Werk der Wahl:Der Blick in Mozarts Seele

Lesezeit: 2 min

Andreas Weinek lässt sich von Peter Androschs "Phonographien" berühren

"Im Anfang war Musik"! Jedenfalls war das so, als Peter Androsch und ich uns vor vielen Jahren in einem Hörsaal der Johannes Kepler Uni in Linz zum ersten Mal trafen. Beide waren wir der Kunst verschrieben. Nur Androsch zog das Ding durch. Arbeitete sich zu einem der bekanntesten zeitgenössischen Komponisten empor, während ich es mir nach abgeschlossenem Studium der Rechtswissenschaften auf der "anderen Seite des Schreibtisches" einrichtete. Als Manager in der Schallplattenindustrie. Androsch startete derweil seine musikalische Laufbahn bei der Avantgarde Band Monochrome Bleu und ist aktuell am zeitgenössischen Musikprojekt Dr. Didi beteiligt.

Der 1963 in Wels geborene österreichische Künstler widmet sich nach diversen Ausbildungen, Arbeits- und Studienaufenthalten und Tourneen in Europa, Afrika und den USA seit den 1990er Jahren intensiv der kompositorischen Tätigkeit in den Feldern Musiktheater, Multimedia, Orchester, Kammermusik, Chor, Elektroakustik, Bühnen- und Filmmusik (z. B. "Hasenjagd"). Zahlreiche Veröffentlichungen und Auszeichnungen begleiten seine Arbeit wie die Nominierung zum deutschen Bühnenkunstpreis "Faust" mit der Kinderoper "Freunde!" an der Staatsoper Hannover 2012. Seit 2003 ist Peter Androsch Lehrbeauftragter an der Universität für Gestaltung in Linz. Als musikalischer Leiter der Europäischen Kulturhauptstadt Linz 2009 gründete er 2006 Hörstadt, das Labor für Akustik, Raum und Gesellschaft. Peter Androsch ist als Musiker, Komponist, Raum- und Schriftkünstler, Forscher, Schreiber und Vortragender aktiv - auch intensiv in Deutschland (Staatsoper Hannover, Theater Trier, Theater an der Rott).

Der mehrfach ausgezeichnete Komponist schuf neben Filmmusiken auch zahlreiche Bühnenwerke. Darunter die Oper "Spiegelgrund", ein Werk, das sich mit der Euthanasie in der gleichnamigen Wiener Pflegeanstalt während der Nazizeit auseinandersetzt und am 25. Jänner 2013 im Österreichischen Parlament in Wien uraufgeführt wurde.

Mehr als zwanzig Jahre nach unserer ersten Begegnung treffen wir uns wieder. Im Zug von Linz nach Wien. Und die damalige geistige Verbundenheit ist einer anhaltenden Freundschaft gewichen. Und irgendwann schenkt mir Androsch eine seiner Phonographien, ein von ihm geprägter Begriff.

Doch was sind Phonographien? Es sind Klangbilder, die durch das Übereinanderschichten von Partituren entstehen. Wagner, Bruckner, Schönberg, Mahler oder Mozart. Lithografien und Siebdrucke lassen betörende Notenmalerei entstehen. Das Übereinanderlegen der einzelnen handgeschriebenen Partiturseiten mit transparentem Hintergrund verdichtet die Werke großer Meister zu einem einheitlichen Ganzen und erlaubt dadurch einen Blick auf das Genie und in die Seele des jeweiligen Komponisten.

Als Betrachter wird man von den erst wirr anmutenden, bizarren, bald aber immer klarer werdenden Linien, Punkten und Flächen einfach angezogen. Widerstand zwecklos! Ist es nicht die Musik von Wagners "Tristan und Isolde", von Mozarts Requiem, die man hört, spürt, die Erinnerung synchronisiert, ist es die Geschichte der Komponisten Bruckner oder Schönberg, die zum Leben erwacht?

Ein besonders eindrucksvolles, strahlend blaues Werk hängt im Pfarrsaal des Salzburger Domes. Eine 90 mal 115 Zentimeter große Phonographie nach Mozarts "Exultate jubilate", einer lateinische Motette für Sopran und Orchester. Diese Phonographie vereinigt beides, das musikalische Genie und die Historie einer einmaligen Person. Und es steckt etwas Archaisches in ihr. Eine Besichtigung lässt sich beispielsweise zwischen 18. Juli und 30. August gleich mit den Salzburger Festspielen verbinden. Und Mozart folgend kann man nach dem Besuch des Domes alles noch bei einem Glas Grünen Veltliner und einer großen Portion Salzburger Nockerl nachwirken lassen. Auch das ist Philosophie.

Salzburger Dom, Pfarrsaal

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: