Wissenschaftliches Kabarett:Komasaufen bei Kometen

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Die Science Busters stellen im Lustspielhaus die München-Edition ihres Programms "Bierstern, ich dich grüße" vor

Von Oliver Hochkeppel, München

Es war etwas ganz Neues, was von 2007 an im Radio und bald darauf auch auf den Kleinkunstbühnen Österreichs zu erleben war: die interdisziplinäre Kreuzung von Kabarett und Naturwissenschaft. Sicher, es gab und gibt Kabarettisten, die Physik oder Biologie studiert haben und daraus satirisches Potenzial schlagen, Vince Ebert oder Philipp Weber beispielsweise. Doch dass gestandene Professoren zusammen mit einem Kabarettisten aufklärerisches Infotainment machen, das gab es nur bei den Science Busters.

Das Klischee, dass Physik keinen Spaß macht, war vor elf Jahren die Antriebsfeder für Heinz Oberhummer, emeritierter Professor für theoretische Kern- und Astrophysik an der TU Wien, und seinen jüngeren Kollegen von der Universität Wien, den Experimental- und Neurophysiker Werner Gruber (seit 2013 auch Direktor des Planetariums und der Sternwarten Wiens), aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm auf die Kleinkunstbühne des Wiener Rabenhoftheaters hinabzusteigen. Fachlichen Beistand suchten sie sich dafür bei Martin Puntigam, akademisch zwar nur "ehemaliger Medizinstudent und Studienabbrecher der Uni Graz", wie er in seiner Kurzbio schreibt, dafür aber einer der besten und bösesten Satiriker Österreichs.

Als Science Busters brachen die drei die sonst in Formeln und Fachsprache gehüllten Gesetze des Universums auf den Alltag herunter, in immer skurrileren Variationen und Experimenten. Man rechnete die Kalorienzahl beim Jüngsten Gericht aus, stellte das Bermudadreieck im Aquarium nach oder krümmte Licht durch ein im Goldfischglas erzeugtes "Schwarzes Loch"; ihre Programme hießen "Wie sprenge ich einen Präsidenten - von Kofferbomben und Bombenkoffern", "Alien Invasion Austria - Gibt es Leben im All, wie schaut es aus und was nimmt es zum Aperitif?" oder "Crucifixion Party - Die Physik des Christentums". Insgesamt mehr als 70 verschiedene Abende bastelte man bisher zusammen, inklusive Silvester- und Sondereditionen. Auch ein "München special" befindet sich darunter; zum Oktoberfest-Jubiläum 2010 präsentierten die drei "Ozapft is - 200 Jahre Saufen, Schunkeln und Speiben für den Wirtschaftsstandort München". Der leidenschaftliche Koch Gruber - auch Autor des physikalischen Kochbuchs "Die Genussformel" - bereitete da zum Beispiel mit zwei Glühbirnen im "Styroporherd" ein Wiesn-Brathendl zu.

Gewürzt mit schwarzem Humor und aufklärerischem Furor gegen jede Art von Irrationalität von der Homöopathie bis zur Religion - Oberhummer gab als Vorsitzender des "Zentralrats der Konfessionslosen" ohnehin den Ober-Atheisten und Chef-Skeptiker Österreichs - sind alle Programme, dafür sorgt schon der gnadenlos sarkastische Puntigam. Und so bekam diese einzigartige Variante der Knoff-Hoff-Show für Skeptiker und Zyniker bald nicht nur die fälligen Auszeichnungen bis hin zum Österreichischen Kabarettpreis, sie gelangte auch in größere Hallen und ins Fernsehen - beim ORF hatten die drei zwischenzeitlich ihre eigene wöchentliche Sendung. Drei aus den Programmen abgeleitete Bücher wurden Bestseller, eines davon, "Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln", wurde "Wissensbuch des Jahres". Dann schlug die Natur zurück.

Nach einem Auftritt im September 2015 erlitt Gruber einen Herzstillstand, den er nur dank prompter Herzmassage durch seinen Kollegen Puntigam überlebte. Völlig überraschend starb dann Heinz Oberhummer im November 2015 an einer Lungenentzündung. Daraufhin gab Gruber, inzwischen mit einem Herzschrittmacher bestückt und kürzer tretend, im Februar 2016 seinen Rückzug bekannt. Das alte Trio ist also gesprengt, doch Martin Puntigam stellte die Sache einfach völlig neu auf: Die Science Busters machen seither als Team in wechselnden Besetzungen weiter, weswegen nun sogar vier Programme gleichzeitig im Repertoire sind. An Puntigams Seite treten dabei mal der Molekularbiologe (und "Science-Slam"-Europameister) Martin Moder, mal der Privatdozent für organische Chemie Wien Peer Weinberger, ganz neu die Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher, aber auch Kabarettkollege Günther Paal alias Gunkl, der herausragende Intellektuelle der Szene mit einem Faible für die Wissenschaften. Schon seit 2015 gehört der Astronom und Science-Blogger Florian Freistetter fest dazu, und auch der Professor für Wissenschaftskommunikation und Leiter des Geschmackslabors an der Universität Graz Helmut Jungwirth ist seit dem Neustart dabei.

Mit Freistetter und Jungwirth hat Puntigam im vergangenen Jahr die 500-Jahr-Feier des Reinheitsgebots aufgegriffen: "Bierstern, ich dich grüße" heißt das Programm, von dem es nun eine München-Edition geben wird - wo könnte das auch besser hinpassen als in die sich gerne so bezeichnende "Hauptstadt des Bieres".

Und so befasst sich die neuformierte "Wissenschafts-Boygroup" - unterstützt von den VJs Ben und Leo Pokropek sowie Roman Hansi - nun im Lustspielhaus mit Vollmondbier und Komasaufen bei Kometen; untersucht, wie Vorglühen bei Hefepilzen ausschaut; veranschaulicht, wie man Photonen betrunken macht; erklärt, von wie vielen alkoholfreien Bieren an man nicht mehr Autofahren darf; und berichtet - daher der Titel -, in welcher Galaxie man einen Bierstern findet. Wie es sich für eine solche Veranstaltung (mit "Live-Hangover", wie die drei verkünden) gehört, gibt es nicht nur eine offizielle Premierenvorstellung am Montagabend, sondern am Sonntag auch schon einen Frühschoppen. Ein Muss für alle, die einmal zugleich über wie unter ihrem Niveau unterhalten werden wollen.

Science Busters , So., 21. Mai, 11.30 Uhr, Montag, 22. Mai, 20 Uhr, Lustspielhaus, Occamstraße 8

© SZ vom 19.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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