Youtube und Co. rätseln:Was ist Sex?

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Das nächste Jahr wird bestimmt verhüllter: YouTube und Co. fragen sich gerade, was sie bannen sollen. Und wie Sperr-Automatismen künftig funktionieren müssen.

Bernd Graff

Eine der wenigen ernstzunehmenden Charakterisierungen des Internets lautet: Wenn man aus dem Web alle Server entfernen würde, auf denen Sex in all seinen Darreichungsformen angeboten wird, dann blieben nur noch Webseiten übrig, auf denen steht: Gebt uns den Sex in all seinen Darreichungsformen zurück! Im Kern ist die Behauptung zutreffend. Eine der treibenden Kräfte des Internets ist - wie im richtigen Leben auch - die Libido. Darum ist es nicht verwunderlich, dass sich die Seiten von Nutzer-Netzwerken und Videoplattformen wie YouTube über kurz oder lang damit auseinandersetzen müssen, welche Inhalte sie noch tolerieren wollen und wo eine Grenze überschritten wird.

Den Filmchen-Titel sehen und verstehen - hier geht es um das Eine, das indes nie gezeigt wird. (Foto: Foto: Youtube)

So wird YouTube schon seit geraumer Zeit von Filmchen geflutet, die alle Spielarten erotischer Animation durchdeklinieren, dies allerdings gerade noch verhüllt mit aufreizenden Lingerie-Produkten. Zumeist wird in diesen Filmen, deren Titel aus einschlägigen Suchbegriffen bestehen, Werbung für eindeutige Seiten im Internet eingeblendet. Und damit nun wirklich jeder kapiert, um was es in den Filmen gehen könnte, wird jenes Szenenbild, das sich exakt in der Mitte des Films befindet, wie eine pornographische Gemme gestaltet und eingeblendet - auch wenn es mit der filmischen Umgebung gar nichts zu tun hat. Das geschieht, weil ebendiese Filmmitte das Vorschaubild stellt, mit dem der Film bei YouTube gelistet wird.

Damit aber soll nun Schluss sein - und nicht nur bei YouTube. Den Auftakt zur Säuberung der Plattformen machte zu Adventsbeginn die Geschäftsführerin von Ning.com, Gina Bianchini. Ning, gegründet von Netzpionier Marc Andreessen, versteht sich als Plattform für Mikro-Netzwerke zu beliebigen Themen. Doch eben nicht länger für alle Themen. Anfang Dezember verkündete die Leiterin " das Ende des Red-Light-Districts". Mit Beginn des nächsten Jahres wolle man keine Erwachsenen-Netzwerke unter dem Ning-Schirm mehr dulden. Die Begründung hierfür fiel indes recht halbherzig aus. Vor allem deshalb, weil Galionsfigur Andreessen noch im Januar die Losung ausgegeben hatte: "Ning ist nicht Pro Porno, wenn es Erwachsene unter seinem Dach tun lässt, was sie eben wollen." Nun aber heißt es: "Unsere Anzeigenkunden sind keine großen Fans von Erwachseneninhalten."

Kurz darauf annoncierte auch YouTube die striktere Einhaltung von Standards. So werden künftig alle suggestiven Inhalte mit Altersbeschränkungen versehen. Zudem wolle man Algorithmen installieren, die eindeutige Inhalte automatisch entfernen und die Vorschaubilder selber generieren.

Die Menge Blut entscheidet

Es erhebt sich jedoch die Frage: Wie handhabt man die Kriterien im konkreten Fall? Und was soll es bedeuten, wenn etwa die Ning-Dame ankündigt: "Wir sperren Seiten mit pornographischen Inhalten. Aber nicht nur."

Michael Arrington, Star-Blogger von TechCrunch, lästert bereits, dass man nun zwar Nudisten-Videos und Mutterbrüste, Abbildungen der Kunst und aus klinischen Katalogen dulde, aber eben keine Centerfolds mehr. Dabei fielen Letztere in der Darbietung körperlicher Präsenz doch oft harmloser aus. Was ist mit Trickfilmen? Und was ist mit der Darstellung von Gewalt: "Wer misst die Menge an vergossenem Blut, von der an man sagen würde, das ist jetzt aber Erwachseneninhalt?"

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