Vorschlag-Hammer:Ganz schön hässlich

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Das Internetportal Buzzfeed zeigt München: als "ugliest city in Germany". Wahrheit und Wahrnehmung sind äußerst dehnbare Kategorien

Von Christiane Lutz

Auf dem Internetportal Buzzfeed findet sich eine Fotostrecke mit dem Titel Turns out, Munich is the ugliest city in Germany. Don't go there. Please. Übersetzt also: "München ist furchtbar. Bitte gehen Sie da nicht hin." Darunter erscheinen 31 Münchner Szenen, die an urbaner, per App gefilterter Herrlichkeit kaum zu übertreffen sind - versehen mit miesmachenden Unterschriften. Menschen, die im Sonnenuntergang Spritz trinken - "Die Sonnenuntergänge sind die schlimmsten" - und ein paar Eisbach-Surfer im Schnee, diese bedauernswerten Kreaturen, die seit einer Ewigkeit als Beleg dafür herhalten müssen, dass München lässig ist. Unterschrift: "Winter in München ist die Hölle." Natürlich ist das Ironie und München gar nicht ugly. "Winter in München ist toll" wäre wohl zu langweilig gewesen. Wahrheit und Wahrnehmung sind ja sowieso äußerst dehnbare Kategorien, muss sich Buzzfeed gedacht haben. Das lässt sich auch ganz mitreißend in dem Stück Wahrheiten und Wirklichkeit sehen (noch bis Samstag im Akademietheater, jeweils 20 Uhr), in dem es um privilegierte Millennials geht, die aber trotzdem kreuzunglücklich sind.

Zurück zu Buzzfeed: Nun hat ein Freund und großer Münchenverehrer entdeckt, dass da ein Bild auftaucht, das er gemacht und auf Instagram geteilt hat. Es zeigt seine Frau, wie sie den Englischen Garten vom Monopteros aus überblickt, ganz verträumt (wobei sie von der Kamera abgewandt steht. Ich stelle mir aber gern vor, dass sie verträumt blickt, weil es so gut zu meinem Münchenbild passt). Mein Freund ist stolz auf diese Referenz, schließlich arbeitet er im Netz schon lange hart daran, der Welt zu zeigen, wie schön München ist. Wie übrigens auch meine Kollegin Laura Kaufmann, die unter "_Lakaz_" auf Instagram sehr schöne Münchenbilder veröffentlicht. Max Scharnigg, Autor und Kollege, setzt sich mit München lieber in literarischen als digitalen Bildern auseinander. Mehr München geht nicht nennt er die Lesung (25. Januar, Münchner Literaturbüro), bei der er Texte über diese Stadt und ihre Bewohner vortragen wird. Scharnigg kann auf sehr liebevolle Weise gemein sein. Die Lesung dürfte also recht unterhaltsam werden, sofern man über etwas Selbstironie verfügt, die bei Münchnern erstaunlicherweise keine selbstverständliche Eigenschaft ist.

Dabei ist sie äußerst nützlich, um nicht in Selbstmitleid zu verfallen. "Das Kleinliche und Schattenhafte überwinden, das uns hindert, frei und glücklich zu sein, hierin besteht das Ziel und der Sinn unseres Daseins", sagt Anton Tschechow. Das Zitat stammt aus dem Kirschgarten, welchen Nicolas Stemann in diesem Moment an den Kammerspielen noch zu Ende inszeniert (Premiere am Freitag, 27. Januar). Über Tschechows Münchenbild ist leider wenig bekannt. Gleich mal auf Instagram schauen, ob er da vielleicht was zum Thema gepostet hat.

© SZ vom 24.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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