Vorschlag-Hammer:Kinder, Kinder

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Was die Doktorspiele an Plüschteddys mit den eleganten Tänzern der Pina Bausch zu tun haben? Um sich das klarzumachen, muss man bei den Opernfestspielen schon "Die Kinder von gestern, heute und morgen" anschauen

Von Eva-Elisabeth Fischer

Manchmal, wenn das Hirn zu voll und man dabei völligüberdreht ist, dann braucht man sie, die Fernsehplots zur Hebung des geistigen Niedergangs. Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen eignen sich bestens, weil die Liebeswirren stets nach dem selben O-Bein-Muster gestrickt sind: zusammen - getrennt - zusammen. Schön frisierte Menschen sprechen in schönen Landschaften Texte, wie man sie nur im Zustand restloser Verblödung ertragen kann. Ebenso gut, ja fast noch besser funktioniert als Runterkomm-Abo die Serie. Wir reden hier nicht von politisch anspruchsvollen Mehrteilern, wie sie schon länger gepriesen werden, sondern vom "Tatort" oder der "Lindenstraße". Schlimm wird es nur, wenn die liebe Gewohnheit zum Überdruss gereicht, wenn einen die Absehbarkeit der Handlung nicht mehr wohlig einlullt, sondern nur noch nervt und man sich dabei ertappt, am Sonntagabend doch lieber bei leichter Lektüre abzuschalten, oder, siehe oben, aus Verzweiflung einen dieser Schmachtfetzen im ZDF anzuschalten.

Einen besonderen Kick halten Arztserien bereit. Dienstagabend "In aller Freundschaft" zumal, eine Serie, die eigentlich so ausgelatscht ist wie ein alter Hausschuh. Aber hier riecht der Klinikalltag immer noch ein wenig exotisch nach Deutschland-Ost-spezifischem Allzweckreiniger, und die Sachsenklinik selbst liegt in einem hundertprozentigen Fantasie-Leipzig. Aber die ausgefallenen Krankheiten, die hier stets ganz zufällig diagnostiziert und nur in einer dramatischen OP geheilt werden können, die erinnern einen doch sehr stark an die Doktorspiele im Kinderzimmer, damals, als die Plüschtiere mindesten 43 Fieber hatten und nur mit allerlei Hokuspokus in allerletzter Sekunde vor dem Ableben bewahrt werden konnten.

Solche Spiele, essenzieller Teil des menschlichen Narrativs, die ja auch mit der nie ganz unschuldigen Entdeckerfreude verbotenen Terrains einhergehen, hat niemand liebevoller, aber auch unerbittlich grausamer und genauer erforscht als Pina Bausch mit ihrem Tanztheater Wuppertal. Die Kinder von gestern, heute und morgen verbinden auf tänzerisch atemberaubendem Niveau die Operation am offenen Herzen mit kindlichen Doktorspielen, die in erste Annäherungen mit allen schmerzhaften Varianten von Anziehung und Zurückweisung einher gehen. An diesem Mittwoch, 29. Juni, 19.30 Uhr, ist die Dernière der "Kinder" in der Einstudierung des Bayerischen Staatsballetts anlässlich der Opernfestspiele im Nationaltheater. Vielleicht ergattert man ja am Abend mit etwas Glück noch eine Karte für die ausverkaufte Vorstellung.

Und noch einen Abschied gibt es, denn die Saison neigt sich ja dem Ende zu: Zum vierten Mal wird Heinrich tanzt aufgeführt, am 21. Juli um 11, 15 und 19 Uhr in der Muffathalle. Im Mittelpunkt stehen Achtklässler des Heinrich-Heine-Gymnasiums, die gemeinsam mit Tänzern, Musikern und Choreografen eine Choreografie, diesmal unter dem Motto "Fremde Nähe", erarbeiten, um sie dann zu präsentieren. Initiiert von Bettina Wagner-Bergelt, hat das Campus-Projekt des Bayerischen Staatsballetts zusammen mit dem Tanz und Schule e.V. das Ziel, Kinder für den Tanz zu begeistern. In den vergangenen vier Jahren trieb es schon schönste Blüten. Ein offenes Herz und ein wacher Geist sind hierbei nicht nur bei den Beteiligten, sondern auch den Zuschauern erwünscht. Also nix für zugemüllte Hirne.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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