Vorschlag-Hammer:Welche Macht

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"Willkommen im Bullenkloster!" Mit diesen Worten begrüßte mich vor einem Vierteljahrhundert mein damaliger Chef auf meiner ersten Redakteursstelle in einer kleinen Außenredaktion. Nun ist viel Zeit ins Land gezogen

Von Susanne Hermanski

Willkommen im Bullenkloster!" Mit diesen Worten begrüßte mich vor einem Vierteljahrhundert mein damaliger Chef auf meiner ersten Redakteursstelle bei der Süddeutschen Zeitung, in einer unserer kleinen Außenredaktionen auf dem Lande. Die Offenheit meines Ressortleiters - des Herren über eine bis zu diesem Augenblick sechsköpfige Schar von durchweg männlichen Redakteuren - überfraute mich förmlich. Einen Anlass zum feministischem Aufschrei sah ich natürlich nicht. Dazu fühlte ich mich in meinem jugendlichen Leichtsinn bereits viel zu emanzipiert. Ich lächelte freundlich, wie es meine Art ist, und entkorkte zum Anstoßen ein Fläschchen vom Weingut Ochs.

Nun ist viel Zeit ins Land - und ich bin längst in die Stadt gezogen. Die alten, bekennenden Machos, so heißt es, sind beinah ausgestorben oder zumindest restlos irre, senil oder depressiv geworden. Und doch landen täglich auf meinem Schreibtisch druckfrische Bücher wie Die unterdrückte Weiblichkeit, "Selbst-Herrlichkeits-Training für Frauen" oder Die Mutterglück-Lüge: Warum ich lieber Vater geworden wäre, der neueste Beitrag zur "Regretting Motherhood"-Debatte der Münchner Autorin Sarah Fischer. In dieser Woche wurde auch die Kleine Philosophie der Macht - nur für Frauen von Rebekka Reinhard im Literaturhaus vorgestellt. Die Münchner Populär-Philosophin beschreibt darin mit viel Witz, wie sich Frauen durch ihr chronisches Grübeln über ihre potenzielle Unfähigkeit, ihre faktische Unfähigkeit Nein zu sagen und ihre ewige Harmoniesucht selbst beschneiden. Und wie sie auf all ihre Zweifel so viel mehr Energie verschwenden als auf den scharfsinnigen Gedanken. Zum Beispiel jenen, dass die Macht nur der hat, der was macht.

Luise Kinseher, die macht was. Gerade schreibt sie im Endspurt an ihrer Fastenpredigt, die sie am kommenden Donnerstag den Mächtigen um die Ohren hauen wird (24. Februar, 18.30 Uhr live im BR) - bei einem originär mönchischen Erzeugnis, und nicht nur den männlichen unter ihnen. Schließlich gibt es ja längst auch Frauen, die mächtig sündigen. Was wiederum freilich nicht heißt, dass heute auch schon jedes Bullenkloster säkularisiert wäre. Fragen Sie meine Kolleginnen.

© SZ vom 18.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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