Vorschlag-Hammer:Scheibchenweise

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Vielleicht muss man die Filmgeschichte nicht in einer fortlaufenden Linie erforschen, sondern in Jahresringen

Von Fritz Göttler

Bilder aus einem fernen Land, Amerika in den frühen Sechzigerjahren. Die Rassenintegration soll endlich durchgesetzt werden, schwarze Kids werden zu weißen in die Schulklassen gepackt. Ein junger Mann taucht in einer kleinen Stadt in Missouri auf, weißer Anzug, weiches Gesicht, William Shatner spielt ihn, der dann als Enterprise-Captain Kirk zu Weltruhm kommt. Der Mann leistet Basisarbeit, er wiegelt die Bürger auf gegen die Integrationsanordnungen. Am Ende brennen Kreuze. The Intruder heißt der Film von Roger Corman, der mit billigen schnellen Horrorfilmen sein Geld machte und später mit opulenten Poe-Verfilmungen. "The Intruder" wurde in der kleinen Stadt Charleston gedreht, die Bürger dort wurden als Statisten geheuert, aber sie waren voll mitgerissen von dem, was William Shatner mit ihnen machte. Das ist bis heute so in Amerika, dass Leben und Performance nicht wirklich zu unterscheiden sind, die Show geht weiter und weiter. Dienstagnacht im Werkstattkino.

Zu Ende ging's in Amerika mit dem iranischen Filmemacher Sohrab Shahid Saless im Jahr 1998, und von diesem Ende sind die letzten Filme geprägt in der Retrospektive des Filmmuseums. Am Dienstag läuft Rosen für Afrika, nach dem Roman von Ludwig Fels, ein Mann träumt von einer Reise in ein fernes Land, das ist noch einmal ein trauriges Travelling durch den deutschen Alltag, langsam und lang, denn die Hoffnung stirbt zuletzt bei Saless. Am Mittwoch gibt es den Brief aus Kabul, der heute, dreißig Jahre später, wieder schaurig aktuell wirkt, dazu kurze Interviewfilme mit Saless.

Vielleicht muss man die Filmgeschichte nicht in einer fortlaufenden Linie erforschen, sondern scheibenweise, in Jahresringen. Während Roger Corman sich bemühte, für die Geschichte vom "Intruder" Produktionsgelder zusammenzuholen - es war der einzige seiner Filme, der seine Kosten nur sehr mühsam einspielte -, drehte in Polen der junge Andrzej Wajda seine ersten Filme, Eine Generation, Kanal und Asche und Diamant, mit denen am Wochenende die große Wajda-Retro im Filmmuseum beginnt. Ein Regisseur, der auf magische Weise jung geblieben ist bis zum letzten Film, "Nachbilder", 2016.

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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