Vorschlag-Hammer:Die Bühnen der Bayern

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Der Bayer ist ein leidenschaftlicher Schauspieler. Diese Leidenschaft wurzelt im religiösen Volksschauspiel, und das kann man heute noch überprüfen

Von Sabine Reithmaier

Der Bayer an sich ist ein leidenschaftlicher Schauspieler. Unentwegt setzt er sich dramatisch mit Dingen, Personen, Ereignissen auseinander. Daher ist Theater für ihn immer eine Sache, mit der nicht zu spaßen ist. Das war auch schon vor Jahrhunderten so, wurzelt die bayerische Leidenschaft doch im religiösen Volksschauspiel. Als Anfang wäre vielleicht das berühmte Spiel von der Ankunft des Antichristen zu nennen, der "Ludus Paschalis de adventu Antichristi", der im 12. Jahrhundert im Benediktinerkloster am Tegernsee entstand und dort der Legende nach in Gegenwart von Friedrich Barbarossa aufgeführt wurde.

Wirklich üppig entfaltete sich die Spielleidenschaft erst im Barock. Manche Passionsspiele dauerten sogar länger als die wirkliche Leidensgeschichte, in Bozen spielte man 1515 immerhin volle sieben Tage. Von ihrer zeitlichen Ausdehnung her gesehen ist die Waaler Passion da eher harmlos. Sie dauert inklusive Pause nur vier Stunden, obwohl sie mit dem Sündenfall beginnt und mit der Auferstehung Christi endet. Begründet hat die Tradition ein Pestgelübde, das die Gemeinde im Ostallgäu 1621 ablegte. Allerdings legten sich die Einwohner nicht auf einen festen Turnus fest, sondern sie spielen in unregelmäßigen Abständen, letztmals 2009.Die Passion basiert auf dem ältesten erhaltenen Text aus dem Jahr 1791, den der Lehrer und Heimatdichter Arthur Maximilian Miller (1901 - 1992) überarbeitet hat. Inzwischen hat seine Version weitere Modernisierungen erfahren, zuletzt von Regisseur Florian Werner, der im Hauptberuf das Landsberger Stadttheater managt (bis 27. 9. jeden Sonntag, 13 - 17.15 Uhr, Passionstheater, Theaterstraße 7).

In den Jahren ohne Passion machen die Waaler gelegentlich Heiligenspiele. Eigentlich ist das die Domäne der Theatergesellschaft Bad Endorf, die seit jeher in mehrstündigen Stücken das Leben von Heiligen darstellt. Heuer hat sich das drittälteste Theater Bayerns Theresa von Avila vorgenommen. Aber Achtung: Das naive Spiel der Schauspieler ist gewöhnungsbedürftig, der Regiestil auch. Wer mit Oberammergauer Erwartungen zu diesen Non-Profit-Unternehmungen anrückt, wird enttäuscht (26.6., 20 Uhr, 28.6.,14 Uhr, Volkstheater Bad Endorf).

Wer mehr an historischen Themen interessiert ist: In Straubing ermorden sie nach vierjähriger Pause gerade wieder die Agnes Bernauer. Johannes Reitmeier, Intendant des Landestheaters Innsbruck, hat 2011 einen neuen Text über Liebe und Sterben jener Frau verfasst, die 1435 in der Donau ertränkt wurde. Die Inszenierung von Alfred Jurgasch ist ein weiterer Beleg für die leidenschaftliche Spielfreude der Bayern (bis 19. Juli, 20.30 Uhr, mittwochs, freitags, Wochenende, Herzogschloss).

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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