Vorschlag-Hammer:Weiterforschen an Gergiev

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Es ist noch längst nicht alles erzählt, was man über die Asien-Tournee der Philharmoniker erzählen kann

Von Egbert Tholl

Wenn man am Tag nach der Ankunft aus Japan diese Kolumne schreibt, ist ja klar, worum die Gedanken kreisen. Es ist ja auch noch längst nicht alles erzählt, was man über die Asien-Tournee der Philharmoniker erzählen kann. Man müsste noch berichten vom Hornisten Matias Piñeira, der auf einer Zugfahrt zur Gitarre griff und seine Musikkollegen mit Schmachtfetzen unterhielt, als wäre er unter Mariachis groß geworden - ist er vielleicht auch, er stammt aus Chile. Man sollte die CDs erwähnen, die man bei Tower Records in Tokio kaufen kann, semilegale Mitschnitte aus der Suntory Hall, Celibidache und die Münchner Philharmoniker, in den Achtzigerjahren oder 1990, als der Ruhm des Orchesters in Japan noch eng am Namen seines Chefs hing. Und man muss erzählen, was Valery Gergiev auf die Frage antwortete, welches Verhältnis er und Mariss Jansons hätten: Seit vielen, vielen Jahren treffe man sich jeden Neujahrstag, nur einmal nicht, als Jansons in Wien das Neujahrskonzert leitete, da sahen sie sich einen Tag später.

Was mich noch umtreibt, ist die Frage, die auch die Tournee noch längst nicht beantworten kann: Wie viel interpretatorische Genialität besitzt Gergiev? Er kann erlebnisreiche, tolle, mitreißende Konzerte zaubern, das weiß ich jetzt. Aber besitzt er die Gabe, ein Stück Musik vollkommen einzigartig zu interpretieren? Muss das überhaupt sein? Reicht es, einfach hinreißend gut Musik zu machen? Ein Beispiel, direkter Vergleich: Unter Gergiev spielten die Münchner Philharmoniker in der Suntory Hall auch "Don Juan" von Richard Strauss. Das taten sie dort schon einmal, unter Christian Thielemann. Auch wenn das Jahre her ist, so bilde ich mir doch ein, dieses Stück als eine ganz andere Explosion der Unabdingbarkeit erlebt zu haben als nun, wobei es unzweifelhaft toll musiziert war. Aber das muss man nun halt weiter verfolgen. Etwa am 10. Dezember, da gibt es um 13.30 eine öffentliche Probe zum Programm mit Wagners "Siegfried-Idyll", den Strauss-"Metamorphosen" und der 15. von Schostakowitsch. Wenn diese Probe nur halbwegs so abläuft wie jene Proben auf der Tournee, dann ist das ohnehin schon ein Erlebnis für sich, das fürs Endergebnis radikal einnimmt. Außerdem ist es einfach zauberhaft zu sehen, mit welcher Freude die Philharmoniker derzeit spielen.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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