Vorschlag-Hammer:Viel Material

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Jakob Biazza denkt über Bushido, Diskussionskultur und die Verrohung der Jugend nach

Von Jakob Biazza

Es ist ein paar Jahre her, da habe ich das Album von Sido und Bushido besprochen. "23" heißt es und ist auf diese geschäftsmäßig kalkulierte Art plump, die im Rap noch etwas verbreiteter ist, als in vielen anderen Genres: "Wir haben vier Monate Vertrag verhandelt und sechs Wochen Musik gemacht. Musik ist ungefähr 20 Prozent und Geschäft ist 80 Prozent." Hat Bushido gesagt. Genau so klingt's auch. Kurz nach Veröffentlichung der Rezension trudelte deshalb diese Nachricht ein: "Falls du zufällig für xy arbeitest solltest du besser aufpassen was du für ein dreck schreibst du kleiner Vollassi, wunder dich nicht wenn dein gesicht bald auf's doppelte anschwillt du kleine Nutte. Falls du der nicht bist entschuldige...".

Und das ist ja nun genau die Diskussionskultur, von der es viel zu wenig gibt in dieser Welt: Hart in der Sache - aber versöhnlich im Ton. Weshalb die Nachricht doch ein wichtiger Beitrag zu der Frage sein könnte, ob Bushido (17. Oktober, Tonhalle) mit seinen Hasstiraden nun die Jugend verroht. Oder ob man seinen Fans zutrauen darf, die Kunstfigur, die dieser Anis Ferchichi immer dann herauskramt, wenn er gerade nicht bei Markus Lanz sitzt oder von Burda den Integrations-Bambi bekommt, zu reflektieren. Auf Bushidos aktuellem Album "Carlo Cokxxx Nutten 3" gäbe es dafür jedenfalls wieder viel Material. Es geht, unterm Strich, hauptsächlich ums Drogen-Dealen, Polizisten-Hassen und Menschen-mit-Messern-in-die-Lunge-stechen. Dazwischen wird so ziemlich jeder "gefickt", der ihm als "Opfer" gilt - unter anderem Sami Khedira, Joko, Klaas, "Homos", Dieter Nuhr und natürlich Alice Schwarzer. Ehrensache.

Wobei man sagen muss: Attitüde hat er schon. Dass diese Texte nicht komplett nach ihrer eigenen Karikatur klingen, ist nicht leicht. Keine Ahnung, ob man Kinder da jetzt fernhalten muss. Als Erwachsener würde ich nicht hingehen. Allerdings eher, weil es inzwischen auf sehr redundante Art fad ist. Vielleicht stattdessen lieber was Gutes tun: Das "Rage Against Abschiebung"-Festival besuchen zum Beispiel (2. Oktober, Hansa 39). Die wunderbar verschrobenen Kofelgschroa spielen da. Außerdem die für diese Stadt ja sehr wichtigen Candelilla und Das Weiße Pferd. Auch toll: Lasse Matthiessen (12. Oktober, Milla). Ach so: Falls Sie zufällig zu Heino gehen (8. Oktober, Backstage Werk), sollten Sie besser aufpassen, was Sie für einen Dreck hören. Falls Sie der nicht sind, entschuldigen Sie ...

© SZ vom 21.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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