Zum Tod von Russ Meyer:Ein saftiges Stück Americana

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Der König der wilden Highway- und Busenfilme, ist gestorben.

Von Fritz Göttler

Mudhoney war mein erster Russ Meyer, "Mudhoney - Rope of Flesh". Das war in den Siebzigern, als noch wirklich Kino gemacht wurde in München und der Mann Meyer im Münchner Türkendolch wiederbelebt wurde - seine Filme waren gerade richtig, im Nachtprogramm, um einem vibrierenden Tag in der Uni oder anderen Betrieben einen knalligen Ausklang zu verschaffen.

Mudhoney, das war reine Poesie, diese Sinnlichkeit schon im Titel, und der Film war dann überraschend schön und von einer verzaubernden Naivität - alles andere als ein sinnloses Sex-Spektakel. Nein, "Mudhoney" war ein saftiges Stück Americana, gut abgehangen, mit einem eifernden Prediger, naiven Jünglingen, prallen Blonden. Americana pur!

Sein Schöpfer war Russel Elvan "Russ" Meyer, geboren 1922 in Oakland, Kalifornien, der Vater Polizist, die Mutter Krankenschwester - ein Großvater kommt aus Kassel.

Business perfekt bedient

Ein Sexfilmemacher mit bestem Leumund, hat Frieda Grafe damals süffisant geschrieben. Diesen Leumund hat er bekommen, weil er in allem, was er tat, sein Business perfekt bediente und zugleich mit einem schönen Touch Ironie versah. Sein professionelles Saulus/Paulus-Erlebnis hatte er, als er 1959 in vier Tagen "The Immoral Mr. Teas" drehte, für etwa 25.000 Dollar - die Phantasien eines Narkosepatienten in einer Zahnarztpraxis brachten eine Million Dollar Einspiel.

Damit war einer der großen unverwüstlichen Independents des amerikanischen Kinos geboren, ein Mann, der künftig als Drehbuchschreiber, Regisseur, Produzent und Verleiher wirken sollte und sich um die Lästigkeiten der Zensur, mit denen die großen Studios sich herumschlagen mussten, nicht kümmern musste. Sogar politische Inkorrektheiten waren bei ihm drin - ein blutiger Sklavenaufstand auf einer Plantage in "Blacksnake", mit sadomasochistischem Pomp inszeniert, oder ein ominöser Martin Borman, der in "Supervixens Eruption" auftaucht.

Wie Sam Fuller scheint er von den Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg nachhaltig beeinflusst zu sein - die Art, Ereignisse und Stimmungen auf den Punkt zu bringen, ist bei beiden ziemlich die gleiche. Meyer hat in der Normandie gefilmt und in den Ardennen, nach dem Krieg hat er dann Centerfolds für den Playboy geschaffen oder Industriefilme gedreht oder Standfotograf gemacht bei Dreharbeiten zu Hollywoodfilmen wie "Giganten" - einer, der sein Handwerk von Grund auf lernte.

Anders als Roger Corman, die große Gegenfigur des unabhängigen Kinos damals, der auch auf Distanz gehen konnte und als Produzent junge Talente förderte, hat Meyer immer die Lust verspürt, selbst am Drehort tätig zu werden. Und seine Talentsuche war vor allem bei den Frauen erfolgreich, die er prominent präsentierte in Klassikern wie "Lorna" oder "Im Garten der Lust", "Motor Psycho - Wie wilde Hengste" oder "Faster, Pussycat! Kill! Kill!". In Stripclubs und anderen Lokalitäten holte Meyer sich seine Stars, Kitten Natividad, Lori Williams, Tura Santana, Haji ... höchstens Fellini hat eine üppigere Kollektion zustandegebracht.

Russ Meyer ist dann schnell zu einem eigenen Mythos geworden, und er hat selbst einiges getan, um diesen Mythos kräftig zu beleben. Er fing an sich selbst zu imitieren, zu übertreffen, zu parodieren - und die involvierten Vixens wurden Mega und Super. Unter den Leuten, die er für die Scriptarbeit rekrutierte, gehören auch Amerikas Filmkritiker-King Roger Ebert - "Blumen ohne Duft" - oder der junge Rem Koolhaas.

Meyer kam schließlich im MoMA in New York zu Ehren und in der Pariser Cinémathèque Française, begann an seiner Autobiografie zu basteln - ein Akt der Selbstdarstellung, wie er eher bei monomanischen Künstlern begreiflich wäre als beim lebenslustigen Filmemacher. Er hat sich immerhin dem Projekt nicht sklavisch unterworfen, durch Terminzwänge: "Ich weigere mich, mit Fischen und Frauen aufzuhören und mit epikuräischen Mahlzeiten, ich werde es mir weiter gut gehen lassen - es wird eben fertig sein, wenn es fertig ist."Am vorigen Samstag ist Russ Meyer im Alter von 82 Jahren in seinem Haus in den Hollywood Hills bei Los Angeles gestorben.

© SZ vom 23.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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