Spielplatz für Erwachsene:Baggern wie blöde

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Zurück in den Sandkasten: Auf dem "Männerspielplatz" in Großalmerode matschen Erwachsene mit Baumaschinen im Dreck herum.

Titus Arnu

Auf der braungebrannten Stirn von Andreas Arnold bilden sich kleine Schweißperlen. Der 27-jährige Student trägt eine dunkle Sonnenbrille, aber man sieht trotzdem deutlich, wie seine Augen strahlen. Er sitzt am Steuer einer gelben Planierraupe vom Typ Komatsu 41P und verschiebt einen gewaltigen Haufen Dreck von links nach rechts. 30 Leute schauen ihm dabei zu. Arnold macht mit Begeisterung alles platt, er winkt aus dem Seitenfenster seinem Hund und seiner Freundin zu. Die lächelt verständnisvoll: "Ich find's süß, wie er sich freut." Vorsichtshalber hat sie sich etwas zum Lesen mitgebracht, der Tag kann lang werden.

Ein Tag im Matsch: Susanne Privat hat ihrem Mann Markus den Freizeitspaß auf dem Erwachsenenspielplatz in der Nähe von Kassel geschenkt. (Foto: Foto: Arnu)

Andreas Arnold darf einen Samstag auf dem Männerspielplatz verbringen, das hat er von seiner Familie zum Geburtstag bekommen. 18 Stationen gibt es auf dem ,,Actionground'' bei Großalmerode, und die Planierraupe war erst die zweite. Es warten noch der Kettenbagger, der Mini-Bagger, der Traktor, die Rüttelplatte, der Unimog, der Jeep, die Rüttelwalze, der Quad, der Kran und der Radlader. Arnold ist extra mit Freundin und Hund aus Frankfurt angereist, und jetzt will er den Tag auch genießen. Die Planierraupe war ein großartiger Anfang, findet er: "Diese Kraft, diese Größe, diese Power - das macht einfach Spaß."

Auf dem Männerspielplatz, einem ehemaligen Fabrikgelände östlich von Kassel, werden Kinderträume wahr. Es geht dort genauso zu wie früher im Sandkasten, nur ist alles viel größer und lauter. Große Jungs spielen mit sehr großen Baggern in einem sehr großen Dreckhaufen. Und zahlen dafür eine Menge Geld: Ein ganzer Tag kostet zwischen 80 und 335 Euro. Den ,,Männerspielplatz Spezial''-Gutschein gibt's für 175 Euro, am teuersten ist die Königsdisziplin: "Mit dem Bagger ein Auto platt machen!"

Sind das Alternativen zum Abenteuerurlaub - oder ein weiteres Symptom der fortschreitenden Infantilisierung unserer Gesellschaft? Es ist ja seit Jahren zu beobachten, dass die Pubertät bei manchen Leuten immer länger dauert, teilweise bis kurz vor die Rente. 40-jährige Frauen laufen mit bauchfreien T-Shirts im Büro herum, 45-jährige Abteilungsleiter tragen die gleichen Schlabberjeans und Turnschuhe wie 15-Jährige, 50-jährige Politiker lassen sich liften und färben sich die Haare. Diese These wird von Forschungsergebnissen der Soziologie gestützt: Die sexuelle Reife tritt immer früher ein, die soziale Reife immer später. Erwachsene leben und fühlen wie Jugendliche, manche bleiben für immer Kindsköpfe. Für genau diese Zielgruppe scheint der Erlebnispark im Hessischen gemacht zu sein.

Sie schaut zu und findet ihn niedlich

Ein Samstagmorgen um zehn, die Wiese am Waldrand ist voll geparkt mit Autos und Motorrädern aus ganz Deutschland. Es riecht nach Diesel, Bratwurst und Zigarettenrauch. Männer in blauen Arbeitshosen, grobstolligen Arbeitsschuhen und ledernen Arbeitshandschuhen stiefeln auf Schutthaufen herum, brettern mit Quads durch Matschlöcher und wischen sich mit dem Handrücken Schlammspritzer aus dem Gesicht. 90 Prozent der Besucher seien Männer von 18 bis 80 Jahren, sagt Spielplatz-Leiter Gerhard Toby. Voraussetzung: Man muss einen Führerschein besitzen und sich vorher anmelden. Manchmal wollen auch Frauen baggern, aber meistens schauen sie lieber ihren Männern beim Spielen zu.

So wie Susanne Privat, die hochschwanger ist und ihren Mann Markus Privat beim Buddeln beobachtet. Sie hat ihm den Tag zum Geburtstag geschenkt, eigentlich hatte sie im Internet nach einer Möglichkeit gesucht, einen amerikanischen Riesentruck zu mieten, dabei stieß sie auf den Männerspielplatz. Ihr Mann spielt im Landesorchester Rheinland-Pfalz Trompete, was auf den ersten Blick eine viel feinsinnigere Tätigkeit zu sein scheint als Baggern. Aber das Bedienen der tonnenschweren Stahlschaufel sei dem Spielen einer Trompete gar nicht so unähnlich, sagt Markus Privat. "Da kommt es genauso auf Fingerspitzengefühl an."

Dieses Gefühl haben nicht alle: Drei Mechaniker sind unter der Woche damit beschäftigt, die Vehikel zu reparieren, die von Hobby-Bauarbeitern am Wochenende ramponiert wurden. Tobys Event-Firma besitzt 20 Großmaschinen, 35 Quads, 11 Motorräder und 11 Jeeps. An jeder Station des Spielplatzes steht ein Instruktor bereit, um den Männern die Grundzüge des Grabens, Walzens oder Kranfahrens beizubringen.

Bis zu 80 Teilnehmer kommen an Wochenenden aus ganz Deutschland nach Großalmerode, die meisten mit Familie oder Freunden als Zuschauer. Viele haben Pausenbrote und Kaffee in Thermoskannen mitgebracht. Vor einem gelben Riesengerät an der Station 1 bildet sich meistens die längste Warteschlange. Die Monstermaschine wiegt 32 Tonnen und wird mit zwei Joysticks bedient. Der Komatsu PC 210 LC, ein mittelgroßer Kettenbagger, ist der Ferrari unter den Baumaschinen, mehr noch, er ist besser als ein Ferrari. "Einen tollen Sportwagen kann man sich mieten", sagt Baggerfan Andreas Arnold, "einen Kettenbagger normalerweise nicht."

Das leuchtet vielleicht noch ein, aber was ist bitte an einer Rüttelwalze so aufregend? Die Rammax RW 1402 hat vier Walzenräder, die mit stählernen Noppen besetzt sind, das Gerät dient im Straßenbau dazu, Schotter zu verdichten. Was würde ein Bauarbeiter dazu sagen, wenn er sieht, dass Leute viel Geld dafür bezahlen, um in ihrer Freizeit mit dem monströsen Rüttelding durch die Gegend zu wackeln? Viele Männerspielplatz-Besucher arbeiten sonst am Schreibtisch und wollen unbedingt mal erfahren, wie es ist, etwas materiell zu bewegen, und sei es nur ein Haufen Humus.

Bernhard Kress hat früher als Bergmann selbst mit Großmaschinen zu tun gehabt, aber nie mit Baggern. Jetzt ist er pensioniert und hat von seiner Familie einen Action-Tag zum 60. Geburtstag bekommen. "An den Baustellen schaut er immer nach den Baggern", sagt seine Tochter in nachsichtigem Ton. "Allein die Größe und das Gewicht der Geräte fasziniert mich", sagt Bernhard Kress, "das ist überwältigend, wirklich überwältigend."

So geht das den ganzen Samstag lang. Die Männer graben, schieben, pflügen und matschen, die Frauen lächeln, filmen, lesen, rauchen und trinken Kaffee. Andreas Arnold ist mittlerweile bei Station 17 angekommen, dem Quad-Geschicklichkeits-Parcours. Er hüpft mit dem geländegängigen Mobil über Schanzen, fährt Slalom und balanciert damit über eine Wippe. Es ist wirklich wie früher auf dem Spielplatz. Der Unterschied: Heute schimpft Mutti nicht.

© SZ vom 26.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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