Wertvolle Exponate:Annäherung an Brecht

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Die Stadt Augsburg hat Teile aus dem Nachlass ihres großen Sohnes erworben

Von Christian Rost

Aus der schwierigen Beziehung Augsburgs zu seinem berühmten Sohn Bertolt Brecht wird doch noch eine späte Liebe. Die Stadt erwarb aus dem Nachlass der 2015 verstorbenen Tochter des Dramatikers, Barbara Brecht-Schall, wertvolle Exponate und präsentiert diese noch bis zum 23. April der Öffentlichkeit, also auch während des Brechtfestivals im März. Im Brechthaus sind die Totenmaske Brechts, zwei Lebendmasken und eine Serie von Bühnenbildentwürfen zu sehen.

Brecht war am Freitag vor 119 Jahren in Augsburg geboren worden. Just an diesem Jahrestag stellte Kulturreferent Thomas Weitzel die mithilfe einer Stiftung aus dem Berliner Nachlass aufgekauften Stücke vor - über den Preis wurde Stillschweigen vereinbart. Sie sollen das Brechthaus, in dem sich ein kleines Museum über den Schriftsteller und Theatermann befindet, zur Gedenkstätte aufwerten. Weitzel kommt damit seinem Ziel, das Haus im historischen Handwerkerviertel aus seinem Schattendasein zu holen und in ein kleines, feines Literaturhaus zu verwandeln, ein Stück näher. Die dortigen Dauerausstellung wird durch die neuen Exponate jedenfalls merklich aufgewertet, auch wenn sie zunächst nur einige Wochen zu sehen sind. Sowohl die Masken wie auch die Bühnenbildentwürfe können wegen der hohen Luftfeuchtigkeit nicht dauerhaft im Brechthaus aufbewahrt werden.

Besonders eindrucksvoll ist die von dem Künstler Gerhard Thieme angefertigte Totenmaske aus Gips von Bertolt Brecht, der 1956 in Ost-Berlin starb. Friedlich sind seine Gesichtszüge. Die Lebendmasken, zwei aus Gips sowie ein Bronzeguss, fertigte 1930 Paul Hamann an. Der Künstler habe seinerzeit eine Galerie bedeutender Zeitgenossen schaffen wollen, berichtete Sarah Klein, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kunstsammlungen und Museen Augsburgs. Eine Serie von Bühnenbildentwürfen gehört ebenfalls zum Teil des Nachlasses. Es handelt sich um fünf Szenenbilder zu Brechts Fragment "Der Wagen des Ares".

Zusammen mit dem ebenfalls aus Augsburg stammenden Bühnenbildner Caspar Neher arbeitete Brecht an dem Stück über die Rückkehr des Kriegsgottes aus einem fehlgeschlagenen Krieg in ein ruiniertes Land. Neher fertigte zu den Überlegungen des Stückeschreibers Skizzen an. Anhand der Zeichnungen gestaltete Brecht dann die Texte zu den einzelnen Szenen aus. "Sie haben sich wechselseitig inspiriert", sagt Kulturreferent Weitzel. Das nach seinen Worten "wunderbare Gesamtbild" der Schau vervollständigt ein weiterer Entwurf Nehers: ein Aquarell auf Holz. Die Darstellung einer gegeißelten Christus-Figur auf einer Bühne steht mutmaßlich für das Leiden und die Entwürdigung des Menschen durch Gewalt und Krieg.

Mit dem Aufkauf der Exponate setzt Augsburg ein Zeichen. Lange Zeit hatte die Geburtsstadt Brechts Schwierigkeiten damit, ihren großen Sohn umfassend zu würdigen. Als er nach seinem Exil in den USA und einem kurzen Aufenthalt in der Schweiz nach Ost-Berlin ging, um dort das Berliner Ensemble aufzubauen, galt er vielen als Kommunist und wurde auch in Augsburg beharrlich ignoriert. Erst vier Jahre nach seinem Tod wandelte sich die Sichtweise und der Augsburger Stadtrat entschloss sich, eine eigene Brecht-Sammlung aufzubauen. 1966 wurde sogar ein Straße nach ihm benannt. Das Museum im Brechthaus entstand erst in den Achtzigerjahren. Mittlerweile wartet es mit einem umfangreichen Jahresprogramm auf, zu dem heuer eine sommerliche "Brechtmeile" im August gehört. Rund ums Brechthaus wird mit Musik, Führungen und literarischen Einlagen unter freiem Himmel Bertolt Brecht an dessen Todestag gedacht. Mit derlei Würdigungen steht er endgültig in der Riege der Persönlichkeiten, auf die Augsburg mit Stolz verweist: Neben den Fuggern sind dies die Vorfahren von Wolfgang Amadeus Mozart, der Motorenerfinder Rudolf Diesel sowie die Augsburger Puppenkiste.

Bundesweit Beachtung findet mittlerweile das Brechtfestival (in diesem Jahr vom 3. bis zum 12. März), das nach langer Zeit der Personalquerelen und Streitigkeiten um die künstlerische Ausrichtung in ruhigerem Fahrwasser angekommen scheint. Allerdings zeigt sich erneut, dass alles, was sich mit Bertolt Brecht beschäftigt, keine geschmeidige Angelegenheit sein kann. Der neue Festivalleiter musste stark improvisieren bei der Suche nach Spielstätten, nachdem das Große Theater in Augsburg 2016 überraschend aus Brandschutzgründen geschlossen wurde.

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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