Witzforschung:Heranpirschen

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Gerhard Polt und Christoph Well feiern den bairischen Humor

Von Bernhard Blöchl, München

Und so ist es mal wieder Oskar Maria Graf, bei dessen Gedanken einem ein Licht aufgeht. Christoph Well liest einen Text des scharfsinnigen Schriftstellers aus dem Jahr 1961 vor; in der Abhandlung über bairischen Humor heißt es an einer Stelle: "Weitschweifigkeit oder, besser, das langsame, leicht umständliche Heranpirschen an das Eigentliche einer Sache gehört zu unserer Natur." Und wenig später: "Wir sind für das Kommode. ,Kamott', wie wir es aussprechen." Genau, denkt der Besucher in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, so ergibt auch die Dramaturgie des Programms einen Sinn. Denn wie sich Gerhard Polt, 75, und sein Spezi von der Biermösl Blosn, 58, vor dem Graf-Text an ihr Thema Humor umständlich herangepirscht haben, um es dem Publikum sodann kommod zu machen, das war retrospektiv pfundig und ganz im Sinne Grafs.

Polt und Well, Mitglieder der Akademie, gestalten den Abend am Internationalen Tag der Muttersprache. "Keine Generalprobe, nichts Aufgewärmtes, exklusiv", wie Katja Schaefer, die Generalsekretärin eingangs betont. Die beiden bajuwarischen Bühnenmajestäten haben sich viel vorgenommen, das verrät schon der Titel: "Humor - ein Universum". Dem nähern sie sich zunächst spielerisch, maximal reduziert. Sie spannen eine Wäscheleine und behängen sie unbeholfen mit Requisiten. "Ein Luftballon, ein Luftschlangerl, und schon herrscht eine Bombenstimmung." Anschließend holt Gerhard Polt sehr weit aus, sozusagen heranpirschend, erzählt von einem Buch mit Witzen, die sich die Gefangenen in Auschwitz vorgetragen hätten, von Funktion und Geschichte des Humors und davon, wie stiefmütterlich der Humor in unserer Gesellschaft, konkret: in der Schule noch immer behandelt werde.

Den im Grafschen Sinne weitschweifigen Worten folgt enorm viel Karl Valentin: parodistische Volkslieder und Couplets, Gedichte und Briefe. Well singt und spielt die Diatonische, Polt liest mit der ihm ureigenen Körperlichkeit. In einem Brief aus dem Jahr 1939 schildert der vor 70 Jahren gestorbene Volkskomiker, wie auch er unter den Restriktionen der Nazis gelitten hat, gleichwohl "schlitzohrig blieb", wie Polt hervorhebt. Am meisten lacht das Publikum, und darum geht es ja an einem Abend über Humor, über Polt und Well pur, über deren eigene Werke also. Der Kabarettist bringt die "Generalprobe", seinen Monolog als Faschingsnarr aus dem Jahr 1983, den er mit dem Zusatz anreichert: "Mit der Me-Too-Sache, da muss man aufpassen." Well lässt einen neuen Starkbier-Rap folgen, in dem er Markus Söder als "bayerischen Brutus" tituliert. Nach diesen Höhepunkten folgt textlich Feines von Oskar Maria Graf. Herrlich!

Und weil bei guter Komik immer auch die Tragik lauert, endet der beglückende Abend mit einem Anflug von Traurigkeit. Ein Gast greift zum Mikrofon und stellt zurecht fest, dass das Dargebotene aus längst vergangenen Zeiten stamme. Und dass das Bairische verschwinde. Gerhard Polt gibt ihm recht und sagt: "Jede Gesellschaft hat die Sprache, die sie verdient." Dann wird getrunken. Prost!

© SZ vom 23.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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