Vorschlag-Hammer:Ziegelrot im Abendlicht

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Leider steht der SZ-Turm nicht im urbanen Raum, sondern ist umgeben von allerlei Gewerbe und Verkehr. Im Westen geht's ja noch, da leuchtet die meist ziegelbedeckte Stadt mitunter rot im Sonnenuntergang, dass Thomas Mann seine Freude gehabt hätte

Kolumne von Evelyn Vogel

Ich glaube, ich habe es schon mal erwähnt, ich liebe Hochhäuser. Vor allem, weil man von oben einen so tollen Blick auf die Urbanität hat, die einem zu Füßen liegt. Nun arbeite ich ja in einem Hochhaus. Leider steht der SZ-Turm nicht im urbanen Raum, sondern ist umgeben von allerlei Gewerbe und Verkehr. Im Westen geht's ja noch, da leuchtet die meist ziegelbedeckte Stadt mitunter rot im Sonnenuntergang, dass Thomas Mann seine Freude gehabt hätte. Leider habe ich das Pech, auf der Ostseite zu "residieren". Wenn ich aus den bodentiefen Fenstern sehe, fällt mein Blick auf S-Bahn-Waggons und Betonmischlaster - das ist weder urban noch toll. Doch in diesen Wochen darf ich in mehrfacher Hinsicht hoch hinaus und einen Blick auf die Stadt und die Dächer Münchens werfen.

Gelegenheit dazu hatte ich beim Sommerfest des Bayerischen Hofs, wo man von der Blue Spa Terrasse einen super Blick auf die Dachlandschaft Münchens hat, allen voran die Frauenkirche. Und schon am Tag davor nur ein Stockwerk tiefer beim Salongespräch, wo Stadtbaurätin Elisabeth Merk, Stadtplanerin Sophie Wolfrum und der Autor Jan Weiler mit Nina Ruge über das Thema "Wie wir wohnen" diskutierten. Kurzfassung: Merk "wohnt" eigentlich in ihrem von Lärm umfluteten Büro mit schönem Entree und Alpenblick, Wolfrum ist in derart beengten Wohnverhältnissen aufgewachsen, dass sie scheint's mit fast allem zurechtkommt und auch Trabantenstädten etwas Positives abgewinnen kann, und Weiler, der in seinem jüngsten Buch "Bonsai-Parkett" und "Salzteig-Anarchie" aufgespießt hat, hasst bodentiefe Fenster (gut, dass er den SZ-Turm als Redakteur des Magazins nicht mehr erleben musste!).

Einen vermutlich vielfältigen Blick auf die Dächer Münchens werde ich am Donnerstagabend erleben, wenn im Stadtmuseum eine Ausstellung mit Modellen zur historischen Ingenieursbaukunst eröffnet wird. Und vom 17. Juli an geht es bei der Fotoausstellung Um uns die Stadt mit Werken aus der Stiftung Ann und Jürgen Wilde in der Pinakothek der Moderne auch um Städte, vor allem aber um die Menschen, die in ihnen leben. Ich hoffe, ich schaffe es vorher noch auf einen Sprung in die Architekturgalerie, wo es in der Ausstellung African Speculations um die aktuelle Entwicklung spekulativer Urbanisierungsaktivitäten auf dem afrikanischen Kontinent geht (bis 13. Juli). Und im Anschluss bietet sich ein Besuch der Ausstellung African Mobilities des Architekturmuseums in der Pinakothek der Moderne an, bei der die Geografie afrikanischer Migration und deren Folgen für Architektur und Städtebau im Mittelpunkt steht. Nach so viel handfesten Aspekten des Städtebaus wird mir die am 17. August in der Kunsthalle eröffnende Schau Lust der Täuschung sicher wie ein traumhafter Spaziergang erscheinen. Ein Spaziergang über den Hochhausschluchten einer virtuellen Realität, in der keine Ziegel auf Dächern liegen, sondern Flugtaxilandeplätze - aber die soll es demnächst auf dem Münchner Hauptbahnhof ja auch geben.

© SZ vom 05.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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