Was ist attraktiv?:Absoluter Durchschnitt

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Achtung: Dieses Mädchen ist nicht real. Keine lebende Person sieht so aus, sah so aus - und wohl niemals wird jemand so aussehen. Dieses Gesicht wurde aus 30 realen Gesichtern synthetisiert. Dennoch finden wir gerade den Durchschnitt supersexy.

Bernd Graff

Dieses Mädchen ist nicht real. Keine lebende Person sieht so aus, sah so aus - und wohl niemals wird jemand so aussehen. Denn dieses Foto ist ein Produkt des Computers, der es aus 30 "realen" Mädchenfotographien destilliert hat. Das Frappierende: Dieses synthetische Durchschnittsgesicht wirkt hübscher als die aller Einzelbilder, aus denen es gewonnen ist.

(Foto: Foto: faceresearch.org)

Wer das nicht glaubt, kann dies selber hier ausprobieren: auf der Webseite Face-Research, die von den beiden experimentell arbeitenden Psychologen Lisa DeBruine und Ben Jones von der schottischen University of Aberdeen betrieben wird.

Dort kann jeder registrierte Nutzer zudem eigene Fotos hochladen, kann sich virtuelle Babygesichter mit beliebigen Partnern ausgeben lassen oder einfach nur Gesichter aus der vorhandenen Sammlung synthetisieren.

Die spannende Erkenntnis dieser stets verblüffenden Versuche wurde bereits 2006 in " Psychological Science" publiziert: Prototypen und Durchschnittsgesichter wirken deswegen attraktiver, weil sie unser Hirn weniger anstrengen als Charakterköpfe.

Es ist anscheinend leichter für unser Hirn, Durchschnittsmuster zu erkennen und zu behalten, die wir darum als attraktiver empfinden.

Das scheint dem Allgemeinplatz zu widersprechen, wonach charakteristische Gesichter aufregender also attraktiver erscheinen. Stimmt, sie sind aufregender, aber eben genau darum nicht attraktiver.

Außerdem fordert die These von der einfachen Verarbeitungsleistung die alte psychologische Theorie heraus, wonach der Durchschnitt attraktiv ist, weil er am gesündesten wirkt. Und es evolutionsbiologisch wichtig ist, gesunde Partner zu wählen.

Die fast ephemer wirkenden Durchschnittsgesichter von Faceresearch weisen indes eine gewisse engelhafte, fast gloriolengeschmückte Ausdruckslosigkeit auf, die man vielleicht auf Anhieb attraktiv, aber bestimmt auch bald langweilig finden kann. Insofern werden die Charaktervisagen in the long run wohl mutmaßlich doch die größeren Chancen haben, die Aufmerksamkeit ihres Gegenübers dauerhaft auf sich zu ziehen und zu fesseln.

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