sie einen Test, welches Lokal die besten, billigsten und meisten Krabben hat - und was zur Reinigung der Hände angeboten wird.'' Huang Hung lacht. Schwer vorstellbar, dass die elegante Dame im Prada-Kostüm Krabben puhlt.

Während die Braven schlafen, arbeitet die junge Szene Styles durch

Hungs Englisch ist akzentfrei, sie studierte in den USA. Ihre Mutter war Diplomatin, die niemand Geringerem als Mao Zedong Englisch beibrachte, der Stiefvater Minister für ausländische Angelegenheiten. Über ihr Leben veröffentlichte die priviligierte Huan Hung, heute 44, die Autobiographie ,,A Wayward Girl From an Aristocratic Family'', ein nationaler Bestseller. ,,Ich glaube, dass den Chinesen eine Prise Materialismus und Eigennutz nicht schaden würde. Den Gemeinschaftssinn werden sie schon nicht verlieren.''

Ihr Traum ist, dass China in allen Bereichen den Anschluss an die westliche Welt erreicht, ,,auch und gerade im Lifestyle-Bereich''. In dem Magazin i-Look, das großformatig ist und ein unaufgeregtes, modernes Layout hat (der Art Director ist Österreicher), werden daher auch die richtigen Umgangsformen erklärt, aus welchem Glas man Champagner trinkt, wie man überhaupt Besteck richtig benutzt. Seit kurzem wird iLook auch als Fernsehformat über Satellit in 62 Städte übertragen.

Wie hoch der Schulungsbedarf ist, zeigen Trendläden wie das ,,Lan'', vor einigen Monaten in Peking eröffnet. Über die ganze vierte Etage eines Shoppingcenters spannt sich der Genusstempel, eine Seite Restaurant, eine Seite Bar. Designer Philipp Starck entwarf ein überbordendes Ambiente mit Kronleuchtern, Samtvorhängen, Ledersofas, schwebenden Gemälden in Goldrahmen, VIP-Räumen, Zigarren-Lounge und Austernbar. Das ,,Lan'' gehört zum ,,South Beauty Restaurant Empire'' von Madame Zhang, die in ganz China 29 Lokale betreibt. Alle nach dem Muster: westliches Design, östliches Essen, internationale Weine und ein extrem charmant holpernder Service trotz schwitzender Türsteher in dunklen Anzügen mit Headphones. Normale Chinesen trifft man hier nicht, Restaurants schließen gegen neun Uhr und selbst Hochzeiten gehen früh zu Ende.

Während die braven Chinesen also längst schlafen gegangen sind, hat die Nacht im VIC's gerade angefangen. Es ist die Warm-up-Party am Abend vor dem Freitagsclub auf dem Gelände des Workers Stadium in Peking, das gerade für die Olympiade umgebaut wird, und über die Baustelle donnern die Bässe aus dem Tanztempel: Goldie presents Rufige Kru with MC Lowqui und spielt alte Hits und neues Material, der Sound ist hart und fett.

Hier tanzt die junge, neue Szene Pekings, die im Schnellverfahren Styles durcharbeitet, Drum'n'Bass ist nur eine Spielart, nebenan legt ein junger Chinese auf, er mixt nicht mehr mit Vinyl, sondern bedient nur noch Computer, ein futuristischer Soundteppich webt sich durch den Raum, zwei Chinesinnen in schicken Teilen wippen distinguiert. MiuMiu oder Balenciaga? Nein, sie haben selbst genäht und gestaltet, auch den Schmuck. Vom Westen lernen und es besser machen? Die beiden zumindest: Sie sind bereit.

© SZ vom 22. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: