Arved Fuchs:Mit Herrenblick in die Ferne

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Arved Fuchs ist schon lange mehr als ein Abenteurer: Er versteht sich als Lobbyist der Arktis - und bricht mit seinem Schiff bald wieder auf.

Birgit Lutz-Temsch

Ganz oben kitzelt es dann doch kurz im Bauch. Ganz oben am Mast, noch über der Eistonne, in der, gut gelaunt, Arved Fuchs sitzt. Er hält nicht nach Eis Ausschau, wofür das Krähennest eigentlich gebaut ist. Denn es ist zwar nicht warm in der Flensburger Förde, aber Eis treibt dann doch keines rings um die Dagmar Aaen. In der Eistonne sitzt Fuchs zum Spaß und weil es ein schönes Motiv ist: der Abenteurer an einem abenteuerlichen Platz.

Arved Fuchs steht zu seinem Holzschiff - den großen Pötten mangele es an Seele. (Foto: Foto: bilu)

Etwa 15 Meter sind es bis in den luftigen Ausguck, in dem die Eiswache auf den weiten Polarfahrten der Dagmar Aaen die Schollen beobachtet, denen der Steuermann ausweichen muss.

Das ist das eigentliche Abenteuer: die Dagmar Aaen ist ein fast 80 Jahre altes Holzschiff, ein so genannter Haikutter, der früher zum Fischfang verwendet wurde. Mit einem solchen Schiff durch Eis zu fahren, in Zeiten, in denen es Eisbrecher gibt - das ist, um es vornehm zu sagen, ungewöhnlich. Wer fährt heute noch mit einem Holzschiff in Gewässer nördlich der Polarkreise, wo doch so viele der Entdeckerschiffe jämmerlich zerquetscht wurden in gewaltigen Eispressungen? Heute gibt es Eisbrecher, diesel- und atombetrieben.

Aber für die hat Fuchs nichts übrig: "Da macht man auch viel kaputt", sagt er, "wenn alles so leicht und für jeden erreichbar wird", und außerdem mangele es den Pötten an Seele. Was er damit meint, erfährt man, als er zur Begrüßung an Bord sein neues Buch aufklappt (Kein Weg zu weit. Die Geschichte der Dagmar Aaen; Delius Klasing). Und Ringelnatz rezitiert. Das hätte man nicht gedacht, von einem bärtigen Mann, der monatelang durch Kälte und Eis gezogen ist.

Doch in dem kurzen Gedicht "Segelschiffe" steckt wohl vieles von dem, was die Dagmar Aaen für Fuchs ist. "Sie haben das mächtige Meer unterm Bauch und über sich Wolken und Sterne. Sie lassen sich fahren vom himmlischen Hauch mit Herrenblick in die Ferne", heißt es da.

Fuchs' Herrenblick in die Ferne hat die Dagmar Aaen weit gebracht, seit er den Haikutter 1988 kaufte, zusammen mit drei anderen, damals noch für 75.000 D-Mark. In der Wewelsflether Peterswerft findet er einen Liegeplatz für die Dagmar Aaen und ihre Umbauten. Und packt selbst mit an: Der in Bad Bramstedt bei Hamburg geborene Fuchs hat eine Ausbildung bei der Handelsmarine hinter sich und Schiffsbetriebstechnik studiert. Aus der Dagmar Aaen will er ein Schiff machen, das ihn in Regionen bringt, in die sonst kaum einer kommt.

Die Arktis hat ihn gepackt und lässt ihn nicht los, er will den alten Expeditionen folgen, auf Spurensuche gehen, und dabei auch auf die Folgen des Klimawandels hinweisen. Fuchs ist schon lang nicht mehr nur Abenteurer: Seit geraumer Zeit versteht er sich auch als Botschafter für die arktische Region. "Ich muss mir ja sportlich nicht mehr beweisen, dass ich drei Monate einen Schlitten ziehen kann", sagt er, während er entspannt am Steuer der Dagmar Aaen steht.

"Ich habe auf meinen Touren die Region dort oben kennenlernen dürfen, und ich mag die Natur und die Landschaften. Ich bin deshalb schon so etwas wie ein Lobbyist für diese Regionen und auch für die Menschen die dort leben und die mit den durch die Erderwärmung entstehenden Veränderungen als erstes konfrontiert werden."

Zigmal bereist er den Arktischen Ozean und hält nach seinen Reisen Vorträge. Dabei ist Fuchs kein lauter Mensch, aber einer, dem man zuhört, wenn er zu erzählen beginnt. Es geht ihm weniger oder nicht nur darum, seine gloriosen Taten darzustellen - er will von dort oben berichten, will mitteilen was er sieht und was passiert. Deshalb hält er auch Jugendcamps ab, in denen er dem Nachwuchs zeigt, was der Klimawandel anrichtet in der Arktis.

So sicher wie Nansen

Damit ihn die Dagmar Aaen zuverlässig in die Arktis und Antarktis bringt, hat er das Schiff solide umgebaut. Aus dem Schiffsrumpf hämmert er eigenhändig den Beton heraus, mit einem großen Presslufthammer. "Das war die härteste Arbeit", sagt er im Rückblick, "aber es hat sich gelohnt: Wir haben dadurch gesehen, dass die darunter liegenden Planken noch intakt waren. Und fanden die Idee, den Rumpf mit Beton zu füllen, gar nicht so schlecht, wegen der kommenden Eisfahrten, das gibt dem Schiff Stabilität", erklärt Fuchs.

"Wir haben die Dagmar Aaen außen mit einer drei Millimeter dicken Aluminiumhaut geschützt, damit das Holz nicht durch das scharfe Eis aufgekratzt wird. Wenn aber doch eine Planke eingedrückt werden sollte, passiert deswegen noch nichts - Beton kann man nicht zusammendrücken. Die Dagmar Aaen wird dem standhalten können."

Wie Fuchs so an Deck steht, zufrieden und in sich ruhend, und die Stärke seines Schiffs rühmt, meint man, Fridtjof Nansen vor sich zu sehen, der seine Fram eigens für die Eisfahrt konstruieren ließ und ebenso überzeugt war, dass das Schiff alle Pressungen würde aushalten können.

Und genauso wie damals die Fram hat sich die Dagmar Aaen bislang brav über die sich übereinander schiebenden Schollen auf die Eisoberfläche gehoben, wenn das Eis zu wüten begann. "Aber das ist nicht lustig", sagt Hans-Joachim Karpus, der seit 1996 zur Crew der Dagmar Aaen gehört. "Da wirken riesige Kräfte und das Eis kracht und knirscht, da sind alle hellwach."

Es steht auch schon eine neue Reise an: Im Juni wird sich Fuchs aufmachen nach Westgrönland, auf den Spuren der Greely- oder auch Lady-Franklin-Bay-Expedition, eine jener Expeditionen, die einen grausigen Ausgang nahmen und bei der die verhungernden Teilnehmer am Enge ihre bereits verstorbenen Kameraden verspeisten. "Wir haben viel recherchiert; man weiß ja nicht viel von dieser Expedition, aber es ist eine sehr spannende und tragische Geschichte."

Fuchs sagt oft "Wir" und selten "Ich". Ohne seine Crew, das weiß er, könnte er seine Vorhaben nicht umsetzen, und die Crew wäre ohne ihn ebenso verloren. Trotzdem ist klar, wer hier der Kapitän ist: Wenn Fuchs Befehle gibt, wird schnell reagiert und man kann sich durchaus vorstellen, dass es ihm auch mal zu langsam zugehen kann, und er dann nicht mehr gepflegt Ringelnatz rezitiert.

Hat er das damals schon gedacht, als er die Dagmar Aaen zum ersten Mal sah, dass er so weite Reisen machen würde mit ihr? "Oh, in meinem Kopf war das alles schon ganz genau!", sagt er ohne Zögern. Schließlich heißt es in der letzten Strophe des Ringelnatz-Gedichts: "Es rauscht wie Freiheit. Es riecht wie Welt. - Natur gewordene Planken sind Segelschiffe. - Ihr Anblick erhellt und weitet unsre Gedanken."

© SZ vom 06.04.2009/bilu/mmk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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