Vorschlag-Hammer:Und es macht Takatak

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Trambahnfahrten können eine Herausforderung für die Nerven sein. Zum Glück gibt es Lyrikbände

Von Antje Weber

Feierabend, die Tram ist voll. Ein feiner Geruch von frisch Frittiertem zieht durch den Wagen. Es raschelt, knistert, schmatzt, aus Kopfhörern knallt ein Takatak. Der Tag war lang, der Tag war hart. Takatakatak. Was tun? Ich krame in meiner Tasche. Finde einen Lyrikband. Schlage ihn aufs Geratewohl auf und lese: "Manche hocken, Rücken an Rücken / mit ihren glanzlosen Büchern, / und sinnen auf Rache." Takatakatak, einmal tief durchatmen. Und lächeln.

Da sage noch einer, Lyrik sei nutzlos? Ich sage: Lyrik ist ein Gegengift gegen alle Zumutungen des Lebens, und es gibt sehr viel schlimmere als eine Trambahnfahrt. Schaden kann es nie, ein paar Gedichte bei sich zu haben, in greifbarer Nähe. Wie eben Michael Krüger s neuen Band "Einmal einfach"; gewohnt melancholisch und feinsinnig spürt der Schriftsteller hier dem Leben nach (Lesung am 7. März, Lyrik Bibliothek). Vorangestellt hat er dem Buch übrigens einen Satz Goethes an Eckermann: "Alle meine Gedichte sind Gelegenheitsgedichte, sie sind durch die Wirklichkeit angeregt und haben darin Grund und Boden." Ob Krüger wohl durchs Trambahnfahren zu Gedichten angeregt wird? Wer weiß.

Gut vorstellen kann man sich das jedenfalls bei Frank Schmitter, der gerade den neuen Band "Der wille ist ein weithin überschätzter körperteil" vorgelegt hat. Seine Gedichte beginnen mal auf einer Kreuzung im Gärtnerplatzviertel, mal in einer japanischen Suppenküche am Isartor. Dort schlürft das lyrische Ich beschämt vor sich hin, bis das Lächeln der Köchin ihm zeigt: "genieße die suppe wie das leben / und lasse uns zu zeugen werden / schlürfe schmatze genieße". Und das, so fragt sich das lesende Ich angstvoll, wohl auch noch in vollen Zügen? Dabei fühlt sich dort das Leben doch eher so an, wie im neuen Buch "Wortfisch im grünen Aquarium" von Ursula Haas: "Es rollen die Steine / da trommelt ein Stein / kein entrinnen" (Lesung am 28. Februar, Autoren Galerie 1). Gerne würde man da lieber die "Instruktion # 6" aus Augusta Laars neuem Band "Planet 9" umsetzen: "Fange das lustweh den partysingsang / das lautfahnenklappern spucke in die / teetasse (vorschnell)." Takatak!

Die Trambahn hält, der Partysingsang bleibt. Man könnte ja nun selbst aussteigen, mal woanders als sonst. Könnte durch die Stadt laufen, um das Lustweh zu fangen. Könnte eine Lyriklesung besuchen, Meine drei lyrischen Ichs zum Beispiel (22. Februar, Einstein Kultur). Oder den Lieblingsgedichten von Kiki Smith im Haus der Kunst lauschen (13. März, 20 Uhr). Ob mir das einen neuen Zugang zu ihrer Kunst ermöglicht? Denn in der Ausstellung war ich bereits; sie haben mich nicht sehr angesprochen, die Werke der New Yorker Künstlerin; sie erscheinen mir oft - bei aller handwerklichen Versiertheit - schlicht zu plakativ. Ich blättere weiter durch Krügers Gedichtband, er schreibt: "Die alte Kunst, Widersprüche auszuhalten, / um das Unverständliche der Schönheit / zu erfahren, ist vergessen wie manches Handwerk". Die Tram ruckelt an, mit Takatak geht es fort. Lesend träume ich mich weiter zur Endstation Sehnsucht.

© SZ vom 16.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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