Vorschlag-Hammer:Von Zwei- und Vierbeinern

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Den Marienplatz säumen in dieser Zeit des Friedens und der Beschaulichkeit auch noch Betonpoller, welche die Massen zwischen den Buden und U-Bahnausgängen zumindest gefühlsmäßig noch mal verdichten. Die Konsequenz: Wer sich nicht vier Wochen lang mit etlichen guten Büchern zu Hause verbarrikadieren kann, sollte antizyklisch ausgehen und solche Veranstaltungen besuchen, die jenseits des penetrantesten Trubels liegen

Von Eva-Elisabeth Fischer

Jetzt ist sie gnadenlos da, die stade Zeit. Wehe dem, der einen Weg queren will, wo doch alle anderen gradaus laufen! Die vom Glühwein-Odeur umwehten Lemminge dulden keine Aus-der-Reihe-Tänzer. Was die Sache erschwert: Den Marienplatz säumen in dieser Zeit des Friedens und der Beschaulichkeit jetzt auch noch Betonpoller, welche die Massen zwischen den Buden und U-Bahnausgängen zumindest gefühlsmäßig noch mal verdichten. Die Konsequenz: Wer sich nicht vier Wochen lang mit etlichen guten Büchern zu Hause verbarrikadieren kann, sollte antizyklisch ausgehen und solche Veranstaltungen besuchen, die jenseits des penetrantesten Trubels liegen. Da böte sich die Matinee der Heinz-Bosl-Stiftung in der Staatsoper an, zum Beispiel. Diese Vorstellungen sind traditionell der Dank an großzügige Unterstützer. An diesem Sonntag um elf Uhr rufen die Zeremonienmeister Jan Broeckx, Leiter der Ballettakademie, und Ex-Ballettchef Ivan Liška, Leiter der inzwischen vom Staatsballett abgekoppelten Junior Company, wieder zur Kollekte für den Ballettnachwuchs auf. Denn ohne Sponsorengelder haben die begabten Junioren nichts anderes zu tanzen, als die nicht immer künstlerisch wertvollen Stücke ihrer Lehrmeister. Die Rechte für bereits existierende Stücke und mehr noch Auftragswerke namhafter Choreografen kosten nämlich viel Geld. Und wäre die Akademie allein auf die Bordmittel angewiesen, gäbe es nichts Außerfinanzplanmäßiges.

Die verdächtige Ruhe, mit der Jan Broeckx der Aufgabe nachgeht, junge Tänzerinnen und Tänzer auszubilden, möchte so mancher für Resignation halten. Aber der Tanzakademie-Chef könnte offenbar gar nicht laut genug trommeln für das dringend benötigte Ballett-Internat, auf dass er beim Kultusministerium gehört würde im alles übertönenden Konzertsaal-Gedöns. Auch in Igor Zelenskys öffentlicher Wunsch-Litanei steht eine solche Einrichtung ganz oben. Der Staatsballett-Workshop "Jungen-Spielballett: Mit Alice ins Wunderland" am 17. Dezember ist jetzt schon ausverkauft, die folgenden Vorstellungen von Christopher Wheeldons Kassenrenner "Alice im Wunderland" sind es sowieso. Die Menschen wollen Ballett sehen mit tollen Tänzerinnen und Tänzern. Die hat Zelensky aus aller Welt zusammengeholt und kann mit fantastischen 95 Prozent Platzausnutzung prahlen. Es wäre noch toller, kämen die meisten von ihnen aus der Ballettakademie. Sie alle fangen dort klein an als Ballettratten und probieren sich erstmals vor entzückten Zuschauern aus auf einer großen Bühne bei der Bosl-Matinee.

Sie sind, keine Frage niedlich - ganz im Gegensatz zu den Ratten, die sich nachts in den Christkindlmarktbuden gütlich tun. Kollege Johannes Willms hat sie, lang ist's her, unvergesslich in einer Kolumne verewigt. Wenn es schon Vierbeiner sein müssen vor dem fetten Fest, dann solche, die tanzen können. Man kann sie erleben, die prächtigen Hengste von Anja Beran und ihrem Team im Haupt- und Landesgestüt Schwaiganger an diesem Sonntag, 3. Dezember (15 Uhr), wenn sie sich bei Klassischer Musik und Barocken Pferden präsentieren. Mit Pirouette, Passage und Piaffe gestalten sie die Bilder zu Bachs Weihnachtsoratorium. Der Dreiklang hört sich mindestens so gut an, wie die mit "Silhouetten" und "Pirouettes" betitelten ersten beiden Teile des "Klassenkonzerts" bei der Bosl-Matinee. Nur - beides wird man leider nicht schaffen.

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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