"Wetten, dass..?" im ZDF:Ein "Eileiter" auf Sendung

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Ein Samstagabend im ZDF mit Thomas Gottschalk: Zu ernst sollte man die Sache auf keinen Fall nehmen. Diesmal witzelte sich der Showmaster als "Eileiter" durch die Sendung - und Alice Schwarzer ging zu Boden.

Mirja Kuckuk

Früher war "Wetten, dass..?" im ZDF etwas Großartiges. Ein großer blonder Gute-Laune-Gott betrat die Bühne und der Beifall einer schier unendlich großen Halle gehörte ihm. Er musste nur seine großen Zähne und sein Freakshow-taugliches Outfit zeigen. Als Kind beeindruckt einen das.

Thomas Gottschalk mit Gartenzwerg: Mann der absonderlichen Wetten (Foto: Foto: dpa)

Und das Beste: Garantiert zwei Stunden Samstagabendshow lagen vor einem - sprich, spät ins Bett gehen und lange fernsehen dürfen. Auf der langen Couch von Thomas Gottschalk versammelten sich nach und nach offensichtlich wichtige Leute aus Film, Funk und Fernsehen. Und vor allem traten da Leute, die keine Blamage fürchteten, zu abgedrehten Wetten an.

Zugegeben: Die musikalischen Showeinlagen nutzte man, um sich schnell noch ein Glas Apfelsaft aus der Küche zu holen, und die Gespräche auf Gottschalks Sofa waren ungefähr so spannend wie die Konversation der Erwachsenen auf Familienfeiern. Aber es gab ja zum Glück immer noch die Wetten.

So viel zur Nostalgie. Irgendwann wurde es uncool, seinen Samstagabend mit "Wetten, dass..?" zu verbringen. Schaltet man heute, nach Jahren der Abstinenz, den Fernseher ein, um Thomas Gottschalk viele, viele Jahre später in ungebremster Vergnügtheit zu sehen, dann erfährt man wieder einmal, was Erwachsensein bedeutet: eine unweigerliche Verschiebung der Perspektive.

Der Fokus liegt plötzlich auf dem langen Sofa und seinen A-, B- und, ja, C-Promis und man setzt seinen an politischen Talksendungen orientierten Maßstab an. Doch halt, wer auf diese Weise "Wetten, dass..?" schaut, versaut sich seinen Samstagabend selbst! Thomas Gottschalk will anders goutiert werden.

Andernfalls drohen blanke Nerven. Die abendfüllende Show steigt dieses Mal in der Leipziger Messehalle - schließlich feierten wir einen Tag zuvor den Jahrestag des Mauerfalls. Thomas Gottschalk begrüßt uns in der "Stadt der Helden" und zugleich RTL-Moderatorin Inka Bause ("Bauer sucht Frau"), eine gebürtige Leipzigerin. Nichts liegt da näher, als das Ostalgiefass aufzumachen: Tommy und die TV-Kollegin geben dem Zuschauer Nachhilfe im Sachsen-Slang und Frau Bause darf von ihren DDR-Zeiten schwärmen.

Tommy, der ewig gestrige Eileiter

Aber zum Glück gibt es ja noch die Wetten. Ein Projektmanager (natürlich aus Ostdeutschland) unterbricht das unsägliche Geplänkel und nagelt 20 Eier auf ein Brett, ohne dass eines zu Bruch geht. Gottschalk assistiert dem Kandidaten als selbsternannter "Eileiter".

Der Anzug des Showmasters ist dieses Mal enttäuschend grau, wie erwartet anzüglich sind dagegen seine Sprüche. Boris Becker, Gast Nummer zwei, versucht vergeblich, sein neues Image als erfolgreiches Patchwork-Familienoberhaupt durchzubringen. Doch zu schön lässt es sich auf seine Frauengeschichten anspielen. Ein Sprachtalent wie Boris Becker hat gegen einen Thomas Gottschalk selbstredend keine Chance.

Der Höhepunkt von "Wetten, dass..?" im ZDF kommt diesmal zum Schluss. Nach fünf Jahren Las Vegas zeigt sich die Sängerin Celine Dion als Rockröhre und erzeugt Wasser gurgelnd die Melodie ihres Evergreens "Time to say good-bye". Sie hatte ihre Wette zwar gewonnen, aber ihr Wetteinsatz war so schön, dass sie nicht von ihr lassen wollte.

Das galt auch für die Publizistin Alice Schwarzer, die dann doch Rock'n'Roll tanzte und sich dabei sogar flach auf den Boden legte. Das war wie Silvester und Kindergeburtstag in einem, und "Eileiter" Gottschalk kam ganz außer Atem. Es war eine seiner besseren "Wetten, dass..?"-Ausgaben.

Natürlich setzten Wetten die wirklichen Glanzpunkte. Lara-Marie und Niklas, elf und zehn Jahre alt, zeigen, dass "die Jugend von heute mehr kann als googlen" und berechnen exakt auf einer Umrisskarte von Deutschland die Koordinaten deutscher Städte wie Sindelfingen und Herford. Doch auch die arme Lara-Marie bleibt nicht verschont: "Du hast aber schöne rote Lippen - sind die echt?" Mit Verlaub, das hat etwas von Mitschnacker.

Alice Schwarzer weiß sich besser zu wehren, auch wenn sie Einiges einstecken muss. Selbst Gottschalk ist es noch zehn Minuten später peinlich, dass er das Designerkleid seines Sofa-Gastes mit den Worten quittierte: "Mode - wer hätte das bei dir erwartet!" Beschämt hält er ein weiteres Mal ihr gerade erschienenes Buch in die Kamera. Das wäre gar nicht nötig gewesen, hatte die Emma-Gründerin sich und den Zuschauer bereits dankenswerterweise souverän vom Fremdscham befreit: "Das war jetzt ein bisschen gestrig, Tommy, aber das macht ja nichts."

Da kommt die nächste Wette - zwei junge Männer, die in einem ausgehöhlten Kürbis über den See des Ludwigsburger Schlosses schippern - gerade recht. Und natürlich die unvermeidliche Werbeeinlage: dieses Mal für ein Ingoldstädter Automobil als Preis für die Zuschauerfrage. Thomas Gottschalk kann eben nicht nur Gummibärchen gut verkaufen.

Gegen Schluss promoten Heino Ferch und Martina Gedeck noch ihren neuen Film und lachen beziehungsweise weinen auf Knopfdruck. Ein junger Mann schlabbert mit seinem Labrador "Lucky" Wasser aus einem Napf um die Wette - er verliert, wird aber "Wettkönig".

Um blanke Nerven zu vermeiden, braucht man ein Rezept für die Rezeption dieses Samstagabend-Dinosauriers. Vielleicht verhält es sich mit "Wetten, dass..?" wie mit Weihnachten: Es bedarf zufriedener Kinder, um dem Ganzen wieder ein bisschen Glanz zu verleihen. Sind diese aber nicht zur Hand, sollte man sich zumindest daran erfreuen, dass in unserer "ach so schnelllebigen" Zeit manche Dinge und Moderatoren einfach immer gleich bleiben.

Im Fall des Moderatoren sollte man den mit hundertprozentiger Sicherheit abgesonderten Schwachsinn mit einer überraschenden Weisheit aus dem Munde von Boris Becker quittieren: "Thomas, Dein Wort in Gottes Namen".

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