Zum Tod von Charlton Heston:Agonie und Ekstase

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Mit seinen Rollen in "Die Zehn Gebote" und "Ben Hur" wurde Charlton Heston zur Kinolegende, später wurde er zum sturen Waffenlobbyisten. Ein Nachruf auf einen Weltstar, der verbissen an seinen Idealen festhielt.

Fritz Göttler

Seine erstaunlichste, abgründigste, komischste Rolle ist wohl der Inspektor Vargas, in "Touch of Evil", dem sinistren Film-noir-Meisterstückchen von Orson Welles. Der hat dem Mann, bei dem einem heutzutage fast automatisch das Beiwort "amerikanisches Urgestein" einfällt und der den wilden, ungehobelten, anarchischen Amerikaner verkörperte wie kein zweiter, das Haar tiefschwarz gefärbt und pomadisiert und ihm ein Bärtchen angepappt - und tatsächlich einen Latino spielen lassen.

Mit seiner Rolle als Mose in "Die Zehn Gebote" erlangte Charlton Heston Weltruhm. (Foto: Foto: AP)

Zu Beginn des Films hat er eben eine Amerikanerin geheiratet, und als er an der Grenzstation zwischen Mexiko und den USA seine Frau, Janet Leigh, küssen will, fliegt ein Wagen neben ihnen in die Luft. Die Hochzeitsnacht muss aufgeschoben werden, der Drogenfahnder Vargas zieht los und muss seine Frau einem schlimmen Schicksal überlassen. Das war im Jahr 1958, also ziemlich genau zwischen den beiden Rollen, die den Sockel legten für den Platz von Charlton Heston in der Filmgeschichte: als Moses in "Die zehn Gebote", 1956, und als Ben Hur, 1959.

Zu naiv und gutgläubig

Ein maliziöser Trick, wie der von Hollywood geschasste Orson Welles sie gern spielte, und Charlton Heston spielte mit. So nah am Komischen war er erst Jahrzehnte später wieder, 2001, als er in dem verunglückten Warren-Beatty-Projekt "Town & Country" mit der Flinte in der Hand die Unschuld seiner Filmtochter zu verteidigen suchte - zu einer Zeit, da der einstige Kinostar nur noch als Vorsitzender der National Rifle Association mit unglückseligen Parolen durch die Schlagzeilen geisterte: "Nur aus meinen kalten, toten Händen ..." war die notorische Formel, mit der er alle Versuche abschmetterte, ihn zum Niederlegen der Waffe zu bewegen. Kurz nach dem Massaker in Columbine hatte die NRA ihren Jahreskongress, und Heston wollte nicht mal dann auf seinen Auftritt verzichten.

Zeitlebens ist ihm unterstellt worden, dass er nicht immer mitbekam, was andere mit ihm anstellten - um ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Dass er einfach zu naiv war und gutgläubig sein Credo verfocht, seine strengen Vorstellungen und Überzeugungen. Legendär und mindestens ebenso maliziös wie der Trick von Welles ist, wie Gore Vidal ihn austrickste, als er in Cinecittà das Script für "Ben Hur" völlig umkrempelte und die latente, aber nicht wirklich übersehbare homosexuelle Beziehung zwischen Juda Ben Hur und seinem Jugendfreund Messala ausbaute.

Stephen Boyd, der Messala spielte, wurde über diesen erotischen Nebeneffekt ausführlich instruiert, gegenüber Charlton Heston - der später einen der elf Oscars des Films bekam - verlor man kein Wort. Aus dem Ungleichgewicht zwischen den beiden Darstellungen gewinnt der Film bis heute seine stärkste Kraft.

In den Jahren zwischen "Die zehn Gebote" und "Ben Hur" hatte das amerikanische Kino sich endgültig verändert. Das alte Studiosystem hatte seine Kraft verloren, die globale Macht, mit der es Geschichte auf die Leinwand brachte und Geschichte schrieb - an den beiden großen Heston-Rollen lässt sich dieser Paradigmenwechsel so deutlich ablesen wie nirgends sonst. Das alte zweidimensionale Epos hatte nun endgültig ausgespielt, und mit ihm sein großer Meister Cecil B. DeMille, der seit den Stummfilmzeiten Hollywood dominiert hatte. Es triumphierte nun die Sophistication, der junge Regie-Intellektuelle William Wyler, gebürtig in Mulhouse, Europa.

Was blieb, war Charlton Heston, ein Relikt, ein Monument des Widerstands in einer Welt, in der Amerika immer mehr von seiner Vormachtstellung verlor. Aber nichts konnte in den Sechzigern bleiben von jenem jugendlichen Heston der Fünfziger, der sich in bunten Abenteuern tummelte in aller Welt, den Inkaschatz suchte und den tödlichen Marabunta trotzte im brasilianischen Dschungel - ein Indiana Jones der Fünfziger Jahre, mit der gleichen Lederjacke ausgestattet und dem gleichen Wagemut, und Redheads an seiner Seite. DeMille, der ihn später zum Moses machte, hatte ihm eine erste Chance gegeben in "The Greatest Show on Earth", als Zirkusdirektor, Chef von Ringling, Barnum & Bailey.

Charlton Heston war damals ein überzeugter Demokrat. Er engagierte sich im Kampf gegen die Rassentrennung, war an der Seite von Martin Luther King beim Marsch von Washington 1963. In den Achtzigern erst kam der Gesinnungswandel, Heston engagierte sich nun für die Republikaner, kooperierte mit seinem Hollywoodfreund Ronald Reagan, pöbelte Bill Clinton an.

Die Crux des Idealismus

Fürs Feine und Feinsinnige war dieser Mann nicht zu haben. Auf der Bühne hielt er sich am liebsten an Shakespeare, mit dem er am Broadway begonnen hatte und zu dem er auch auf der Leinwand immer wieder zurückkehrte - bei einer "Antonius und Cleopatra"-Version hat er sogar selbst Regie geführt. Die Unerbittlichkeit, mit der in diesen Dramen das Schicksal waltet, hat ihm imponiert, das wilde Hin und Her zwischen Gesetzlichkeit und Anarchie kam ihm zutiefst amerikanisch vor.

Er hat die amerikanische Seele in "Planet der Affen" gar in ein verlorenes Paradies zurückverpflanzt, das Züge des Kreationismus trug. Es war archaisch, dieses Gesicht - der kantige Kiefer, die zerklüfteten Züge, zum Monument versteinert, die tiefliegenden Augen, die von starken Stirnknochen geschützt sind gegen die Sonne. Eine Mischung aus Moses und Mount Rushmore (er hat den siebten Präsidenten Andrew Jackson verkörpert, und das gleich zweimal!) und Michelangelo, den er spielte in "The Agony and the Ecstasy".

Wenn man dieses Gesicht sieht, weiß man, wieso die Amerikaner sich als das erwählte Volk der Neuzeit, ihr Amerika als das neue Gelobte Land erleben. Und weiß, woher der Furor kommt, mit dem sie für ihre Ideale kämpfen. Es ist die Crux mit allen Idealen, mit dem Idealismus an sich, die in dieser Karriere zum Ausdruck kommt. Dass selbst der Kampf für die Freiheit, für die Grundrechte in die Deformation führen kann - dass am Grund der Zivilisation die Paranoia lauert. Da wirkt dann Michael Moore, wenn er am Ende von "Bowling for Columbine" den alzheimerabsenten Heston heimsucht und mit Fragen peinigt, wie ein müder Querulant. Am Samstag ist Charlton Heston im Alter von 84 Jahren in Beverly Hills gestorben.

© SZ vom 07.04.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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