Bergsteigerfieber im Himalaya:Drama inklusive

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Das Dach der Welt zwischen Supermarkt und Tragödie: Immer mehr Extremsportler treibt es für viel Geld in tödliche Höhen.

Manchmal ist es purer Nervenkitzel, manchmal die Lust, die eigenen Grenzen abzustecken und manchmal eine unerklärliche Obsession: Es gibt viele Gründe, warum Menschen plötzlich die höchsten Berge der Erde bezwingen wollen - den Everest, den K2, den Lhotse oder den Nanga Parbat.

Der Niederländer Wilco van Rooijen: Er überlebte den Absturz vom K2 und wurde mit schweren Erfrierungen geborgen. (Foto: Foto: dpa)

Schon die Namen erzählen von großen Abenteuern. Wenn der Himalaya ruft, ist vielen Hobby- Bergsteigern heute sprichwörtlich kein Preis zu hoch, um sich von erfahrenen Alpinisten auf den Gipfel führen zu lassen. Aber kaum jemand kann dabei auf die Erfahrung eines Reinhold Messner oder eines Sir Edmund Hillary zurückgreifen.

Tragödien von immer größerem Ausmaß sind die Folge, wie das jüngste Drama am 8611 Metern hohen K2 mit mindestens elf Toten bewiesen hat. Die Kritik an kommerziellen Himalaya-Expeditionen, die bereits 1996 nach dem Desaster am Mount Everest mit neun Toten erstmals laut wurde, ist wieder aufgeflammt.

"Die Leute buchen heute sozusagen den "K2 inklusive", fast so, als hätten sie eine All-inclusive-Reise nach Bangkok gekauft", beklagt der Südtiroler Extremsportler Reinhold Messner. "Aber wer auf die Achttausender steigen will, der muss Eigenverantwortung mitbringen und fähig sein, in solchen Höhen selbstständig zu handeln."

Tödliche Trips für 40.000 Euro

Leider gebe es aber heute eine große Nachfrage nach solchen Trips, "und wo es eine Nachfrage gibt, da gibt es auch einen Markt, und der setzt mittlerweile sehr viel Geld um". Zwischen 30.000 und 40.000 Euro kostet eine Tour auf den K2, der Everest ist noch teurer.

Die Grundfehler der Hobby-Kletterer am Berg seien dabei immer die gleichen, 1996 wie auch heute: "Damals, am Everest, hatten ein Sturm und der Tod von zwei Bergführern zu der Tragödie geführt, am K2 war es eine Eislawine, die den Rückweg versperrte - Fakt ist, dass den Kletterern jeweils die Erfahrung fehlte, um sich selbstständig aus der Situation zu befreien", erklärt Messner.

In beiden Fällen sei es zudem ein viel zu großes Risiko gewesen, noch bei anbrechender Dunkelheit den Gipfelsturm zu versuchen: "Sowas ist reine Dummheit, das ist nicht professionell."

Anatoli Boukreev, der vor zwölf Jahren als Führer für das Mountain-Madness-Team an der Everest-Besteigung teilgenommen hatte und am 10. Mai mehreren Kunden in dem verheerenden Sturm das Leben gerettet hatte, kritisierte bereits damals den zunehmenden Andrang im Himalaya: "Anfang der 80er Jahre hätten Expeditionsbergsteiger und Träger, die sich während der Frühjahrssaison im Everest-Basislager zusammenfanden, in einem einzigen Waggon der Pariser Metro Platz gehabt.

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"K2 all inclusive"

1996 aber würden es insgesamt über 400 Menschen sein, die den Pfad heraufgestiegen waren und ihre Zelte aufgeschlagen hatten, was dem Platz das Aussehen eines Rockkonzert-Massenlagers verlieh", heißt es in seinem Buch "Der Gipfel". In diesem August war die Situation am K2 ähnlich, wenn nicht sogar schlimmer.

"Das Dach der Welt gleicht heute einem Supermarkt", kommentierte die Zeitung La Stampa. Der italienische Alpinist Fausto De Stefani, der alle Achttausender der Erde bezwungen hat, forderte bereits, die Fixseile - ohne die unerfahrene Bergsteiger keine Chance auf den Gipfel haben - abzumontieren: Diejenigen, die sich als Bergsteiger improvisierten, würden so abgeschreckt: "Ohne sich an etwas festzuhalten, schaffen sie den Abstieg nicht."

Die Teilnehmer kommerzieller Expeditionen müssen sich im Klaren darüber sein, dass sie im Himalaya erfrorene Gliedmaßen oder sogar den Tod riskieren.

Was ist es also, das sie auf die höchsten Gipfel der Welt zieht? "Ruhmsucht und übertriebener Ehrgeiz", meint der Schwede Fredrik Sträng (31), ein Augenzeuge und Helfer bei den Bergungsarbeiten am K2.

Was sie wirklich erwartet, ahnen allerdings nur die wenigsten: "Dies ist ein Berg, an dem man nicht ganze tote Körper findet. Hier findet man abgerissene Körperteile. So schlimm ist das." Sträng glaubt, dass vieles von dem, was passiert ist, vermeidbar war. "Deshalb empfindet man jetzt eine Mischung aus Zorn und Trauer."

© dpa/Carola Frentzen/mmk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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