Vorschlag-Hammer:Rebellen von einst

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Mit David Bowie kam das Androgyne in die Pop-Kunst. Heute findet sich das fröhliche Gender-Spiel bei Conchita Wurst und Jean-Paul Gaultier, der auch schon ein Fall fürs Museum ist

Von Eva-Elisabeth Fischer

Der Tod historisiert ihn endgültig, David Bowie, den Rebellen von einst. Erste Wegmarke in diese Richtung: die Musealisierung durch die inzwischen drei Jahre alte David-Bowie-Ausstellung, die derzeit im tollen Museum für zeitgenössische Kunst in Groningen in Holland zu sehen ist (die Anreise allerdings zieht sich). Das Androgyne, jetzt fröhlich verenglischt als Transgender und in der Marotte, Texte politisch korrekt zu gendern, in allen denkbaren, aber nicht mehr einzeln zu benennenden sexuellen Varianten mit Sternchen versehen, gereichte in den Achtzigerjahren zur schillernden Metamorphose. Bowie belebte den Kosmos des Pop durch extravagante Rollenspiele in glamourösen Verkleidungen, in denen er die vielen Facetten seines Ichs ausspielte, die von den Glitzerfummeln exaltierter Dragqueens, wie sie, saisonbedingt, bald wieder das Gärtnerplatzviertel und den Viktualienmarkt entern werden, Äonen entfernt sind.

Die unterkühlte Aura David Bowies allerdings war und ist unerreicht. Jedenfalls konnten vor gut 30 Jahren weder der zum Wimpern klimpernden Mädchen zurechtgezupfte Boy George noch der Tänzer und Choreograf Michael Clark mithalten, der seinen Zuschauern frech den wackelnden Allerwertesten unterm Mini-Kilt entgegenreckte. Die jüngste Ikone kultivierter Travestie ist Thomas "Tom" Neuwirth, der als Conchita Wurst stilvoll mit Bart und Perücke sich selbst in ein Kunstobjekt verwandelt und damit als geschlechtlicher Umkehrschluss an mutige Damenbartträgerinnen vergangener Jahrhunderte erinnert. Conchita fügt sich perfekt in die Welt des französischen Modemachers Jean-Paul Gaultier, der gerne das Innerste nach außen kehrt und dies nicht nur in Gestalt hypertropher Tüten-BHs in fleischfarbenem Oma-Satin.

In München nahm man Gaultiers Kreationen erstmals leibhaftig wahr, als etliche junge französische Tanzgruppen, Ende der Achtzigerjahre von Kulturminister Jack Lang auf Promo-Tour für die brandneuen Centres choréographiques nach Deutschland gekarrt, hier Station machten. Die Tänzerinnen und Tänzer von Régine Chopinot paradierten auf der Bühne in Gaultier wie auf dem Laufsteg. Die Klamotten zogen in ihrer kecken Buntheit alle Aufmerksamkeit auf sich, so dass die (vielleicht nur behauptete) politische Botschaft der Choreografin unentdeckt blieb. Diese zehn Jahre währende künstlerische Liaison von Mode und Tanz - in Frankreich Tradition - ist übrigens dokumentiert in der phantastischen Gaultier-Schau in der Hypo-Kunsthalle (noch bis 14. Februar). Aber auch hier gilt: Was einst Furore machte, ist nun reif fürs Museum. Und lebt dennoch im Kleinformat wieder auf, in Minutemade zum Beispiel, der Tanz-Soap des Gärtnerplatztheaters, die am 16., 23. und 30. Januar in drei verschiedenen Hallen über die Bühne geht, lustvoll libertinär wie je, frei nach dem Motto "Alles erlaubt".

© SZ vom 13.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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