Vorschlag-Hammer:Musenküsse

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Ich bin in die Kellerbar ihrer Jugend in Teignmouth gepilgert und habe beim Muse-Interview in Berlin Matt Bellamys Wasserflasche leergetrunken. Mein Leben mit dieser Band begann im Jahr 2000

Von Bernhard Blöchl

Kulturfreaks sind Trüffelschweine. Wenn die Perlen erst an der Oberfläche schimmern, interessiert das keine Sau mehr. So denken die. Nun könnte ich erzählen, dass ich Muse bereits kannte, als Coldplay und die Libertines noch unveröffentlicht, das iPhone und Spotify noch nicht verfügbar waren. Ich könnte erzählen, dass ich in die Kellerbar ihrer Jugend in Teignmouth gepilgert bin und beim Muse-Interview in Berlin Matt Bellamys Wasserflasche leer getrunken habe. All das könnte ich erzählen. Mach ich auch: Mein Trüffelschweindasein begann im Jahr 2000 (Schande über mich, den Muse-Gig im Atomic Café ein Jahr zuvor habe ich verpasst). Vor 16 Jahren also wurde mir mein erstes Live-Erlebnis verwehrt, weil Gwen Stefani und No Doubt zu spät kamen. Die Veranstaltung hieß "MTV One Night Stand", und das Trio aus Devon war, nach den Sportfreunden Stiller, als zweite Vorband in der Elserhalle eingeplant. Spielen durften sie nicht, weil Madame Pop nicht rechtzeitig erschienen war und Zeit für den Soundcheck beanspruchte. Muse verhielten sich sensationell: Statt zu fluchen, verschenkten sie Teile ihres Equipments an enttäuschte Fans. Kurz durfte ich eines ihrer Hi-Hat-Becken in Händen halten, bevor ich es an ein Fanzine-Girlie weiterverschenkte, welches das Stück verlosen wollte. Das sagte sie zumindest. Und ich glaubte ihr.

Ein Dutzend Konzerte in München, Frankreich und England sowie einen (erfolgreichen) Heiratsantrag beim Song "Invincible" in der Arena di Verona später, sehe ich Muse schon seit ein paar Jahren dabei zu, wie sie die Stadien und riesigen Hallen der Welt beschallen mit ihrem vertrackten Bombast-Rock. Im vergangenen Jahr, bei der Premiere von "Rockavaria", traten sie im Olympiastadion auf, Ende März stellen sie ihr siebtes Album "Drones" in der Olympiahalle vor (31. März). Ob ich noch immer Fan bin? Ehrlich gesagt, ja. Dass sie seit Jahren alle gut finden, ist mir ehrlich gesagt ziemlich wurscht. Und dass es Ausrutscher und Entgleisungen gab, das kommt in den besten Ehen vor. Ich bin eben eine treue Seele. Einmal Fan, immer Fan. Also werde ich wieder hingehen. Ich werde über Bellamys Gitarrenkunst staunen, über sein Popstargehabe schimpfen, die neuen Songs schlecht, die alten genial finden und meinen Sitznachbarn mit Geschichten aus Teignmouth auf die Nerven gehen.

Da das Trüffelschwein in mir noch hungrig ist, möchte ich auf ein paar aufblühende Bands verweisen, die mich zuletzt aus den Socken gehauen haben - und die man (noch) in kleinen Clubs erleben kann. Da wären zum Beispiel Nothing But Thieves aus Essex (23. März, Kranhalle), die mich in ihrer Überschwänglichkeit ein bisschen an Muse in jung erinnern. Sehr empfehlen kann ich auch die Indie-Brüller Isolation Berlin (10. April, Kranhalle) und ganz besonders die knurrigen Kraftmeier Human Abfall (1. Juni, Sunny Red). Als Vorband spielen übrigens die Münchner Friends Of Gas. Auch sehr lässig.

© SZ vom 17.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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