Vorschlag-Hammer:Verregnete Tage

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Vielleicht bin ich momentan etwas empfindlich, weil einen das berufliche Umfeld zum Nachdenken über die Vergänglichkeit drängt

Von Michael Zirnstein

Eigentlich gehe ich gerne auf Hinterhofflohmärkte, um ulkige alte Sachen zu entdecken. Bis ich neulich in Haidhausen entdeckte, dass ich selber alt bin (ob ulkig, weiß ich nicht). Ein Herr hielt mir ein Kinderspielzeug hin, bei dem hölzerne Hühner mittels eines Gewichtes an einer Schnur im Kreis herumpicken, und er empfahl es mir zum Kauf: "Für die Enkel!" Jetzt weiß ich: Der Hipster-Vollbart muss weg.

Vielleicht bin ich aber auch empfindlich momentan, weil einen das berufliche Umfeld zum Nachdenken über die Vergänglichkeit drängt. Der melancholisch-komische Liedermacher und Kolumnist Eric Pfeil hat es in seinem Pop-Tagebuch als "Das große Sterben" bezeichnet. Wobei ich nicht glaube, dass gerade mehr Musiker sterben, nur kennt man eben mit zunehmendem Alter mehr, die in die Jahre kommen. Außerdem wird im Internet-Zeitalter mehr öffentlich darüber geklagt. Auf einmal wollen alle Prince-Fans gewesen sein, dabei habe ich mich an dieser Stelle schon darüber mokiert, dass er sein Berlin-Konzert 2014 mangels Interesse abblasen musste. Jedenfalls schmücken sich alle, die gerade noch Lemmy Kilmisters derbste Auftritte und David Bowies schrägstes Kostüm posteten, nun mit ihrer Lieblings-Version von "Purple Rain". Oder sie laden zu Partys wie der im Club Kooks ein, wo DJ Jens Poenitsch eine Nacht lang nur Prince-Songs auflegt (5. Mai, Geyerstraße 18).

Einen Link zu mixcloud.com fand ich allerdings wirklich wertvoll: Dort findet man ein Bootleg von Prince' geheimem Aftershow-Gig im Park Café vom 21. Mai 1987. Da wäre ich schon gerne dabei gewesen - war aber noch zu jung. Genauso wie für die Münchner Auftritte von Freddy Mercury, dem man nun mit einer Queen-Tribute-Show im Circus Krone huldigt, just wenn sein junger Nachfolger Adam Lambert im Kesselhaus singt und der Pianist und Sänger Michael von Zalejski in der Black Box (alles am 6. Mai) im Gasteig Udo Jürgens gedenkt.

Den anderen großen Udo habe ich neulich zum Interview getroffen. Wenn ich Lindenberg bei all dem Genuschel ("'schuldige, das is' so mein Trademark") verstanden habe, wollte er danach noch, nachts um zwölf, joggen im Englischen Garten (24. und 25. Mai, Olympiahalle). Dass Alter keine Frage der Jahreszahl ist, sieht man auch, wenn der vom Rücktritt zurückgetretene Peter Kraus nahezu faltenfrei über die Bühne des Circus Krone springt (10. Mai), dies auch zu Songs seiner Nachfahren wie "Applaus, Applaus". Den Sportfreunde-Stiller-Klassiker hat derzeit auch der großartige belgische Pop-Chor Scala im Programm (7. Mai, Freiheiz). Ebenso wie "Universal Tellerwäscher", das Die Sterne zu Stars machte. Vor 22 Jahren. Oh, Alter!

© SZ vom 04.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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