Lampen-Design:Bezaubernd banal

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Aus einem Sammelwahn wurde Kunst: Stuart Haygarth macht Lampen aus Schrott. Eine Stippvisite in London.

Ingo Petz

Manchmal braucht es eine Jahrtausendwende, um auf eine gute Idee zu treffen. Als Stuart Haygarth am Tag nach der 2000er-Millenium-Feier durch London spazierte, waren die Straßen von Party-Poppern in Form von Sektflaschen übersät.

PET-Flaschen, Brillen- und Weingläser - Stuart Haygarth verwandelt fast alles in Lampen. (Foto: Foto: oh)

Haygarth, der damals bereits seit 15 Jahren als Fotograf und Illustrator arbeitete, sammelte Tausende der bunten Flaschen ein. "Diese leeren Fläschchen in den Straßen zu sehen, hatte etwas Schönes", erzählt der heute 42-Jährige. "Sie hatten solch eine historische Signifikanz - weil sie alle zur selben Zeit explodiert sind und alle aus demselben Grund. Davon fühlte ich mich inspiriert - ohne zu wissen, was ich damit anfangen sollte."

Es dauerte vier Jahre, bis Haygarth die zündende Idee hatte. Mittlerweile hatte er seinen Job satt. Er war auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Er hatte all dieses Zeugs gesammelt. Nicht nur Party-Popper.

Auch Gläser, buntes Glas, Spielzeug, Figuren, Dosen oder Eierbecher - jahrelang hatte er Flohmärkte besucht, auch den Strand in Kent bewandert und dort immer wieder das mitgenommen, was ihm das Meer vor die Füße spülte.

Aus dem Zivilisationssammelsurium begann Haygarth Lüster zu bauen - große magische Lüster, die heute im Design Museum London hängen oder auf der Design Miami präsentiert werden, einer der wichtigsten Kunstmessen der Welt. 1000 Sektfläschchen verbaute Haygarth 2005 in dem "Millennium Lüster", der einem futuristischen Lampion ähnelt. Das kleinteilige Strandgut verarbeitete er schwebend wie in einem Mobile in dem runden "Gezeiten Lüster".

Auch aus kunstvoll arrangierten PET-Flaschen, Brillengläsern oder Weingläsern bastelte Haygarth Kronleuchter, die unverschämt gut aussehen und dem Betrachter einiges zu denken geben.

Aus der Ferne erscheinen die Leuchter wie ästhetisch-anspruchsvolle Retro-Arbeiten, die den Sechzigern und Siebzigern huldigen. Nähert man sich ihnen aber, erkennt man schließlich die einzelnen Bestandteile, aus denen sie gefertigt sind - und damit auch Geschichten.

Geschichten über die Vergänglichkeit, Verschwendung, die Schnelllebigkeit oder die Schönheit des Banalen und des Handwerks. Genug Zunder für ein glitzerndes Assoziationsfeuerwerk also.

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Geheimnisvolle Leuchter

So etablierte sich Haygarth in Schallgeschwindigkeit als Designer neben Namen wie Max Lamb oder Zaha Hadid und einer jungen Generation, die häufig als Öko-Designer bezeichnet wird.

Eben weil sie aus Schrott Design-Kunststücke zaubert. Der Umwelt-Aspekt sei ihm schon wichtig, sagt ein grundsolider Haygarth in seiner Werkstatt im Londoner Stadtteil Hackney, aber er sei nicht der Ausschlag gebende Grund, weshalb er diese Leuchter baue.

"Als Fotograf hat mich immer das Licht interessiert. Zudem mag ich Kunst und qualitativ hochwertige Handarbeit. Dinge, die gut aussehen." Die Leute interessierten sich wieder für gut gemachte, aufwändige Arbeiten, erklärt sich Haygarth seinen Erfolg. "Und so wie ich Alltagsgegenstände arrangiere und ihnen eine neue Signifikanz verleihe, bekommen die Leuchter wohl etwas Geheimnisvolles und Kraftvolles."

Haygarth sieht sich an der Schnittstelle zwischen Design und Kunst. Gekauft werden die Leuchter von Sammlern, Galerien oder Museen. 30.000 Britische Pfund hat ihm ein Lüster auf einer Auktion mal eingebracht. Vom Fließband gibt es Haygarths leuchtende Kleinstwelten also nicht. "Ist das etwa eine Frage?", sagt er und lächelt.

© SZ vom 10./11.01.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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