Vorschlag-Hammer:Ego und Manie

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Im Literaturhaus am Salvatorplatz werden markante Künstlertypen gewürdigt: Wolfgang Herrndorf, David Bowie und weitere

Von Antje Weber

Er schaut einen direkt an, mit einem herausfordernden, unangenehm durchdringenden Blick. Dieser Blick, der durch kein Lächeln gemildert wird, folgt dem Betrachter des Selbstporträts von Wolfgang Herrndorf aus dem Jahr 1990 durch den Literaturhaus-Ausstellungssaal. Das Bild soll an Meister wie Vermeer erinnern, dessen berühmtes "Mädchen mit dem Perlenohrring" ebenfalls die Augen schweifen lässt, wie man im Mauritshuis in Den Haag nachvollziehen kann. So ironisch Herrndorfs Selbstporträt vor giftgrünem Hintergrund auch gemeint sein mag, es macht doch klar, wo sich der Schöpfer sieht: in einer Reihe mit den ganz Großen. An Selbstbewusstsein mangelt es dem Maler, der erst Jahre später als Schriftsteller reüssieren wird, offensichtlich nicht.

Natürlich hat ein Wolfgang Herrndorf auch jede Menge Selbstzweifel gehabt, die man zum Beispiel aus manchem Eintrag seines Blogs "Arbeit und Struktur" herauslesen konnte. Eine Mischung aus Selbstzweifeln und Selbstüberhöhung scheint ja ohnehin eine Art Grundvoraussetzung für eine - meist männliche - Künstlerpersönlichkeit zu sein. Im besten Falle kommen noch Intelligenz, Witz und Selbstironie dazu. Das alles kann man, was Herrndorf angeht, in der Ausstellung "Zitate" im Literaturhaus finden (bis 25. September). Am Salvatorplatz werden in den nächsten Tagen übrigens noch weitere auffällige Künstlertypen gewürdigt: Die legendären Pop-Musiker David Bowie und Prince wird der Münchner Musiker, DJ und Autor Thomas Meinecke sicherlich klug in ihren Widersprüchen analysieren (Freitag, 8. Juli, 20 Uhr). Wie viel Narzissmus bei Schriftstellern gerade noch auszuhalten ist, könnte dann eine interessante Ausgangsfrage für den Abend mit Thomas Glavinic sein (12. Juli).

Was Egomanie angeht, kann allerdings kaum einer dem Zeichner und Autor Horst Janssen das Wasser reichen. Einer, der Sätze schrieb wie: "Hatte mal wieder für ein Drittel Sekunde das Empfinden, der Größte zu sein. Wunderschönes Gefühl und so maßlos, dass selbst bei ökonomischer oder kritischer Zurückstutzung noch was ganz Großartiges übrig bleibt." Eine Ausstellung im Olaf Gulbransson Museum am Tegernsee (bis 11. September) vollzieht nun Janssens Reise nach Skandinavien mit Gesche Tietjens im Jahr 1971 nach. Wer Gesche Tietjens war? Eine der vielen Frauen, die dem norddeutschen Lebenskünstler verfielen - obwohl der, wie man an so manchem Selbstporträt sehen kann, nun wirklich kein schöner Mann war, außerdem heftig soff, heftig krakeelte und überhaupt sehr anstrengend war. Aber: Janssen konnte hinreißend zeichnen, schlau reden und drollig schreiben. Ein Hochbegabter und zugleich Zerrissener, dessen "wütender Geist" sich - darin übrigens einem Herrndorf ähnlich - in Momenten des Selbsthasses gegen alles richtete, was er zuvor gemacht und geliebt hatte. Einer, der also besonders gut wusste: "Nirgends ist's hübscher als in der sichtweitigen Distance zum Größenwahn."

© SZ vom 07.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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