Vorschlag-Hammer:Gegen Schockstarre

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Ein Museumsbesuch hilft, die Angst nach den Anschlägen für kurze Zeit zu vergessen

Von Christoph Wiedemann

Selten so große Probleme gehabt, eine Kolumne zu verfassen, in der es um die entspannten, im besten Falle Erkenntnis fördernden Seiten des Lebens gehen sollte. In der es aber gleichzeitig auch nicht um Politik, Terror und dessen Kommentierung gehen kann. Nur: Die Ereignisse von Paris am Freitagabend wirken ganz einfach katastrophal weiter. Man ist versucht, sich katatonischer Sprachlosigkeit hinzugeben.

Andererseits: Das Leben muss weitergehen. Wir sind Teil einer aufgeklärten Gesellschaft, die sich keine Denkverbote aufzwingen lassen kann. In jedem Fall eine Möglichkeit, sich der drohenden Schockstarre zu entwinden: die gewohnten Kulturrituale wieder aufnehmen. Die Räume des freien Denkens und Assoziierens so wie immer nutzen. Kurz: die Museen, die zeitgenössischen Kathedralen unserer säkularisierten Gesellschaft besuchen und deren breites Angebot nicht als Selbstverständlichkeit, sondern vor dem Hintergrund der weltanschaulichen Gräben als Geschenk wahrnehmen.

Zwei in der vergangenen Woche eröffnete Ausstellungen in den Museen des Kunstareals verdienen dringend eine Begutachtung. Das wäre zum Einen in der Neuen Sammlung der Pinakothek der Moderne (Barer Straße 40) die Präsentation der Arbeiten des international renommierten Münchner Designers Konstantin Grcic. In der Paternoster-Halle des Museums ist ein Überblick seiner Präzision, Funktionalität und Formvollendung vereinenden Stuhlkreationen zu sehen. Ein Saal der Pinakothek ist allein Entwurf und Realisierung eines Messepavillons gewidmet. Verantwortungsvolles Design in einer Zeit des immer schnelleren Warenumsatzes.

Absolut sehenswert, nicht nur wegen der aufwendigen Präsentation: Die Ausstellung "Painting 2.0 - Malerei im Informationszeitalter" im Museum Brandhorst (Theresienstraße 35 a). Für die Auseinandersetzung der Malerei seit den Sechzigerjahren mit den bis heute immer umfassender dominierenden technischen Bildmedien wie TV, Computer und Internet hat das Kuratorenteam um Museumsdirektor Achim Hochdörfer etwas getan, was der Großteil seiner Kollegen scheut. Er hat bis auf den Saal mit Cy Twombleys "Lepanto-Zyklus" sämtliche Ausstellungsräume über alle drei Etagen umgeräumt und neu bestückt. Ein echter Kraftakt, verglichen mit dem sonst üblichen Einrichten kleiner überschaubarer Kabinettsausstellungen.

Neu hinzukommen wird in dieser Woche im Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne die Aufbereitung eines 1998 in Caracas gegründeten interdisziplinären Stadtplanerkollektivs namens "Urban Think Tank".

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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