Vorschlag-Hammer:Nah am Himmel

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Auf dem Adlersberg in der Nähe von Regensburg befindet sich neben der Kirche ein Wirtshaus mit einem der schönsten Biergärten Bayerns. Für die Stimmwercktage braucht es die Kirche, den Biergarten und vor allem das Ensemble, das dem kleinsten und erlesensten Festival für Alte Musik in Bayern seinen Namen gibt

Von Egbert Tholl

Schon die Anreise hat einen ganz eigenen Zauber. Man fährt mit dem Auto nach Regensburg, fährt über Donau und Kanal hinüber und verlässt die Autobahn kurz vor dem Tunnel, auf dessen anderer Seite Lappersdorf liegt. Dann, und hier beginnt der Zauber, fährt man einige Kilometer an der Donau entlang Richtung Westen - eine Strecke, die meist frei von Autos ist, so dass man ungestört den Fluss bewundern kann. Schließlich biegt man ab und fährt ein paar Kilometer ins Landesinnere, worauf bald der Adlersberg sichtbar wird. Unschwer ist zu erkennen, dass sich hier einst ein Kloster befand, man sieht noch die Mauer und die reizende, eigentlich recht kleine, aber spektakulär hingestellte Kirche. Auf dem Adlersberg selbst befindet sich neben der Kirche, in der es einige bemerkenswerte Freskenreste gibt, ein Wirtshaus mit einem der schönsten Biergärten Bayerns.

Biergarten und Auto ist immer ein bisserl blöd, Biergarten und Renaissancemusik indes nicht. Zum 13. Mal finden in diesem Jahr die Stimmwercktage auf dem Adlersberg statt, von 4. bis 6. August, dafür braucht es die Kirche, idealerweise den Biergarten und vor allem das Ensemble, das dem kleinsten und erlesensten Festival für Alte Musik in Bayern seinen Namen gibt. Das Vokalensemble Stimmwerck - Franz Vitzthum, Klaus Wenk, Gerhard Hölzle und Marcus Schmidl - kann nicht nur fabelhaft gut singen, die vier Musiker kennen auch viele Kollegen, die sich wunderbar in die Kunst der feinsten Nuancierung einfügen können. Bei den Stimmwercktagen graben die Vier nicht nur regelmäßig Komponisten und Werke Alter Musik aus, die man noch nie gehört hat, die man dann aber völlig verblüfft wahrnimmt. Sie stellen dazu auch Werke der Moderne, auf listige, erhellende und vertrackte Weise. In diesem Jahr wird im Stück "Child of tree" ein verstärkter Kaktus (ja, Kaktus. Pflanze) bespielt, und Klaus Wenk wird einen Vortrag über das Nichts halten. Dieser stellt kein Gegenprogramm zu den musikwissenschaftlichen Vorträgen zum "Normalprogramm" des Festivals dar, man könnte ihn eher philosophisch begreifen.

Denn in der Mauer, die aus alten Steinen zusammengefügt die Kuppe des Klosterbergs umrundet, gibt es ein einzelnes, rätselhaftes Fenster. Oder besser: eine rechteckige Öffnung. Blickt man durch die hindurch, sieht man: nichts. Nur eine herrliche Weite, die sich sofort auch im Kopf des Betrachters einstellt.

© SZ vom 29.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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