Vorschlag-Hammer:Zum Jazz

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Das Singspiel in diesem Jahr auf dem Nockherberg war das beste, das ich bislang gesehen habe. Was außer am Skript und an den von Marcus H. Rosenmüller perfekt geführten Darstellern nicht zuletzt an der Musik lag. Kein Wunder, kommen doch Allrounder wie der Posaunist Matthias Götz oder der Saxofonist Florian Riedl vom Jazz

Von Oliver Hochkeppel

Vor einem Jahr habe ich an dieser Stelle bekannt, kein großer Freund des Nockherberg-Derbleckens zu sein. Weil mir diese Mixtur aus Wiesn und Fasching zu viel Brauerei-Werbeveranstaltung, Schickeria-Treff und Politiker-Selbstbeweihräucherung beinhaltet. Aber gut, man schaut halt doch mal rein. Und diesmal hat es sich gelohnt. Denn nie hätte ich gedacht, dass die braven Stichwortgeberinnen des Bayerischen Fernsehens, die hinterher beflissen den Politgrößen das Mikro hinhalten, so gemein sein können. Fragten die doch den Ministerpräsidenten und die Seinen tatsächlich nach Inhalt und Bedeutung des Singspiels. Ein verschärfter, von den wenigsten gemeisterter Pisa-Test, hatte doch Autor Thomas Lienenlüke bei seinem Stück um Identität und Fake ziemlich heraushängen lassen, was für ein kluger Kopf er ist.

Ohnehin war es das beste Singspiel, das ich bislang gesehen habe. Was außer am Skript und an den von Marcus H. Rosenmüller perfekt geführten Darstellern nicht zuletzt an der Musik lag. Bei der von Gerd Baumann versammelten Band rumpelt nichts wie bei früheren Kapellen, da ist alles auf den Punkt gespielt. Kein Wunder, kommen doch Allrounder wie der Posaunist Matthias Götz oder der Saxofonist Florian Riedl vom Jazz. Von jener Kunstmusik also, die instrumentale Fähigkeiten wie stilistische Vielseitigkeit konkurrenzlos ausbildet. Gymnasien, Musikschulen und Konservatorien fördern deren Erlernen deswegen zum Glück seit Langem. Für die professionelle Elite lässt der Freistaat Bayern - repräsentiert von eben jenen Leuten, die am Nockherberg in den ersten Reihen sitzen - dann alles in allem 200 000 Euro springen. Im Jahr. Insgesamt.

Würde man nur ein Zehntel des Einkommens eines Vorstandsvorsitzenden in die Szene pumpen, dann müsste beispielsweise ein Stefan Gabanyi kein größeres Risiko mehr eingehen, wenn er für die exzellente wöchentliche, für alle Genres offene Livemusik-Reihe in seiner Bar das großartige Jazztrio des Pianisten David Helbock bucht (16. März, 20.30 Uhr). Grenzgänger wie die Cellistin Anja Lechner und der Pianist François Couturier müssten ihr Improvisationsprojekt zwischen Orient und Okzident mit der iranischen Klarinettistin Mona Matbou Riahi als Gast (11. März, 20 Uhr, Allerheiligen-Hofkirche) nicht mehr oder weniger mit ihren Klassik-Jobs querfinanzieren. Die Unterfahrt müsste sich keine großen Gedanken machen, wie das aus Israel und New York kommende, also vergleichsweise teure, vermutlich wenig zugkräftige, aber grandiose Trio Shalosh (14. März, 21 Uhr) in die Budgetplanung passt. Und einen Veteranen wie James Blood Ulmer (15. März, 21 Uhr, Nightclub im Bayerischen Hof) bekäme man womöglich nicht nur dank des privaten Engagements von Hotelchefin Innegrit Volkhardt zu sehen.

Aber so etwas vermeintlich Unwichtiges wie den Jazz zu fördern? Da lachen sie dann wahrscheinlich wieder, die Seehofers, Spaenles und Söders in der ersten Reihe.

© SZ vom 10.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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